Ibiza-Drahtzieher Julian Hessenthaler vor dem Prozess
APA/Florian Wieser
Drogenprozess

Dreieinhalb Jahre Haft für „Ibiza“-Detektiv

Am Mittwoch ist das Urteil im Prozess gegen den als „Ibiza“-Detektiv bekannt gewordenen Julian Hessenthaler gefallen. Grund des Prozesses waren nicht die folgenreichen „Ibiza-Videos“: Hessenthaler wurde wegen Kokainhandels sowie wegen Annahme, Weitergabe oder Besitzes falscher oder gefälschter besonders geschützter Urkunden nicht rechtskräftig zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Hessenthaler wurde schuldig gesprochen, 2017 und 2018 insgesamt 1,25 Kilo Kokain in Niederösterreich, Salzburg und Oberösterreich zu einem Grammpreis von 40 Euro an einen Bekannten übergeben zu haben. Weiters wurde er verurteilt, einen gefälschten slowenischen Personalausweis und Führerschein, die auf den Namen einer rumänischen Bekannten lauteten, besessen und übergeben sowie bei einer Polizeikontrolle am 7. Mai 2019 in Wien eine gefälschte slowenische Lenkberechtigung vorgewiesen zu haben.

Es gebe „keinen Anhaltspunkt“, dass Zahlungen für eine Falschaussage geleistet wurden, meinte der Richter in der Urteilsbegründung: Der zeitliche Konnex zwischen der Bezahlung und der ersten Belastung eineinhalb Jahre später passe nicht. Die Belastungszeugen haben nach Ansicht des Gerichts einen „glaubwürdigen Eindruck vermittelt, was die Anlastungen betrifft“, und ihre Aussagen nicht abgesprochen. Die Aussagen der beiden zu drei Drogenübergaben „überschneiden sich trotz zahlreicher Widersprüche“, sagte der Richter.

Plakate mit Julian Hessenthaler
ORF.at/Viviane Koth
Verfolgter Whistleblower oder Drogenhändler: In Wien wurde „Freiheit für Julian Hessenthaler!“ affichiert

Richter weist politische Einflussnahme zurück

Aussagen der Rechtsanwälte seien in die Richtung gegangen, dass ein Urteil nicht im Sinne der Verteidigung Ausfluss von politischer Einflussnahme sei, meinte der Richter. „Ich kann Ihnen versichern, das ist nicht der Fall.“ Hessenthaler bezeichnete es zu Beginn des Prozesstages in seiner Stellungnahme als „bemerkenswert“, dass trotz ressourcenintensiver Ermittlungen sowie eigener Sonderkommission „nicht ein einziger Sachbeweis“ vorliege: „Das ist mehr als ungewöhnlich.“ Er müsse sich verteidigen gegen eine „einseitig ermittelnde SoKo und Staatsanwaltschaft“.

Staatsanwalt Bernd Schneider sagte in seinem Schlussvortrag zu den Vorwürfen gegen den Beschuldigten: „Meines Erachtens sind sie erwiesen.“ Wie bereits zu Beginn des Prozesses am 8. September 2021 betonte er, die Anklage „hat nichts mit einem Video zu tun, das 2017 auf Ibiza gedreht wurde“. Die Anklage sei auf einen Drogen-„Zufallsfund“ in einem Staubsaugerbeutel im Keller der späteren Belastungszeugin zurückzuführen. Die Frau habe eine „Lebensbeichte“ abgelegt und den Beschuldigten als einen ihrer Lieferanten genannt.

Verteidiger Wolfgang Auer entgegnete dem Staatsanwalt, die Anklage stehe sehr wohl im Zusammenhang mit dem „Ibiza-Video“. „Das politische System in Österreich ist sehr korruptionsanfällig“, deshalb würden Whistleblower verfolgt, um „ein Exempel zu statuieren“, konstatierte Auer im Schlussplädoyer. Es gebe in den Zeugenaussagen „so viele Widersprüche, dass einfach gar nichts mehr übrig bleibt“.

