Russische Panzer
AP/Russian Defense Ministry Press Service
Russland

Fünf ukrainische „Saboteure“ getötet

Zwar laufen nach wie vor diplomatische Bemühungen, den Konflikt um die Ukraine friedlich beizulegen. Doch am Montag häuften sich die Anschuldigungen von Gewaltakten. Zu Mittag meldete die russische Armee, dass fünf ukrainische „Saboteure“ auf russischem Boden getötet worden seien. Die Ukraine dementierte das umgehend. Der Westen warnt seit Tagen, dass Russland einen Vorwand für einen Angriff auf die Ukraine schaffen könnte.

Kurz darauf riefen die Separatistenführer der selbst ernannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, ihre Unabhängigkeit anzuerkennen. Sollte Russland diesen Schritt akzeptieren, könnte das den Weg für Moskau ebnen, offen militärische Kräfte in beide Regionen zu entsenden, mit dem Argument, dass es als Verbündeter eingreift, um sie vor der Ukraine zu schützen.

Putin reagierte im Rahmen des für Montag einberufenen Treffens des Nationalen Sicherheitsrats bereits nach kurzer Zeit auf diesen Aufruf. Man müsse erwägen, ob die Separatistenregionen im Osten der Ukraine anerkannt werden sollten, sagte er. Wenn Russland der Gefahr eines ukrainischen NATO-Beitritts gegenüberstehe, werde das die Bedrohung für sein Land erheblich steigern. Die Botschaften aus Russland waren am Montag widersprüchlich. Denn zugleich ließ sein Außenminister Sergej Lawrow wissen, dass er einige Fortschritte in den Gesprächen mit dem Westen sehe.

Ukraine: „Schießen nicht auf zivile Infrastruktur“

Zuvor hatten russische Nachrichtenagenturen bereits berichtet, dass von der Ukraine aus ein russischer Grenzposten beschossen worden sei. In der Früh habe „eine von ukrainischem Gebiet aus abgefeuerte Granate unbekannten Typs den Posten der Grenzbeamten in der Region Rostow vollständig zerstört“, berichteten die Agenturen unter Berufung auf den russischen Geheimdienst FSB, der auch für den Grenzschutz verantwortlich ist.

Ukrainische Soldaten nahe der Donezk-Region
APA/AFP/Anatolii Stepanov
Ein Soldat der ukrainischen Armee in der Nähe der Frontlinie

Man könne Russland nicht daran hindern, Falschnachrichten zu produzieren, so die ukrainische Armee. „Aber wir betonen immer, dass wir nicht auf die zivile Infrastruktur schießen oder auf Gebiet in der Region Rostow oder was auch immer“, sagte der ukrainische Militärsprecher Pawlo Kowaltschuk.

Gipfel: „Alles rein fiktiv“

Bewegung gab es auch auf diplomatischer Ebene. Der Kreml zeigte sich zwar einem vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron vermittelten möglichen Gipfel zwischen dem US-Präsidenten Joe Biden und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin offen gegenüber. Putins Sprecher bezeichnete konkrete Pläne für den Gipfel aber als „vorzeitig“. Man schließe es nicht aus, aber es gebe derzeit keine Zeichen einer Entspannung, so Peskow.

Aus dem Weißen Haus hieß es, dass Biden „grundsätzlich“ einem Gipfel zustimme, solange Russland nicht in die Ukraine einmarschiere. Ein hoher US-Regierungsbeamter sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass der genaue Zeitpunkt noch offen sei, ebenso das Format. Es sei „alles rein fiktiv“. In Kiew wurde die Aussicht auf einen Gipfel zwischen Biden und Putin begrüßt, man forderte aber eine Teilnahme der Ukraine an diesem Gespräch. Niemand könne dieses Problem ohne die Ukraine lösen, hieß es von offizieller Seite in Kiew.

Internationale Beobachter, darunter auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), hatten in den vergangenen Tagen von einer starken Zunahme von Verstößen gegen einen geltenden Waffenstillstand gesprochen. Sowohl auf der Seite der Separatisten in den ostukrainischen Gebieten Donezk und Luhansk als auch auf der Seite der ukrainischen Armee wurden Tote gemeldet. Denis Puschilin, Separatistenführer in Donezk, rief am Montag alle Männer zu den Waffen, um gegen die ukrainische Armee zu kämpfen.

