K.o.-Tropfen werden in ein Glas getropft
APA/dpa/Achim Scheidemann
Unsichtbare Falle für Frauen

K.-o.-Tropfen als unterschätzte Gefahr

Bald kann wieder in Clubs und Discos getanzt werden. Das abendliche Fortgehen kann sich vor allem für Frauen aber schnell zum Alptraum entwickeln, wenn K.-o.-Tropfen im Spiel sind. Frankreich mobilisiert nun im großen Stil gegen die Betäubungsmittel. Auch in Österreich wächst mit der Zahl der Vorfälle auch das Bewusstsein für die Gefahr durch K.-o.-Tropfen.

Lange standen die Clubs leer, spätestens im Sommer dürften sie sich aber wieder in ganz Europa füllen. Damit einhergehen könnte auch ein deutlicher Anstieg an sexueller Gewalt. Dabei werden häufig K.-o.-Tropfen benutzt, um Opfer zu betäuben und gefügig zu machen. Frankreich will dabei nicht zusehen: Eine landesweite Kampagne soll zur Wiedereröffnung der Diskotheken vor allem junge Frauen vor der „Gefahr im Glas“ warnen. In allen Nachtclubs und Bars hängen nun orangefarbenen Poster, auf denen auf die Missbrauchsmasche aufmerksam gemacht werden soll und Opfern Hilfe angeboten wird.

Ob man selber, eine Freundin oder ein Freund unter Drogen gesetzt worden seien, lautet die Frage auf dem Poster, das über einen QR-Code rund um die Uhr einen sofortigen und anonymen Chat mit der Polizei ermöglicht. Dafür stehen 66 speziell geschulte Beamte bereit, erläuterte kürzlich die beigeordnete Ministerin Marlene Schiappa in der Zeitung „Le Parisien“. Außerdem sollen künftig alle bewusstlos in Kliniken eingelieferten Menschen einer toxikologischen Untersuchung unterzogen werden. Die Kleidung von Opfern soll systematisch gesichert und auf DNA-Spuren möglicher Täter hin untersucht werden.

In Paris startet parallel dazu eine weitere Kampagne gegen sexuelle Belästigung und K.-o.-Tropfen. Vorübergehend werden auf den Videoschirmen von rund 50 Clubs die Slogans „Touche pas a mon drink“ (Hände weg von meinem Drink) und „Corps a Corps, pas sans mon accord“ (Körperkontakt nicht ohne meine Zustimmung) gezeigt. Unter dem Hashtag #BalanceTonBar (übersetzt etwa: stelle deine Bar an den Pranger) gibt es in ganz Frankreich seit dem Herbst Schilderungen Betroffener über bestimmte Clubs, in denen ihnen K.-o.-Tropfen verabreicht wurden.

Willenlos und ohne Erinnerung

K.-o.-Tropfen sind flüssige Drogen oder Medikamente, die oft farblos und geruchslos sind und leicht salzig bis seifig schmecken können. In Mixgetränken sind sie jedoch kaum wahrnehmbar. In geringer Dosis enthemmen sie potenzielle Opfer, in höherer Dosis wirken sie betäubend. Die Menschen werden willenlos und leicht manipulierbar, danach folgen Übelkeit und Schwindel. Die Tropfen werden in einem unbeobachteten Moment ins Getränk eines potenziellen Opfers gemengt. Diese können sich oft hinterher kaum noch an etwas erinnern und wachen mitunter in fremder Umgebung auf, nicht wissend, was passiert ist.

Eine besonders perfide Art der Betäubungsmasche machte sich zuletzt in Großbritannien breit. Dort häuften sich im vergangenen Winter die Berichte, dass Frauen und Mädchen per Spritze K.-o.-Tropfen verabreicht bekamen („Spiking“). Daraufhin wurde eine Petition mit der Forderung zur gesetzlichen Pflicht für Nachtclubs zur Durchsuchung von Gästen beim Eintritt gestartet. Sie erhielt bis zuletzt über 174.000 Unterschriften. Daher musste sich auch das Parlament mit dem Anliegen befassen. Dieses stellte aber nur fest, dass es schon bisher für Lokalbetreiber gesetzlich möglich ist, die Taschen von Gästen zu durchsuchen. Das Gesetz müsse daher nicht angepasst werden.

