Ukrainische Soldaten im Wald
APA/AFP/Armed Forces of Ukrain
OSZE zu Ukraine-Krise

Zahl der Explosionen steigt stark

Die militärische Lage in der Ostukraine spitzt sich zunehmend gefährlich zu: Die Zahl der Explosionen in der Region nimmt nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski forderte seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin unterdessen zu einem direkten Treffen auf.

Laut OSZE hatte es bereits am Freitag mehr als 1.400 Detonationen nach 654 einen Tag zuvor gegeben. Außerdem habe es mehr als 1.500 Verletzungen des Waffenstillstands gegeben, nach 870 am Tag zuvor. Laut einem Diplomaten wurden am Samstag sogar fast 2.000 Explosionen gezählt.

Er wisse nicht, was Putin wolle, so Selenski, „deshalb schlage ich ein Treffen vor“, so Selenski auf der Münchner Sicherheitskonferenz, bei der er auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris traf. Selenski sagte, Putin könne den Ort für das Treffen wählen. Mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der am Sonntag mit Putin telefoniert, sprach Selenski über mögliche Wege, die Lage zu entspannen. Selenski sicherte laut Pariser Angaben zu, dass die ukrainische Armee auf Provokationen von Separatisten nicht reagieren werde.

Angesichts der imminenten Kriegsgefahr forderte Selenski vom Westen mehr Hilfe gegen einen Angriff von Russland und verlangte von der NATO eine ehrliche Antwort, ob sein Land überhaupt Mitglied werden könnte. „Helft uns“, sagte Selenski auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Samstag. Gebraucht würden Waffen, Geld und Investitionen in die Wirtschaft.

„Gebt uns Kredite“

„Wenn ihr Angst habt, gebt uns billige Kredite“, sagte er mit Hinweis darauf, dass die Investitionen in die ukrainische Wirtschaft angesichts der russischen Bedrohung zurückgehen. Die Weltbank bereitet nach eigenen Angaben die Auszahlung von 350 Millionen Dollar an die Ukraine vor – eine Entscheidung soll Ende März fallen.

Sein Land brauche zudem Sicherheitsgarantien und Ehrlichkeit, betonte Selenski. Das betreffe auch den Aufnahmewunsch in das westliche Verteidigungsbündnis NATO. „Wenn uns nicht alle da sehen wollen, seid ehrlich“, sagte er auf der Sicherheitskonferenz in Anspielung auf die nötige Einstimmigkeit unter den NATO-Mitgliedern. „Wir brauchen ehrliche Antworten.“ Niemand sollte aber daran denken, dass die Ukraine ein permanenter Puffer zwischen dem Westen und Russland bleibe.

Forderung nach Offenlegung der geplanten Sanktionen

Zugleich forderte er, dass der Westen als Abschreckung das Sanktionspaket gegen Russland auf den Tisch legen sollte. „Es ist wichtig zu wissen, was die Sanktionen sind.“ Wenn es einen Angriff gebe, sei es für Abschreckung zu spät.

Selenski will noch am Samstag wieder zurück in der Ukraine sein. Laut einem „Guardian“-Bericht warnten die USA davor, dass Russland die Abwesenheit Selenskis nutzen könnte, um ihn vor seiner Rückkehr nach Kiew zu stürzen. Zudem könnte es für Selenski schwieriger sein, die militärische Reaktion zu koordinieren, wenn er sich zum Zeitpunkt eines möglichen Angriffs außerhalb seines Landes befände.

Übung des russischen Militärs
APA/AFP/Russian Defence Ministry
Ein russischer Fallschirmjäger während des gemeinsamen Manövers mit Belarus am Samstag

Putin beaufsichtigt Manöver

Putin selbst gab am Samstag als Oberbefehlshaber der russischen Armee den Startschuss für das Manöver mit atomwaffenfähigen ballistischen Raketen. Putin verfolge die Militärübung gemeinsam mit dem belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Neben der Luftwaffe sind auch Armee-Einheiten aus dem südlichen Militärbezirk sowie die Schwarzmeer- und Nordmeer-Flotte an dem Großmanöver beteiligt.

Das Manöver sei im Voraus geplant gewesen, hieß es bereits im Vorfeld aus dem russischen Verteidigungsministerium. Die vorgesehenen Ziele der Übung seien vollständig erreicht worden, hieß es aus dem Präsidialamt. Das Manöver stehe aber nicht im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise. Der Westen zeigte sich unterdessen angesichts der zunehmenden Gewalt besorgt. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron wollte am Sonntag mit Putin telefonieren.

Österreich verhängt Reisewarnung

Angesichts der angespannten Lage hat Österreich Samstagnachmittag eine Reisewarnung für die Ukraine ausgesprochen. „Es muss mit einer erheblichen Verschlechterung der Lage gerechnet werden“, teilte das Außenministerium mit. Die Zwischenfälle in der Ostukraine hätten in den letzten 24 Stunden stark zugenommen.

Alle Österreicher und Österreicherinnen sind aufgerufen, die Ukraine mit Ausnahme der westlichen Gebiete unverzüglich zu verlassen. Das österreichische Botschafterpersonal wurde hingegen verstärkt und wird weiterhin an Ort und Stelle sein, um Landsleute gegebenenfalls bei der Ausreise zu unterstützen. Derzeit sind rund 180 österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen in der Ukraine registriert.

AUA stellt Flüge nach Kiew ein

Auch das deutsche Auswärtige Amt verschärfte seine Reise- und Sicherheitshinweise für die Ukraine am Samstag erneut. Die AUA und die Lufthansa Group setzen von Montag an die regulären Flüge von und nach Kiew sowie in die ukrainische Schwarzmeer-Stadt Odessa vorerst bis Ende Februar aus. Die AUA fliegt aber weiterhin Lwiw (Lemberg) an.

