Auswertung eines Gurgel-PCR-Tests
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In aller Munde

Der CT-Wert und das Familiencluster

Die Omikron-Welle rollt durch viele Familien – und gibt dabei im Einzelfall weiterhin durchaus Rätsel auf. Denn die einen bleiben asymptomatisch, andere plagen Fieber und andere Symptome. Und wieder andere stecken sich trotz positiver Fälle im Haushalt gar nicht an. Einige Erklärungsversuche laufen über den CT-Wert bei positiven PCR-Tests, der im Wesentlichen die Virenlast im Mund- und Rachenraum wiedergibt. Doch der Wert ist auch mit Vorsicht zu genießen, sagen Expertinnen und Experten gegenüber ORF.at.

Der CT-Wert wird mittlerweile bei einigen Testanbietern im Falle eines positiven PCR-Tests ausgewiesen. Er gibt, vereinfacht gesagt, an, wie viele Schritte zur Vervielfältigung der viralen RNA nötig sind, bis sie nachgewiesen werden kann. Das heißt, je höher der CT-Wert ist, desto niedriger ist die Viruskonzentration in der untersuchten Probe. Bei Werten von unter 20 geht man von einer hohen Virenlast – und damit zumeist von einer hohen Infektiosität aus.

Heikler wird es bei höheren Werten: In vielen Ländern einigte man sich auf einen CT-Wert von 30 als Schwellenwert – darüber gilt die Ansteckunggefahr als eher unwahrscheinlich. So sind Infizierte in Österreich nach fünf Tagen auch dann freigetestet, wenn die Probe zwar positiv ist, der Wert aber eben über 30 liegt. Doch das ist eine Konvention: Bei den Olympischen Spielen in China wurde der Schwellenwert bei 35 angesetzt – erst danach durften positiv getestete Athletinnen und Athleten die Isolation verlassen.

Positiv ab welchem Wert?

Bei PCR-Testungen stellt sich damit auch die Frage, bis zu welchem Wert jemand als positiv getestete Neuinfektion gilt. Dieser „Cut-Off“ wird in vielen Fällen bei einem CT-Wert von 35 vorgenommen, alles darüber gilt als negativ. In Wien wird bei „Alles gurgelt!“ allerdings bis zu einem Wert von 39 eine Probe als positiv ausgewiesen. Damit will man Neuinfektionen möglichst früh erkennen, heißt es dazu von Mario Dujakovic, Sprecher des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker.

Im Normalfall nimmt die Viruslast im Zuge der Infektionen immer einen ähnlichen Verlauf: Sie steigt nach einer Infektion binnen kurzer Zeit stark an und nimmt dann nach einem Peak sukzessive ab. Vor diesem Hintergrund sage ein singulärer CT-Wert nichts aus, so Stephan Aberle, Virologe an der Meduni Wien gegenüber ORF.at: Die Faktoren Zeit und Dynamik seien relevant, also der Zeitpunkt innerhalb des Infektionsverlaufs.

Vor allem der Anstieg passiere bei der Omikron-Variante sehr schnell, so Aberle. Das serielle Intervall, der Abstand von der Infektion zur Weitergabe, sei bei Omikron verringert: „Das hat sich von drei bis vier Tage auf zwei bis drei Tage verkürzt.“ Ein Großteil der Weitergaben des Virus passiere genau in dieser Anfangsphase, so der Virologe.

Nur wenige schaffen Freitesten am fünften Tag

Doch wie schnell die Viruslast dann abfällt, ist individuell höchst verschieden. Bei manchen Infizierten, freilich vor allem bei solchen mit deutlichen Symptomen, dauert es bis zu zwei Wochen und manchmal sogar länger, bis der CT-Wert über 30 steigt. Bei der Auswertung von rund 73.000 Fällen von „Alles gurgelt!“ versuchten 58 Prozent sich vor dem Ende der zehntägigen Quarantäne freizutesten, wie die gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination (GECKO) Ende Jänner in ihrem Bericht festhielt. Für eine Freitestung muss man bereits zwei Tage ohne Symptome sein.

