Menschenmenge mit Frankreich Fahnen
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Wahlkampf in Frankreich

Selbstsabotage am linken und rechten Rand

Die französische Präsidentschaftswahl im April wirft schon jetzt einen langen Schatten, bis in europäische Belange hinein. Amtsinhaber Emmanuel Macron wagte sich noch immer nicht aus der Deckung, während links und rechts der Mitte schon längst Position bezogen wurde. Der Wahlkampf läuft aber teilweise höchst unrund, Skandälchen inbegriffen.

Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte – ähnliche Gedanken dürfte Macron hegen. Dass er bei der Wahl am 10. April (zweite Runde 24. April) antreten wird, daran wird kaum gezweifelt. Macron gab sich zuletzt gern als Tonangeber in der EU ebenso wie im Ukraine-Konflikt. Seine Partei La Republique en Marche (LREM) hat längst Vorbereitungen getroffen, wahlwerbende Websites gingen online. Macron dürfte nur noch abwarten wollen, dass die CoV-Infektionszahlen in Frankreich weiter sinken, bevor er offiziell seine Kandidatur erklärt. In den Umfragen führt er ohnehin klar.

Bis dahin beobachtet LREM in der ersten Reihe fußfrei, wie sich der Wahlkampf für Linke und Rechte entwickelt. Und dieser verläuft nicht ganz friktionsfrei.

Machtwort einer Altgedienten

Zuletzt sorgte am Donnerstag ein Aufruf bei den Sozialisten (PS) für Aufruhr. Die Parteigrandin Segolene Royal, selbst Ex-Ministerin, Ex-Präsidentschaftskandidatin und Ex-Lebensgefährtin von Ex-Präsident Francois Hollande, fuhr der aktuellen PS-Kandidatin in die Parade. Royal rief Anne Hidalgo wegen miserabler Umfragewerte zum Rückzug auf. „Sie muss die Verantwortung übernehmen, an ihrer Stelle würde ich aufhören“, sagte Royal am Mittwochabend dem Sender BFMTV. Hidalgos Position sei „traurig“ und „trostlos“ für die Sozialisten. Stattdessen sei es nützlich, für den Kandidaten der französischen Linkspartei, Jean-Luc Melenchon, zu stimmen.

Die Pariser Bürgermeisterin Hidalgo bringt es in Umfragen derzeit kaum auf drei Prozent. Melenchon ist mit rund zehn Prozent in den Umfragen indes der stärkste Kandidat des linken Lagers. Es ist schon sein dritter Anlauf auf den Elysee. Einige Parteifreunde reagierten empört auf Royals Attacke auf die eigene Kandidatin. Melenchon bedankte sich hingegen auf Twitter für die unerwartete Unterstützung.

Gespaltene Spitzen

Die Linke hatte sich aber auch schon davor selbst Schaden zugefügt. Das Kandidatenfeld ist enorm groß und divers. Manche wurden von ihren etablierten Parteien aufgestellt, manche verzichteten darauf. So wie etwa die ehemalige Justizministerin Christiane Taubira: Sie hält sich für die legitime Kandidatin der Linken, weil sie eine von einer Bürgerinitiative organisierte Onlinevorwahl im Jänner gewonnen hat. Sie war aber auch die einzige Kandidatin, die diese Bürgerinitiative unterstützt hatte. Alle anderen linken Präsidentschaftskandidaten – so wie Hidalgo, die von der PS aufgestellt wurde – hatten die Initiative abgelehnt. Auch Taubira dümpelt in den Umfragen bei rund fünf Prozent.

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Der französische Präsident Emmanuel Macron
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Emmanuel Macron: Der Amtsinhaber wird sehr wahrscheinlich wieder mit La Republique en Marche antreten
Valerie Pecresse
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Valerie Pecresse ist die Kandidatin der konservativen Republicains
Marine Le Pen
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Marine Le Pen tritt als Kandidatin des Rassemblement National an
Eric Zemmour
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Für Reconquete tritt der rechtsextreme Kandidat Eric Zemmour an
Anne Hidalgo
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Die sozialistische Kandidatin heißt Anne Hidalgo
Christiane Taubira
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Christiane Taubira gewann die Onlinevorwahl der Linken
Jean-Luc Melenchon
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Jean-Luc Melenchon ist der Kandidat von La France insoumise

Für viele Anhängerinnen und Anhänger ist die Zersplitterung der Linken ein Fiasko: Rein rechnerisch könnten die Wähler der linken Kandidaten gemeinsam die Rechte überholen, die ihrerseits drei Kandidaten aufgestellt hat. Doch niemand wollte sich bisher zugunsten eines anderen Kandidaten zurückziehen.

Abwanderung von rechts nach ganz rechts

Doch auch bei der Rechten läuft es nicht rund, auch sie zersplittert zusehends zwischen den Konservativen mit der Kandidatin Valerie Pecresse, den Rechtspopulisten von Marine Le Pen und dem rechtsextremen Neuankömmling Eric Zemmour. Dieser mischt die französische Rechte neuerlich gehörig auf. Es wird sogar damit gerechnet, dass sich auch Le Pens Nichte Marion Marechal demnächst auf seine Seite schlägt.

