Panzer während einer Militärübung von Russland und Belarus
Reuters/Belta
Truppenbewegungen

Ukraine fordert von Russland Aufklärung

Die ukrainische Regierung hat von Russland mit Blick auf eine Vereinbarung in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Transparenz über dessen Truppenbewegungen gefordert. Moskau müsse „seinen Verpflichtungen zur militärischen Transparenz nachkommen, um Spannungen abzubauen“, so der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. Deshalb berufe die Ukraine „innerhalb von 48 Stunden ein Treffen mit Russland und allen Mitgliedsstaaten ein“, so der Außenminister Sonntagabend.

Die Regierung in Moskau habe eine Anfrage Kiews unter Berufung auf das Wiener Dokument der OSZE ignoriert, sagte Kuleba am Sonntagabend weiter. Der Text soll den Informationsaustausch über die Aktivitäten der Streitkräfte der 57 Mitgliedsländer der Organisation fördern. „Jetzt gehen wir zum nächsten Schritt über“, kündigte Kuleba an. Es gehe darum, „die Verstärkung und Verlegung russischer Truppen entlang unserer Grenze und auf der besetzten Krim zu besprechen“.

Moskau hat nach westlichen Angaben in den vergangenen Monaten mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Hinzu kommen ein zehntägiges belarussisch-russisches Militärmanöver, für das Moskau nach US-Angaben rund 30.000 Soldaten nach Belarus verlegt hat, sowie russische Marineübungen unter anderem in der Arktis und im Mittelmeer. Die US-Regierung hat wiederholt gewarnt, Russland könnte das Nachbarland „jederzeit“ angreifen. Russland bestreitet jegliche Angriffspläne und führt an, sich von der NATO bedroht zu fühlen.

Panzer während einer Militärübung von Russland und Belarus
Reuters/Belta
Ein Panzer während einer Militärübung von Russland und Belarus

Russisches Manöver vor Krim-Küste

Russland hält auch ein Manöver im Schwarzen Meer ab. Daran seien auch Flugzeuge, Hubschrauber und Schiffe beteiligt gewesen, teilte die Schwarzmeer-Flotte am Montag mit. Es sei die Ortung und Zerstörung von U-Booten trainiert worden. Die Übung galt als Vorbereitung auf ein größeres Manöver, wie es hieß.

Ziel ist es laut russischen Angaben, die Küste der von Russland 2014 unrechtmäßig annektierten ukrainischen Halbinsel Krim und Marinestützpunkte „gegen mögliche militärische Bedrohungen durch einen potenziellen Gegner zu verteidigen“. Mehr als 30 Kriegsschiffe seien im Einsatz, hieß es weiter. Die Ukraine hatte zuvor Fluggesellschaften geraten, den Luftraum über dem Schwarzen Meer von Montag bis Samstag zu meiden. Laut Moskau sind einige Manöver bereits beendet. Andere würden sich dem Ende nähern, so Verteidigungsminister Sergej Schoigu.

Lawrow: Möglichkeiten bei Weitem nicht erschöpft

Der russische Außenminister Sergej Lawrow äußerte am Montag Hoffnungen auf eine Einigung mit dem Westen. In einem offensichtlich genau orchestrierten Treffen mit Präsident Wladimir Putin sagte Lawrow am Montag zu den Erfolgsaussichten der Verhandlungen mit dem Westen: „Als Chef des Außenministeriums muss ich sagen, dass es immer eine Chance gibt.“ Er spreche sich dafür aus, die Gespräche fortzusetzen und zu verstärken.

In dem vom Fernsehen übertragenen Treffen fragte Putin seinen Außenamtschef: „Gibt es eine Chance, mit unseren Partnern eine Einigung in wichtigen Punkten zu erlangen oder ist das ein Versuch, uns in einen endlosen Verhandlungsprozess zu ziehen?“ Daraufhin sagte Lawrow unter anderem: „Unsere Möglichkeiten sind bei Weitem nicht erschöpft.“ Die Verhandlungen sollten zwar „nicht unendlich fortgesetzt werden, aber ich schlage vor, sie fortzusetzen und zu verstärken“, so der russische Außenminister.

Selenski lädt Biden ein – keine Anwort

Einen Tag nach seinem Telefonat mit Putin hatte US-Präsident Joe Biden am Sonntagabend auch mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenski gesprochen. Der ukrainische Präsident lud Biden zu einem baldigen Besuch in der Ukraine ein, teilte Selenskis Büro im Anschluss mit.

„Ich bin überzeugt, dass Ihre Ankunft in Kiew in den kommenden Tagen, die für die Stabilisierung der Lage entscheidend sind, ein starkes Signal sein und zur Deeskalation beitragen wird“, zitierte das Präsidialamt Selenskis Worte an Biden. Der Sender CNN zitierte einen ungenannten ukrainischen Beamten mit den Worten, Biden habe nicht positiv auf die Idee reagiert. Das Weiße Haus lehnte eine Stellungnahme zu der Einladung ab.

Vadym Prystaiko, ukrainischer Botschafter in London
Reuters/Peter Nicholls
Der ukrainische Botschafter in London, Vadym Prystajko

Ukraine: NATO-Beitritt „Priorität“

Die ukrainische Regierung unterstrich ihre Absicht, der NATO und der EU beizutreten. Das habe für das Land absolute Priorität, sagte ein Sprecher von Präsident Selenski am Montag. Er reagierte damit auf Äußerungen des ukrainischen Botschafters in Großbritannien, Vadym Prystajko, der laut einem Bericht der BBC signalisierte, die Ukraine könnte auf die von ihr angestrebte NATO-Mitgliedschaft verzichten, um einen Krieg mit Russland zu vermeiden.