Nur 17 Prozent all jener, die es am ersten möglichen Tag, am fünften, versuchten, waren dabei erfolgreich. An den Folgetagen, also vom sechsten bis zum neunten, schafften rund die Hälfte einen negativen Test oder einen CT-Wert über 30. Aberle verweist allerdings auf mittlerweile mehrere internationale Beispiele, bei denen man von einem Freitesten und einer CT-Wert-Schwelle abrückt und Infizierte nach einem Ablauf von einigen Tagen automatisch aus der Isolierung entlässt, weil man davon ausgeht, dass Ansteckungen unwahrscheinlich sind und damit epidemiologisch keine große Rolle mehr spielen.

Eine Frage der Wahrscheinlichkeit

In anderen dokumentierten Fällen kann nur kurz eine Infektion nachgewiesen werden – und selbst da unterschreitet der CT-Wert trotz engmaschiger Testung nie den Schwellwert von 30. Und trotzdem finden nachgewiesenerweise Ansteckungen im Familienverbund statt. Laut den Experten sei das zwar eher unwahrscheinlich, könne aber durchaus passieren. Eine frühe Studie aus Großbritannien wies allerdings schon 2020 darauf hin, dass Ansteckungen auch spät und bei hohem CT-Wert passieren können.

Welche Auswirkungen ein Immunschutz durch Impfung in Kombination mit neuen Virusvarianten auf die Vielfalt der Infektionsverläufe haben können, ist noch weitgehend unerforscht. An sich sei die Länge der infektiösen Phase und die Höhe der Virusausscheidung bei Omikron wohl nicht anders als bei Delta, meint Virologin Dorothee von Laer von der Meduni Innsbruck gegenüber ORF.at mit Verweis auf entsprechende Studien.

Schwieriger Sicherheitsabstand in Quarantäne

Es scheint aber jedenfalls plausibel, dass solche Ansteckungen bei hohen CT-Werten vor allem in Settings passieren, wenn Menschen über längere Zeit in sehr engem Kontakt stehen – also zum Beispiel in einem Haushalt in Quarantäne. Einmal in den Haushalt eingeschleppt, ist es im Normalfall auch schwierig bis unmöglich, so weit auf Distanz zu gehen, dass ein Ansteckungsszenario vermieden wird.

Eines der großen Rätsel des Coronavirus besteht genau dort – und hat sich mit den hohen Fallzahlen der Omikron-Variante noch mehr in den Vordergrund gespielt: Wer infiziert sich wann und wer nicht – und wer hat wie schwere Symptome? Für schwere Verläufe wurden eine Handvoll Faktoren rasch ausfindig gemacht, allen voran das Alter. Aber auch diverse Vorerkrankungen und etwa starkes Übergewicht erhöhen das Risiko dafür.

Am ehesten erklärbar sind milde Verläufe bei Kindern: Studien legen nahe, dass das kindliche Immunsystem in den oberen Atemwegen wesentlich stärker aktiv ist als bei Erwachsenen. Verantwortlich dafür scheint demnach der Botenstoff Interferon, der für eine schnelle und starke Immunantwort auf das eingedrungene Virus sorgt.

Mild ist relativ

Sonst gibt es hingegen noch recht wenige Anhaltspunkte für Faktoren für milde Symptome – wobei sich mild auch gerade bei Omikron als sehr relativer Begriff herausgestellt hat. Mild bedeutet zumeist, dass keine Spitalsbehandlung notwendig ist. Doch das reicht von einem Tag Schnupfen bis zu mehreren Tagen mit hohem Fieber. Der CT-Wert liefert dabei aber auch kaum Hinweise, denn von der Virenlast alleine lässt sich nicht auf einen bestimmten Krankheitsverlauf schließen.

Fest steht freilich, dass die Impfung, vor allem mit Booster-Shot, sowie eine durchgemachte Infektion, noch besser mit zusätzlicher Impfung, auch das Infektionsrisiko senkt. Bei Delta war das noch sehr deutlich, Omikron umgeht diesen Immunschutz allerdings recht häufig. Dennoch wirkt die Impfung auch dann: Wie bei den vorhergegangene Varianten erkranken die Infizierten seltener und wenn dann milder und kürzer. Eine – noch nicht begutachtete – Schweizer Studie legt auch nahe, dass bei Geimpften auch die Ansteckungsgefahr für andere dank kleinerer tatsächlich infektiöser Virenmengen geringer ist.

