Russlands Präsident Wladimir Putin
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Für Samstag geplant

Putin erklärt Manöver zu Chefsache

Vor dem Hintergrund der angespannten Lage im Ukraine-Konflikt hat Russland für Samstag ein Militärmanöver unter Aufsicht von Präsident Wladimir Putin angekündigt. Auch Raketen sollen offenbar eingesetzt werden. Unterdessen gehen die Gefechte in der Ostukraine weiter. Der Westen warnt erneut vor einer Eskalation.

Russland kündigte am Freitag für Samstag ein Manöver unter Einbeziehung „strategischer“ Streitkräfte an. Putin, der „Oberbefehlshaber der russischen Armee“, werde die „geplante Übung mit strategischen ballistischen Raketen und Marschflugkörpern beaufsichtigen“, teilte das russische Verteidigungsministerium laut Nachrichtenagenturen mit.

„Am 19. Februar wird unter der Leitung des obersten Befehlshabers der russischen Armee, Wladimir Putin, eine geplante Übung der Kräfte zur strategischen Abschreckung organisiert“, erklärte das Verteidigungsministerium. Ziel sei es, die Zuverlässigkeit der strategischen Nuklearwaffen zu testen. Das Manöver sei im Voraus geplant gewesen, teilte das Ministerium weiter mit. Das Präsidialamt merkte an, dass das Manöver nicht im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise stehe. Die Teilnahme von Putin sei wichtig, er werde wahrscheinlich in einem der Lagezentren sein.

Ostukraine: Zivilisten werden nach Russland gebracht

Ein beunruhigendes Zeichen gaben am Freitag auch die prorussischen Rebellen in Luhansk und Donezk in der Ostukraine. Sie begannen nach eigenen Angaben damit, Zivilisten aus der umkämpften Region nach Russland zu bringen. Der Anführer der selbst ernannten „Volksrepublik“ Donezk, Denis Puschilin, sagte in einer Videobotschaft, derzeit werde die „Massenausreise“ der Zivilbevölkerung in die Russische Föderation organisiert.

Zuerst sollten „Frauen, Kinder und ältere Leute“ in Sicherheit gebracht werden. „Eine zeitweise Ausreise bewahrt Ihnen und Ihren Verwandten das Leben“, sagte Puschilin. Die Separatisten warfen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski vor, er wolle „in nächster Zeit“ eine Offensive starten.

Zerstörter Kindergarten in Luhansk-Region
Reuters/Carlos Barrera
Ein Kindergarten wurde beschossen

Zuletzt hatten einander die Rebellen und die ukrainische Armee vorgeworfen, die Gewalt in der Ostukraine eskalieren zu lassen. Im Konfliktgebiet kam es auch am Freitag nach Darstellung von Regierung und Separatisten zu neuen Angriffen. In der Ostukraine dauerten die Bombardements in der Nähe des Dorfes Stanyzia-Luhanska offenbar auch zu Mittag an. Die Angriffe seien in der Ortschaft zu hören, berichteten Reporter der Nachrichtenagentur AFP von dort. Am Donnerstag war ein Kindergarten in dem Dorf, das von der ukrainischen Armee kontrolliert wird, getroffen worden. Beide Seiten gaben einander in Mitteilungen die Schuld an Verstößen gegen den geltenden Waffenstillstand.

Grafik zu den russischen Rebellengebieten in der Ukraine
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Lawrow: Alarmierender Anstieg des Beschusses

Das russische Präsidialamt bezeichnete auch die Lage in der Ostukraine als potenziell sehr gefährlich. Die Berichte aus dem Gebiet seien alarmierend. Es würden auch Waffen eingesetzt, die gemäß dem Minsker Friedensprozess verboten seien, zitierte die Nachrichtenagentur TASS Außenminister Sergej Lawrow.

Lawrow warf zudem der OSZE-Sonderbeobachtungsmission laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax vor, sie versuche, Verstöße gegen die Waffenruhe durch ukrainische Regierungstruppen zu beschönigen.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres sieht indes die Lage bedrohlicher als im Kalten Krieg. Er warnte vor einer unkalkulierbaren Eskalation. Diese könne auch durch Kommunikationspannen und Fehlannahmen ausgelöst werden, sagte Guterres am Freitag zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz.

Sicherheitskonferenz zum Ukraine-Konflikt

Die Ukraine-Krise und ihre geopolitischen Folgen dominieren die Münchner Sicherheitskonferenz. Bis Sonntag werden 30 Regierungschefs und -chefinnen und 100 Ministerinnen und Minister versuchen, einen Ausweg aus der „westlichen Hilflosigkeit“ zu finden.

Auch Abzug geht nach Angaben Moskaus weiter

Russland begann unterdessen nach eigenen Angaben mit dem Abzug weiterer Soldaten und militärischer Ausrüstung von der ukrainischen Grenze. Einige Soldaten seien nach dem planmäßigen Abschluss ihrer Militärübungen in ihre Garnisonen in der westrussischen Region Nischni Nowgorod zurückgekehrt, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Freitag mit.

