Podium während des EU-Afrika Gipfels
AP/Yves Herman
EU – Afrika

„Neue Partnerschaft“ auf wackeligen Beinen

Am Freitag ist der zweitägige EU-Afrika-Gipfel in Brüssel zu Ende gegangen. Die 27 EU- und 40 afrikanischen Staats- und Regierungsspitzen verständigten sich in ihrer Abschlusserklärung auf eine „gemeinsame Vision für eine neue Partnerschaft“. In der konkreten Umsetzung dessen zeigt sich aber: Diese Partnerschaft dürfte noch auf wackeligen Beinen stehen.

Die Vorzeichen, unter denen der Gipfel stand, waren wohl alles andere als gute: Pandemiebedingt ohnehin schon zwei Jahre verzögert, kam dann auch noch ein Sondertreffen der EU-Spitzen zur Ukraine-Krise in die Quere. Für die afrikanische Delegation begann der Gipfel also mit dem Warten auf die Europäer.

Die inhaltliche Arbeit beschränkte sich EU-Kreisen zufolge dann auf einige wenige Stunden. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) verwies gegenüber ORF.at jedoch auf viele bilaterale Gespräche, die abseits des Gipfels stattfanden. Auch der Gipfel selbst war Nehammer zufolge „lösungsorientiert“ und habe konkrete Ergebnisse gebracht.

Matamela Cyril Ramaphosa, Charles Michel und Emmanuel Macron
AP/Olivier Hoslet
Eine „neue Partnerschaft“ zwischen Afrika und Europa, weg von Hilfe und hin zu Zusammenarbeit, war das Ziel der Staatsspitzen, hier der südafrikanische Präsident Matamela Cyril Ramaphosa, EU-Ratspräsident Charles Michel und der französische Präsident Emmanuel Macron

Neues Selbstbewusstsein der Afrikaner

Geert Laporte vom Brüsseler Thinktank European Centre for Development Policy Management (ECDPM) meint gegenüber ORF.at unterdessen: „Ein Gipfel muss als eine Art Show gesehen werden. Es ist niemals eine richtige Plattform für offene und zukunftsgerichtete Diskussionen.“ Dennoch: Eine Sache sei diesmal anders gewesen als sonst.

„Ich habe den Eindruck, dass die afrikanische Seite den EU-Entwurf der Erklärung nicht als gegeben hingenommen hat. Diesmal haben sie eine ganze Reihe von EU-Vorschlägen abgelehnt und einige eigene Ideen eingebracht“, so Laporte. So habe die afrikanische Seite etwa den Begriff einer neuen Allianz aus dem Dokument gestrichen – zu oft hätten sie ihn schon gehört.

Indes sei ein neuer Vorschlag auf Drängen Afrikas aufgenommen worden: die Entwicklung von Wegen für die legale Migration, zumindest in akademischen und kulturellen Bereichen. Nehammer sprach hierbei von konkreten Projekten, die etwa im Bereich der Bildung vorangetrieben werden sollen, um den Menschen im Land eine Perspektive zu bieten. Um dauerhafte Lösungen für Geflüchtete zu finden, soll eine Taskforce eingerichtet werden.

Feichtner (ORF) zum EU-Afrika-Gipfel

ORF-Korrespondent Benedict Feichtner berichtet aus Brüssel zum Gipfel über den Neustart der Beziehungen der EU und Afrika.

Investitionen in Milliardenhöhe

Migration war allerdings nur eines von vielen Themen – in insgesamt sieben Gesprächsrunden auf verschiedenen Tischen berieten die Führungsspitzen der beiden Kontinente unter anderem zu Klimakrise, Digitalisierung, nachhaltige Entwicklung, Friede und Sicherheit.

Bereits vorab wurde seitens der EU angekündigt, dass es im Zuge der „Global Gateway“-Initiative Investitionen in der Höhe von etwa 150 Milliarden Euro für den Ausbau der Energie- und Verkehrsinfrastruktur sowie die Energiewende geben soll. Seitens Afrikas gebe es hier jedoch Kritik, dass es sich bei dabei lediglich um eine Umetikettierung bereits geplanter finanzieller Mittel handle, so Laporte.

Impfstoffpatente: Lösung „im Frühjahr“

Im Mittelpunkt der Gespräche stand freilich auch wieder die Pandemie. Bis zum Sommer will die EU insgesamt 450 Millionen Impfstoffdosen liefern, darüber hinaus soll in absehbarer Zeit auch in Afrika selbst patentfreier mRNA-Impfstoff hergestellt werden. Südafrika forderte aber eine generelle Freigabe der Impfstoffpatente – allerdings erfolglos.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verwies in der Abschlusskonferenz auf eine Lösung „spätestens im Frühjahr“. Gerade die Frage der Impfstoffpatente könne der afrikanischen Seite zeigen, wie ernst es die EU tatsächlich mit der Partnerschaftlichkeit meine, konstatiert Laporte.

EU Afrika Gipfel
AP/Yves Herman
Auf dem Gipfel habe man Prioritäten in vielen unterschiedlichen Bereichen gesetzt, von Klima bis Gesundheit – nun gehe es darum, an deren Umsetzung zu arbeiten, so Von der Leyen

Europäische „Charmeoffensive“ – mit Erfolg?

Insgesamt habe die EU zwar nach wie vor die Feder für die Abschlusserklärung in der Hand gehabt, die Afrikanische Union (AU) sei jedoch proaktiver und auch durchsetzungsfähiger als bisher üblich gewesen. Als Grund dafür sieht Laporte ein sich veränderndes Kräfteverhältnis. Die afrikanische Seite verfüge aufgrund der größeren Auswahl an Partnern neben der EU, etwa China und Russland, über größeren Einfluss. Folglich habe die EU „alles getan, um die afrikanische Seite mit ehrgeizigen Vorschlägen, vor allem finanzieller Art, zufriedenzustellen“.

Die Frage werde sein, ob diese „Charmeoffensive“ funktionieren könne und ob die EU in der Lage sein werde, die vielen Versprechen auch tatsächlich in konkrete Taten umzusetzen. Das könnt nur dann gelingen, wenn zwischen Partnerschaft auf der einen und finanziellen Hilfen auf der anderen Seite die richtige Balance gefunden werde. Denn: Je wackeliger die Beine, desto schwieriger ist es, die Augenhöhe auch zu halten.