Harris: „Harte Sanktionen“ für Moskau

Russland und sein Truppenaufmarsch im Grenzgebiet zur Ukraine sind auch beherrschendes Thema der Sicherheitskonferenz in München gewesen. US-Vizepräsidentin Kamala Harris drohte im Falle eines russischen Einmarschs mit gemeinsamen wirtschaftlichen Sanktionen, die „schnell, hart und vereint sein werden“. Zudem bekräftigte sie die Aufstockung der US-Truppen an der Ostflanke der NATO. Es gehe nicht darum, in der Ukraine zu kämpfen, sondern „jeden Zentimeter des NATO-Gebiets zu verteidigen“.

Kiew: Söldner in Ostukraine aktiv

Nach Darstellung des ukrainischen Militärs sind in den Separatistengebieten im Osten des Landes Söldner eingetroffen, die in Zusammenarbeit mit Spezialkräften Russlands Provokationen inszenieren sollten.

Selenski dementierte zudem russische Behauptungen, es habe aus der Ukraine einen Beschuss russischen Territoriums gegeben. „Das ist eine Lüge“, sagte er auf der Sicherheitskonferenz. „Wir werden nicht auf Provokationen reagieren“, kündigte er zugleich an. Das Risiko eines Krieges sei groß, aber man werde nicht panisch werden.

Lawrow-Vorwürfe gegen Berlin und Paris

Der russische Außenminister Sergej Lawrow wiederum gab in einer in Moskau verbreiteten Mitteilung indirekt Deutschland und Frankreich als Vermittler im Ukraine-Konflikt eine Mitschuld an der sich zuspitzenden Lage.

In den Rebellengebieten im Osten der Ukraine riefen die Separatistenführer in Luhansk und Donezk am Samstag bereits zur Generalmobilmachung auf. Reservisten seien nun gefordert, „in die Einschreibebüros des Militärs zu kommen“. Gleichzeitig werden Zivilistinnen und Zivilisten von Separatisten aus der Ostukraine nach Russland gebracht. Dafür gebe es eine „massenhafte, zentralisierte Ausreise“, sagte der Rebellenführer in Donezk, Denis Puschilin.

Die Ukraine wies Vorwürfe, sie wolle von prorussischen Rebellen kontrollierte Gebiete mit Gewalt zurückerobern, wiederholt zurück und vermutet hinter den Vorwürfen „russische Desinformationsberichte“.

Russland-Experte zu Ukraine-Konflikt

Russland-Experte Gerhard Mangott sieht durchaus eine Provokation Russlands im Osten der Ukraine – offen sei aber, was eine militärische Operation Russland bringe.

Das von Russland dominierte Militärbündnis OVKS betonte am Samstag, eine Entsendung eigener Friedenstruppen in die Ostukraine sei unter bestimmten Bedingungen – etwa einem UNO-Mandat – möglich.

Biden rechnet mit baldigem Angriff

US-Präsident Joe Biden zeigte sich Freitagabend „überzeugt“ von einem baldigen Angriff Russlands auf die Ukraine. Er rechnet nach eigenen Angaben mit einem russischen Angriff auf die Ukraine und die Hauptstadt Kiew in den „kommenden Tagen“. Russland habe aber immer noch die Wahl zwischen einem „Krieg“ und „Diplomatie“.

Der britische Premierminister Boris Johnson warnte in München vor russischer Desinformation: „Es wird eine Kaskade an falschen Behauptungen geben.“ Russland spinne „ein Netz aus Falschinformationen“, um einen möglichen Einmarsch in die Ukraine zu rechtfertigen.

Von der Leyen: „Kann man nicht hinnehmen“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht angesichts der russischen Drohungen gegen die Ukraine die gesamte internationale Ordnung gefährdet: „Russland verletzt damit auch die UNO-Charta, dass kein Land die territoriale Integrität eines anderen UNO-Landes verletzen darf.“ Das könne man nicht hinnehmen.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg brachte zudem China ins Spiel. Erstmals fordere nun neben Moskau auch Peking die NATO auf, keine neuen Mitglieder aufzunehmen. Das weise er zurück, weil souveräne Staaten selbst über ihre Bündniswünsche entscheiden könnten: „Wenn es (Russland, Anm.) die NATO spalten möchte, so wird es eine geeintere NATO bekommen.“

EU: Gasversorgung auch ohne Moskau gesichert

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bei der Münchner Sicherheitskonferenz angesichts der russischen Drohungen gegen die Ukraine auf eine Gefahr für die gesamte internationale Ordnung hingewiesen. Die Politik des Kremls verweigere einem freien Land das Recht auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Das könne man nicht hinnehmen. Unterdessen versprach von der Leyen, dass die Gasversorgung der EU-Staaten im Winter auch dann gesichert sei, wenn Russland seine Lieferungen bei einer Eskalation einstellen sollte.

Unterdessen versicherte von der Leyen, dass die Gasversorgung der EU-Staaten im Winter auch dann gesichert sei, wenn Russland seine Lieferungen bei einer Eskalation einstellen sollte.

Ukrainer demonstrieren gegen Krieg

Der Aufmarsch des russischen Militärs an der Grenze zur Ukraine hat am Samstag auch zu Reaktionen in Salzburg geführt. Ab Mittag demonstrierten Ukrainerinnen und Ukrainer, die in Salzburg leben, in der Altstadt gegen die Eskalation in dem Konflikt und gegen die Politik Russlands – mehr dazu in salzburg.ORF.at.