Satellitenbild zeigt russische Einheiten in Kursk
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Russische Truppenbewegungen in einem Manövergebiet im russischen Kursk von einem Satelliten aufgenommen

Ebenfalls abgezogen worden sei militärisches Gerät, das Panzereinheiten im westlichen Militärdistrikt gehöre. Laut einer separaten Mitteilung des Ministeriums wurden auch zehn Kampfflugzeuge vom Typ Su-24 von der Schwarzmeer-Halbinsel Krim abgezogen, die Russland im Jahr 2014 annektiert hatte.

USA: Russland stockt Truppen weiter auf

Die USA schätzen, dass Russland in und nahe der Ukraine möglicherweise bis zu 190.000 Militärangehörige im Einsatz hat. Mindestens seien es 169.000, sagte der US-Botschafter bei der OSZE, Michael Carpenter. Ende Jänner seien es noch rund 100.000 gewesen. „Das ist die bedeutendste Militärmobilisierung in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs.“ Carpenter äußerte sich bei OSZE-Beratungen zur Ukraine-Krise, an denen Russland nicht teilnimmt.

Ukraine: Säbelrasseln geht weiter

Vor dem Hintergrund der angespannten Lage im Ukraine-Konflikt hat Russland für Samstag ein Militärmanöver unter Aufsicht von Präsident Wladimir Putin angekündigt. Auch Raketen sollen offenbar eingesetzt werden. Unterdessen gehen die Gefechte in der Ostukraine weiter. Der Westen warnt erneut vor einer Eskalation. Ab Freitag findet außerdem die Sicherheitskonferenz in München statt, in der die Ukraine das Hauptthema ist.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin warf Russland indes wie zuvor auch andere westliche Politiker erneut vor, seine Truppen an der ukrainischen Grenze weiter aufzustocken. Die von Moskau angekündigte Verlegung von Soldaten in ihre Garnisonen sei bisher nicht erkennbar, sagte Austin am Freitag bei einem Besuch in Warschau.

Die europäischen Staaten bereiten nach Angaben von Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki ein Paket „mit konkreten Sanktionen vor, die viel schärfer sind als die von 2014“. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock verurteilte den Truppenaufmarsch als „absolut inakzeptable“ Drohung „gegenüber uns allen“. „Heute, das müssen wir so deutlich sagen, droht neuer Krieg – mitten in unserem Europa.“ Die Krise sei deswegen keine Ukraine-Krise. „Sie ist eine Russland-Krise.“

Biden warnt erneut vor Invasion

US-Präsident Joe Biden warnte am Donnerstag erneut vor einer Invasion Russlands „in den nächsten paar Tagen“, die Gefahr dafür sei „sehr hoch“. Alles deute darauf hin, dass Russland bereit dazu sei, die Ukraine anzugreifen. Es gebe auch Grund zur Annahme, dass Moskau in Operationen unter falscher Flagge verwickelt sei, so Biden. Ähnliche Sorgen äußerten NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

US-Außenminister Antony Blinken
Reuters/Carlo Allegri
US-Außenminister Blinken soll sein russisches Pendant Sergej Lawrow treffen

US-Außenminister Antony Blinken will nach Angaben seines Ministeriums mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow in der kommenden Woche über die Ukraine-Krise beraten. Die Russen hätten ein entsprechendes Angebot Blinkens zu Gesprächen in Europa angenommen und Termine für Ende kommender Woche vorgeschlagen, teilte Ministeriumssprecher Ned Price am späten Donnerstagabend (Ortszeit) mit.

Die US-Regierung akzeptiere die Vorschläge, „sofern es nicht zu einem (…) russischen Einmarsch in die Ukraine kommt“. „Wenn sie in den kommenden Tagen einmarschieren, wird deutlich, dass es ihnen mit der Diplomatie nie ernst war.“

Russischer Außenminister Sergei Lavrov und Präsident Vladimir Putin
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Der russische Außenminister Sergej Lawrow und Kreml-Chef Wladimir Putin

Warnung vor Flüchtlingskrise

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas, warnte unterdessen bei einer weiteren Verschärfung der Krise vor der Flucht zahlreicher Menschen in die Europäische Union. „Es wird geschätzt, dass zwischen 20.000 und mehr als eine Million Flüchtlinge kommen könnten“, sagte er der deutschen Zeitung „Die Welt“. Zudem gebe es derzeit rund 20.000 EU-Bürger, die in der Ukraine lebten und Unterstützung bei einer möglichen Ausreise benötigen dürften. Die EU sei auch bereit, eine „bedeutende humanitäre Hilfe zu mobilisieren und beim Zivilschutz zu helfen“.

Polens Regierung traf bereits erste Maßnahmen für den Fall eines „massiven Flüchtlingsstroms“, wie es aus Warschau hieß. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sagte dazu im Ö1-Morgenjournal: „Wir werden solidarisch zueinanderstehen.“ Ob Österreich mit einer Migrationswelle aus der Ukraine konfrontiert werde, bezeichnete der Regierungschef als vorerst „theoretische“ Frage. Es gebe aber in allen zuständigen Ministerien entsprechende Vorbereitungen.

Das gelte auch für mögliche Versorgungsengpässe mit russischem Gas, etwa als Reaktion auf westliche Sanktionen nach einer potenziellen Militäraktion Moskaus. Es sei vorgesorgt, beruhigte Nehammer: „Es gibt ausreichend Alternativgasversorgung.“