Moskau kann dem einiges abgewinnen. „Eine irgendwie dokumentierte Ablehnung der Ukraine (…), das wäre sicherlich ein Schritt, der wesentlich zur Formulierung einer sinnvolleren Antwort auf die russischen Bedenken beitragen würde“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.

Wenig später stellte der ukrainische Diplomat allerdings klar, es habe sich um ein Missverständnis gehandelt. Die Ukraine werde den von ihr anvisierten NATO-Beitritt nicht überdenken. „Dieser (Beitritts-)Kurs spiegelt sich nicht nur in der Verfassung wider, sondern hat auch die volle Zustimmung der Behörden und der Gesellschaft“, sagte Selenskis Sprecher Sergii Nykyforow der Nachrichtenagentur Reuters.

Moskau: Beziehungen mit USA an „sehr, sehr tiefem Punkt“

Moskau lehnt eine Osterweiterung der NATO entschieden ab und fordert vom Westen Sicherheitsgarantien, etwa, dass die Ukraine dem transatlantischen Militärbündnis nicht beitreten wird. Die NATO lehnt das ab.

Die Beziehungen zwischen den USA und Russland liegen nach Darstellung Moskaus am Boden. Es gebe bestimmte Kommunikationskanäle, sagte Kreml-Sprecher Peskow der Nachrichtenagentur RIA zufolge am Montag. Positiv sei, dass Putin und Biden in Kontakt gewesen seien. Die beiden hatten am Samstag inmitten der Ukraine-Russland-Krise telefoniert. „Das ist ein Pluspunkt.“ Denn vor einigen Jahren habe es überhaupt keinen Kontakt gegeben. Aber auf anderen Gebieten sei man an „einem sehr, sehr tiefen Punkt“.

G-7 droht mit Sanktionen bei Angriff

Die Gruppe sieben führender Industriestaaten (G-7) drohte Russland für den Fall eines Angriffs auf die Ukraine mit schweren Wirtschafts- und Finanzsanktionen. Die G-7-Staaten seien bereit, gemeinsam Sanktionen zu verhängen, die „massive und sofortige Auswirkungen auf die russische Wirtschaft“ hätten, hieß es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung der G-7-Finanzminister und -ministerinnen.

Oberste Priorität der G-7 sei es weiterhin, Anstrengungen zur Deeskalation in der Ukraine-Krise zu unterstützen, hieß es weiter. Im Falle einer russischen Militäraktion sei die G-7 jedoch zu Konsequenzen bereit.

Die Europäische Union bereitet indes verschiedene Antworten auf mögliche Aktionen Russlands bezüglich der Ukraine vor. Diese hingen davon ab, was Russland möglicherweise unternehme, um die Ukraine weiter zu destabilisieren, hieß es aus EU-Kreisen. Die EU wisse nicht, ob und was die Regierung in Moskau in Bezug auf die Ukraine bereits entschieden habe oder ob sie bluffe. Die Gespräche der US-Führung mit Russland hätten nicht viel gebracht.

Österreich zieht OSZE-Beobachter nicht ab

Anders als die USA und andere Staaten plant Österreich keinen Abzug seiner OSZE-Beobachter aus der Ostukraine. „So wie auch das österreichische Botschafterpersonal in Kiew die Stellung halten wird, wird Österreich auch weiterhin die SMM personell unterstützen“, teilte das Außenministerium auf APA-Anfrage mit. Von den derzeit zwölf österreichischen Mitgliedern der Sonderbeobachtungsmission (SMM) befänden sich vier in den Separatistengebieten von Donezk und Luhansk.

„Die Entscheidung über deren weiteren Einsatz beziehungsweise Einsatzort obliegt der OSZE“, so eine Ministeriumssprecherin in der Nacht auf Montag. Die in Wien ansässige Sicherheitsorganisation hatte zuvor betont, die Mission werde „ihr von der OSZE genehmigtes Mandat weiter umsetzen und ihre Beobachter in zehn Städten in der ganzen Ukraine einsetzen“. Zugleich versicherte die Organisation, dass die Sicherheit der Mitarbeiter höchste Priorität habe.

Telefonat der Verteidigungsminister von Ukraine und Belarus

Russland bleibt indes einer Sitzung der OSZE am Montag fern. Das berichtete die Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf den russischen Diplomaten Konstantin Gawrilow. Das OSZE-Treffen war von den baltischen Staaten beantragt worden und soll eine „ungewöhnliche militärische Aktivität“ in Belarus behandeln.

Die Verteidigungsminister von Belarus und der Ukraine telefonierten unterdessen miteinander. Es sei darum gegangen, zwischen den Nachbarländern wieder eine Atmosphäre des Dialogs herzustellen und die Sicherheit in der Region zu gewährleisten, teilte das belarussische Verteidigungsministerium mit.

Die Minister hätten das laufende Militärmanöver der Ukraine und jenes von Belarus und Russland auf belarussischem Territorium erörtert. Beide Minister hätten ihre Zuversicht ausgedrückt, dass die Aktivität keiner Seite eine Bedrohung der Sicherheit der jeweils anderen darstelle. Die ukrainische Führung bestätigte das Telefonat und wertete es als positives Signal sowie als einen ersten Schritt in Richtung Zusammenarbeit.