CT-Werte kaum vergleichbar

Häufig wird versucht, die Ansteckungen im gemeinsamen Haushalt, etwa auch bei der Frage, wer wen wann infiziert hat, mit Hilfe des CT-Werts zu erklären. Nicht immer werden ja Familienmitglieder gleichzeitig positiv getestet, manchmal gibt es auch eine Art „Staffellauf“, bei dem man sich die Zeitpunkte der Ansteckungen schwer erklären kann.

Als Orientierung wird da manchmal der jeweilige CT-Wert, so bekannt, als Erklärungsmuster herangezogen. Doch eine Tücke des CT-Werts ist vor allem, dass er eine Genauigkeit und Vergleichbarkeit suggeriert, die er nicht hat: Denn er ist abhängig ist von Probennahme, Aufbereitung und Testgerät. Nicht alle Labors würden mit Topqualität arbeiten, kritisierte der Präsident der Fachgesellschaft für Labormedizin, Georg Mustafa, bereits Mitte Jänner. CT-Werte mit unterschiedlicher Probenentnahme und unterschiedlicher Auswertung seien daher nur bedingt miteinander vergleichbar.

Schwankungen normal

Virologe Aberle sieht vor allem bei der Probenabnahme eine Quelle für Verzerrungen. Da komme es darauf an, wie viele infizierte Zellen man erwische – und gerade im Frühstadium der Infektion könne das variieren. Auch von Laer verweist darauf, dass das Gewebe nicht gleichmäßig betroffen ist: „Man muss sich das als Art Infektionsnester, verteilt auf die betroffenen Gewebe vorstellen, in die dann die Immunzellen einwandern und den jeweiligen Mikroherd nach und nach eliminieren.“ Die Abnahmetechnik sei bei der Bestimmung des CT-Werts wahrscheinlich der Faktor, der für die größten Schwankungen sorgt.

Bei Omikron stellt sich zudem die Herausforderung, dass sie im Vergleich zu den anderen Varianten zunächst vor allem im Rachen eher nachweisbar ist. Nasenabstriche weisen dann eine geringe Virenlast auf. Auch Gurgeltests können eine leichte Verzerrung bringen: Bei „Alles gurgelt!“ stellt sich das Problem weniger als bei anderen Anbietern, weil eine Salzwasserlösung verwendet wird und die Spüldauer eine Minute beträgt, so Hacker-Sprecher Dujakovic. Selbst wenn nur im Mundbereich gespült wird, könne man vorhandene Viren-RNA nachweisen.

Dennoch können aus unterschiedlich guten Probeentnahmen auch „springende“ CT-Werte bei Infizierten resultieren. Wenn jemand an mehreren Tagen hintereinander einmal einen Wert von 26 und einmal einen Wert von 31 habe, dann sei das weder überraschend noch problematisch, so Aberle.

Viele Fragen offen

Ein sehr hoher singulärer CT-Wert ohne „Vorgeschichte“ kann auch ein Indiz für ein falsch-positives Ergebnis sein, das bei PCR-Tests allerdings recht selten vorkommt. Ein möglicher Grund ist hier, dass noch Genomreste von einer bereits sehr lange zurückliegenden Infektion detektiert werden. Bei manchen Infizierten halten Pendelbewegungen des CT-Werts länger an, bei den Betroffenen wird das Virus laut Virologin Monika Redlberger-Fritz nur sehr langsam ausgeschieden – mehr dazu in wien.ORF.at.

Zumindest denkbar, aber wohl äußerst selten sei auch ein „Anflug“ von nicht mehr infektiöser Virus-RNA, die es irgendwie in die Probe schafft und dort dann ein positives Testergebnis auslöst, so Virologe Aberle. Insgesamt sei die Materie aber komplex, und viele Fragen seien noch unbeantwortet, so die Experten.