Marechal war vor zehn Jahren mit 22 Jahren als jüngste Abgeordnete, die Frankreich je hatte, für den Front National (heute Rassemblement National) in die Nationalversammlung eingezogen. Sie galt als Hoffnungsfigur der Rechtspopulisten, zog sich aber 2017 aus der Politik zurück. Sollte sie sich öffentlich für Zemmour entscheiden, „dann nicht nur, um mal kurz ‚Hallo‘ zu sagen“, sagte Marechal. Le Pen muss aber politisch nicht nur um ihre Nichte fürchten, sondern auch um zahlreiche andere frühere Wählerinnen und Wähler.

Entsprechend hart sind auch die politischen Botschaften, mit denen sich Le Pen und Zemmour gegenseitig übertrumpfen. Le Pen spricht bei Wahlkampfveranstaltungen von „Einwanderungs-Überflutung“, Zemmour ventiliert die Verschwörungstheorie vom „großen Bevölkerungsaustausch“. Zemmour, im Brotberuf Journalist und Moderator, ist bereits zweifach wegen rassistischer Diskriminierung rechtskräftig verurteilt.

Enthüllungsbuch rund um Zemmour

Ähnliche Töne scheint es auch im Umfeld Zemmours zu geben. Am Donnerstag erschien ein Enthüllungsbuch des Autors Vincent Bresson, der sich drei Monate lang inkognito einen Platz in dessen Wahlkampfteam erschlichen hatte. In „Au Coeur de Z“ (Im Herzen von Z) erzählt Bresson von einer Kultur des Rassismus sowohl bei Freiwilligen als auch bei höheren Funktionären der von Zemmour gegründeten Partei Reconquete. „In Wirklichkeit werden dich manche Zemmouristen einfach immer als ’weniger französisch" ansehen“, wenn man Wurzeln von außerhalb habe, zitiert ihn der „Guardian“. „Ich denke, das stellt uns vor ernsthafte Fragen über das Versprechen der Gleichbehandlung aller, sollte Zemmour Präsident werden“.

Bresson schildert in dem Buch auch, wie er sich undercover Zemmours hoch entwickelter Onlinewahlkampftruppe anschloss und so in ihren Telegram-Gruppen stöbern konnte. Es gebe eine „Schattenarmee“ aus Hunderten Freiwilligen, die sich etwa zahllosen Facebook-Gruppen anschließen, um dort Stimmung zu machen. „Facebook überfluten, so viel und so oft wie möglich kommentieren und reagieren, das Profil ihrer Kandidaten ständig verbessern“, so Bresson. Eine andere Einheit mit dem Spitznamen „WikiZedia“ sei nur dafür da, Wikipedia-Einträge zu Zemmour in dessen Sinne zu bearbeiten.

Angeln am rechten Rand

Für Zemmours Fans sind das alles keine Hinderungsgründe, ihn zu wählen – im Gegenteil. In den Umfragen liegt er aber dennoch weit abgeschlagen hinter Macron. Er und Le Pen erreichen je rund 14 bis 15 Prozent, während Macron bei rund 25 liegt. In derselben Gewichtsklasse liegt derzeit auch die Kandidatin der Konservativen, Pecresse. Dennoch sagt diese, sie sei „die einzige ernsthafte Alternative zu Emmanuel Macron“. Daher sei sie auch diejenige, auf die sich Attacken anderer Kandidaten konzentrierten.

Pecresse, eine erfahrene Politikerin und früher mehrfach Ministerin, angelt mit ihren Wahlkampfthemen ebenso im rechten Lager. Sie wolle ein „Frankreich der Ordnung und der Eintracht“, die „unkontrollierte Immigration und die missratene Integration“ zerrütteten die Nation. Auch sie wolle „den Kärcher auspacken“, sagte sie in Anlehnung auf einen Spruch von Nicholas Sarkozy aus dem Jahr 2005.

Frühling stützt Macron

Chancen auf den Elysee hätte Pecresse aber nur, wenn es zu einer Stichwahl zwischen ihr und Macron käme. Dieser hat freilich derzeit die besten Karten für einen Verbleib im Amt. Zur Gefahr könnten die anderen Kandidatinnen und Kandidaten kaum werden, die Stimmung in Frankreich hingegen schon. Jüngst sorgten Protestkonvois von CoV-Maßnahmengegnern durch Paris für Aufsehen. Viele fühlten sich erinnert an die heftigen „Gelbwesten“-Proteste von 2018 und 2019. Sie gerieten für Macrons Präsidentschaft zur veritablen Krise. Am Schluss musste sich Macron dem Druck beugen, etwa indem er Steuererhöhungen auf Kraftstoffe kippte.

Dieses Mal, bei den Protesten der CoV-Maßnahmengegner, dürfte Macron schlicht der Frühling in die Hände spielen. Erst am Mittwoch fielen in Frankreich mehrere Einschränkungen, die Diskotheken und Clubs konnten wieder öffnen. Auch die Maskenpflicht dürfte bald wegfallen – lang genug vor der Wahl im April.