Politbombe „Ibiza-Video“

Das „Ibiza-Video“, 2017 gedreht und zwei Jahre später veröffentlicht, hat den Lauf der österreichischen Politik verändert. Ein russischer Lockvogel, Hessenthaler und ein heimischer Parteichef und dessen Adlatus in einer spanischen Finca: Das Setting ist bekannt, die Zitate sind inzwischen in den Sprachgebrauch des öffentlichen Diskurses übergegangen: „Zack, zack, zack“ oder „Novomatic zahlt alle“. Dahinter stand unter anderem Hessenthaler: Er hatte zusammen mit einem Wiener Anwalt den Plan zur Videofalle ausgetüftelt und war in der Finca auf Ibiza für die Verkabelung und Kameras zuständig.

Widersprüchliche Zeugen

Im Verfahren tauchten einige ungewöhnliche Puzzleteile auf, die nicht zu einem üblichen Drogenprozess passen wollten. So waren die Belastungszeugen Slaven K., Hessenthalers ehemaliger Geschäftspartner, Katharina H., K.s Ex-Freundin, und Edis S. mitunter eine Belastung für die Anklage: Sie widersprachen sich mehrmals, gaben unterschiedliche Wahrnehmungen an und bezichtigten sich schließlich auch gegenseitig der Lüge. K. und H. gaben laut den Einvernahmeprotokollen, die der ORF-„Report“ zitierte, an, von Hessenthaler in mehreren Tranchen über ein Kilo hochwertiges Kokain gekauft zu haben. S. gab die Informationen über einen Mittelsmann an die Behörden weiter.

„In dieser Hauptverhandlung ist es schon wiederholt dazu gekommen, dass sich die Belastungszeugen widersprochen haben. Die Belastungszeugen haben sich selbst gegenseitig als Lügner bezeichnet, als unter Wahnvorstellungen leidend, und von daher, glaube ich, dass der dringende Tatverdacht, den eine Untersuchungshaft benötigt, damit sie überhaupt rechtmäßig ist, nicht mehr besteht“, so Hessenthalers Anwalt Oliver Scherbaum gegenüber dem „Report“.

Geld gegen Information

Die augenscheinlichste Besonderheit des Verfahrens war aber wohl die Rolle von Gert Schmidt, Betreiber der Plattform eu-infothek und in der Vergangenheit in heiklen Fällen tätig für den Glücksspielkonzern Novomatic, wie unter anderem der „Falter“ berichtete. Schmidt zahlte 55.000 Euro an Slaven K. und Edis S. für Informationen über Hessenthaler. Das gaben alle drei zu. Laut „Falter“ floss sogar noch mehr Geld: In Slaven K.s eigenem Drogenverfahren habe Schmidt etwa 10.000 Euro für den Strafverteidiger gezahlt. Edis S. habe später einen Job von Schmidt bekommen.

Für die Verteidigung waren die Drogenvorwürfe gegen Hessenthaler konstruiert, um ihn mundtot zu machen. Für die Gegenseite war diese Sichtweise nur eine legitime, aber durchsichtige Verteidigungsstrategie. Die Zeugen seien glaubwürdig und hätten unter Wahrheitspflicht ausgesagt. Auch das Oberlandesgericht Wien, die erste Instanz, sah das so. Dementsprechend waren auch Hessenthalers Beschwerden gegen die U-Haft abgelehnt worden.

Ein Drogenprozess gegen Hessenthaler, ohne dabei die Zusammenhänge mit dem „Ibiza-Video“ zu beachten, „wäre naiv“, sagte der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak kürzlich zur ZIB2. „Da muss man dann schon objektiv sagen: Okay, was sind die Interessen, die hier eine Rolle spielen, wenn die Staatsanwaltschaft hier viel, viel mehr Augenmerk auf den Herrn Hessenthaler richtet, also auf den Whistleblower, wenn man so will, als auf denjenigen, der sich in diesem Video klar als jemand zu erkennen gegeben hat, der gerne viele Dinge der Republik Österreich – es war ja noch viel mehr – verkaufen würde. Da ging es schon um sehr viel Korruption. Und das kann man nicht völlig voneinander trennen.“