Zahl in Österreich stieg

In Österreich werden seit 2013 Delikte, die unter Verwendung von Betäubungsmitteln bei der Polizei angezeigt wurden, auch statistisch erfasst. Dabei zeigt sich über die Jahre bis 2020 ein starker Anstieg bei Vergewaltigungen, während bei den Raubdelikten ein Rückgang ersichtlich ist. Wurde 2013 nur ein Vergewaltigungsfall unter Betäubung angezeigt, waren es fünf Jahre später schon 81, im Vorjahr waren es schließlich 68 Fälle, wie das Innenministerium gegenüber ORF.at angibt.

K.-o.-Tropfen-Vergiftung

  • Schwindel, Übelkeit
  • Wahrnehmungsschwierigkeiten
  • Dämmerzustand
  • Willenlosigkeit
  • Eingeschränkte Beweglichkeit
  • Erinnerungslücken, Amnesie

Um gar nicht erst Opfer von K.-o.-Tropfen zu werden, rät das Ministerium dazu, Getränke nicht unbeaufsichtigt zu lassen und keine offenen Getränke von Fremden anzunehmen. Man solle einen Drink auch nur dann konsumieren, wenn man den Weg von der Bar bis zur Übergabe verfolgen kann. Treten plötzlich Schwindel oder Übelkeit ein, solle man sich schnellstens an eine Vertrauensperson oder ans Personal wenden. Im Zweifelsfall seien Rettung (144), Polizei (133) oder der internationale Notruf (112) zu verständigen. Andere beeinträchtigte Personen seien keinesfalls allein zu lassen.

Spuren müssen schnell gesichert werden

Ist man tatsächlich Opfer einer Betäubungsmasche geworden, ist es wichtig, bald Blut- und Harnproben abnehmen zu lassen, denn K.-o.-Tropfen sind nur sechs bis zwölf Stunden im Körper nachweisbar.

Darauf verweist auch die Verbrechensopferhilfe Weißer Ring gegenüber ORF.at. Eine schnelle und professionelle Sicherung von Spuren sei von großer Bedeutung. Hier bestehe in Österreich noch Nachholbedarf. Opfer zu werden sei „immer auch mit Scham besetzt. Deshalb ist es umso wichtiger, dass nicht nur die potenziellen Betroffenen darüber informiert werden, wie sie sich schützen oder auch Anzeige erstatten können. Es ist umgekehrt auch wichtig, dass sie bei einer Anzeige ein Gegenüber vorfinden, das die Problematik kennt und im Umgang mit Opfern geschult ist.“

Niederschwellige Hilfe wichtig

Für Hilfestellungen gibt es inzwischen etliche Ansprechpartner (siehe Linkliste unten). Beim Weißen Ring selbst gab es zuletzt wenige Meldungen in Zusammenhang mit K.-o.-Tropfen. Die Organisation legt aber besonderen Wert auf die Schaffung von Bewusstsein und dass „Betroffene – wie das in der Kampagne in Frankreich im Vordergrund zu stehen scheint – einen möglichst niederschwelligen Zugang zu Hilfe erhalten“, so der Weiße Ring.

Eine neue Kampagne wie in Frankreich wird es zur Öffnung der Clubs in Österreich nicht geben. Im Rahmen der Initiative „Gemeinsam.Sicher“ macht die heimische Polizei aber schon seit vergangenem Sommer auf die Gefahr von K.-o.-Tropfen aufmerksam. Entsprechende Informationsblätter seien dabei immer im Einsatz, im Sommer würden die Informationsmaßnahmen zudem intensiviert.

Im März geht auch eine App online, die in Notsituationen einen „stillen Notruf“ direkt bei der Polizei absetzt, online. Dafür muss eine Registrierung durchgeführt und die Adresse angegeben werden. Im Notfall rückt die Polizei nach Betätigung dann sofort aus.