Boris Johnson
Reuters/Tom Nicholson
England

Johnson schafft letzte CoV-Maßnahmen ab

In England sind bereits so gut wie alle Coronavirus-Regeln aufgehoben. In Kürze fällt auch die Isolationspflicht für CoV-Infizierte, wie Premierminister Boris Johnson am Montag im Parlament in London in einer Rede verkündete.

Das Ende der staatlichen Vorschrift ist Teil des Plans für ein „Leben mit Covid“, so Johnson. Die Regierung setze darauf, dass sich Infizierte in Selbstverantwortung wie Menschen mit einer Erkältung verhalten. Der Schritt sei dank der erfolgreichen Impfkampagne möglich. Die Pandemie sei zwar nicht vorbei, der Höhepunkt der Omikron-Welle aber überstanden.

Vom 24. Februar an müssen positiv Getestete damit nicht mehr zu Hause bleiben. Geimpfte Kontakte brauchen sich dann auch nicht mehr eine Woche lang täglich auf das Virus zu testen, ungeimpfte Kontakte müssen ebenfalls nicht mehr in Selbstisolation, wie Johnson sagte.

Aus für Gratisschnelltests

Vom 1. April an fallen auch die kostenlosen Schnelltests weg, gratis sollen die Tests für Ältere mit Symptomen bleiben. Auch das Contact Tracing soll enden. Die Regierung will zudem Infizierte nicht mehr wie bisher vom ersten Tag an mit Krankengeld finanziell unterstützen. So enden die Ausgleichszahlungen für Beschäftigte in Selbstisolation, wie Johnson sagte.

Johnson schafft letzte CoV-Maßnahmen ab

In England sind fast alle Coronavirus-Regeln aufgehoben. In Kürze fällt auch die Isolationspflicht für CoV-Infizierte, wie Premierminister Boris Johnson im Parlament in London in einer Rede verkündete.

Der Premier betonte, neue Virusvarianten seien nicht auszuschließen. Zudem sollen vor allem ältere und besonders gefährdete Menschen weiter geschützt werden. Gesundheitsminister Sajid Javid kündigte eine weitere Impfung – einen „Frühlingsbooster“ – für über 75-Jährige, Bewohner und Bewohnerinnen von Altenheimen sowie über 12-Jährige mit Immunschwächen an.

Johnson unter Druck

Großbritannien ist mit mehr als 158.000 Todesfällen eines der am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder Europas. Johnson wird wegen der „Partygate“-Affäre um Lockdown-Partys in der Downing Street auch aus den eigenen Reihen zum Rücktritt aufgefordert.

Die oppositionelle Labour-Partei sieht in der Abschaffung der letzten Schutzmaßnahmen den Versuch einer Ablenkung von „Partygate“. „Boris Johnson erklärt den Sieg, bevor der Krieg vorbei ist, um von der Polizei abzulenken, die an seine Tür klopft“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Labour-Partei, Wes Streeting.

„Der heutige Tag markiert einen Moment des Stolzes nach einer der schwierigsten Zeiten in der Geschichte unseres Landes, indem wir beginnen zu lernen, mit Covid zu leben“, sagte der konservative Regierungschef im Vorfeld. Schottland, Wales und Nordirland entscheiden eigenständig über ihre Maßnahmen und gehen oft einen etwas vorsichtigeren Weg als England, das keine eigene Regionalregierung hat.

Druck von Tory-Hardlinern

Kritiker werfen Johnson vor, mit der Ankündigung vor allem parteiinterne Gegner wieder auf seine Seite ziehen zu wollen. Tory-Hardliner fordern seit Wochen ein Ende der CoV-Maßnahmen. Mit dem früheren Brexit-Minister David Frost setzte ein weiteres Schwergewicht der Konservativen Partei den Premier seit Wochen unter Druck, alle staatlichen Vorschriften zu beenden.

Johnson hatte sein Vorhaben bereits am Wochenende verteidigt. „Die Pandemie ist noch nicht vorbei“, sagte Johnson zwar. Vor allem für Ungeimpfte bleibe Covid-19 eine gefährliche Krankheit. „Aber dank der unglaublichen Impfkampagne sind wir der Rückkehr zur Normalität jetzt einen Schritt näher gekommen und geben den Menschen endlich ihre Freiheit zurück, während wir uns und andere weiterhin schützen“, sagte Johnson.

Gesundheitsdienst lehnt Abschaffung ab

Die Spitzen des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS lehnen die Abschaffung der Quarantänepflicht und der kostenlosen Tests mehrheitlich ab, wie der Verbandsvorsitzende der NHS Confederation, Matthew Taylor, erklärte. Zwar gebe es dank der Impfungen und neuer CoV-Medikamente inzwischen „echte Hoffnung“, sagte Taylor. „Aber die Regierung kann keinen Zauberstab schwenken und so tun, als sei die Bedrohung vollständig verschwunden.“

Der CoV-Beauftragte der UNO-Weltgesundheitsorganisation (WHO), David Nabarrro, kritisierte die Abschaffung der Quarantänepflicht als „sehr unklug“. Er mache sich „wirklich Sorgen“, dass Großbritannien mit diesem Ausscheren aus dem wissenschaftlichen Konsens einen weltweiten „Dominoeffekt“ auslösen könnte, sagte Nabarro in der BBC.

Experte warnt vor nächstem Herbst

Unter Experten stießen Johnsons Pläne auf Kritik. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist“, sagte der Experte für öffentliche Gesundheit am Imperial College in London, Azeem Majeed, der dpa. „Aber wenn die Leute weiterhin vernünftig sind und sich weiter isolieren, wenn sie Symptome haben, werden die Auswirkungen erstmals überschaubar sein.“

Größere Sorgen macht sich der Mediziner mit Blick auf den nächsten Herbst und Winter, wenn nicht nur Viren Hochsaison haben, sondern auch die Immunität vieler Menschen durch Impfungen oder vorherige Infektionen abnimmt und dann Infizierte „frei zirkulieren“.

Prognostiker erwarten Zunahme bis zu 80 Prozent

Eine Gruppe von Wissenschaftlern, die auch für das Beratungsgremium SAGE arbeitet, warnte, das Ende der Quarantänepflicht und das ebenfalls erwartete Ende von frei verfügbaren Schnelltests könne zu „einer Rückkehr zu einem rapiden epidemischen Wachstum“ führen. Die britischen Prognostiker teilten mit, die Infektionen könnten dadurch um 25 bis 80 Prozent zunehmen. Den an der Universität Warwick berechneten Modellierungen zufolge tragen Maßnahmen wie Isolation, Testen und Maskentragen sowie verstärktes Arbeiten von zu Hause dazu bei, das Ansteckungsrisiko um 20 bis 45 Prozent zu reduzieren.

Kritik kam auch von der Opposition. Der Labour-Gesundheitspolitiker Streeting sagte am Sonntag dem Sender Sky News, die kostenlosen Tests abzuschaffen sei, als ob man in einem Fußballspiel zehn Minuten vor Spielende seinen besten Verteidiger austausche.