GB: Putins Plan hat bereits begonnen

Im Westen variiert die Zuversicht in Bezug auf den Erfolg diplomatischer Bemühungen. „Wir verändern langsam den Kurs der Dinge“, sagte ein Berater des französischen Präsidenten Macron. „Wir schaffen eine diplomatische Perspektive, die der Kreml annehmen kann.“ Weniger zuversichtlich zeigte sich am Montag der Sprecher des britischen Premierministers Boris Johnson: Derzeit deute die Nachrichtenlage darauf hin, dass Russland einen Einmarsch in die Ukraine plane und dass Putins Plan in gewisser Weise bereits begonnen habe.

Aus Deutschland hieß es, dass auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) Montagnachmittag mit Putin telefonieren wolle. Die deutsche Regierung will die mit Verbündeten vereinbarten Sanktionen gegen Russland bei weiteren territorialen Verletzungen der Ukraine scharfstellen. „Da ist die Weltgemeinschaft sehr entschlossen“, so Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Es gebe unterschiedliche Varianten. Genannt wurden Cyberangriffe, Einsätze unter falscher Flagge und großangelegte Invasionspläne. Hebestreit: „Ich glaube, die Definition, auf die wir uns alle einlassen können, ist: Wir wissen es, wenn sie passieren.“

Nach Angaben von ukrainischen Behörden gebe es bereits Warnungen, dass Hacker Cyberangriffe auf Regierung, Banken und den Verteidigungssektor vorbereiten. Die französische Fluglinie Air France sagte für Dienstag Flüge von und nach Kiew ab. Lufthansa hatte schon am Wochenende mitgeteilt, dass alle „regulären Flüge nach Kiew und Odessa“ bis Ende Februar ausgesetzt würden.

EU uneinig über Sanktionen

So sehr die Einigkeit über Sanktionen etwa von Deutschland betont wird, so wenig scheint diese gesichert zu sein. Zumindest innerhalb der EU gibt es unterschiedliche Lager, wie sich beim EU-Außenministertreffen am Montag in Brüssel zeigte. Baltische Staaten wie Litauen etwa zeigten sich aufgeschlossen für ein entschiedeneres Vorgehen. Eine klare Ablehnung kam hingegen aus Ländern wie Österreich und Irland.

Ukraine: EU wird an Ort und Stelle aufklären

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat im Vorfeld der Gespräche zwischen den Außenministern und -ministerinnen der EU über eine bereits fixierte militärische Beratungsmission der Europäischen Union in der Ukraine gesprochen. Damit seien aber keine Kampftruppen gemeint, betonte Kuleba.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sah die Zeit für neue Strafmaßnahmen noch nicht gekommen: „Das ist noch nicht die militärische Aggression von Russland, von der wir sprechen.“ Man habe als Europäische Union immer gesagt, dass man verhältnismäßig reagieren werde. „Sanktionen sind eine Reaktion, eine Art Bestrafung“, sagte er. „Das kann man nicht im Vorfeld machen, sollte man auch nicht.“

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock äußerte sich zunächst nicht öffentlich zur Sanktionsdebatte. Ihr ukrainischer Amtskollege Dmytro Kuleba, der in Brüssel dabei war, forderte erneut sofortige Strafmaßnahmen für Russland. Verständigt haben sich die Außenminister der EU auf einen beratenden Militäreinsatz in der Ukraine. Zudem gaben sie finanzielle Nothilfe für die Ukraine im Rahmen eines weiteren Kredits von 1,2 Mrd. Euro frei.

Analyse des EU-Außenministertreffens

Der Außenminister der Ukraine bat die EU darum, Sanktionen gegen Russland in Kraft zu setzen. Ob sein Ansuchen gehört wird, weiß ORF-Korrespondentin Raffaela Schaidreiter.

Satellitenbilder zeigen neue militärische Aktivitäten

Obwohl Russland nach wie vor Invasionspläne dementiert, zeigen aktuell aufgenommene Satellitenbilder neue militärische Aktivitäten Russlands in der Nähe der Grenze zur Ukraine. Das in den USA ansässige Unternehmen Maxar Technologies meldete die Stationierung weiterer Truppen und Panzerausrüstung an mehreren Orten entlang des Grenzverlaufs. Die neue Aktivität stelle eine Änderung in der Struktur der zuvor beobachteten Stationierung von russischen Kampfeinheiten dar, hieß es.

Grafik zur Stationierung russischer Truppen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: NY Times

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warf Moskau wegen angekündigter weiterer Militärmanöver an der ukrainischen Grenze Wortbruch vor. „Wir sehen, dass Russland versprochen hat, sich zurückzuziehen, aber Russland hat das weiter gesteigert, den Aufmarsch, mehr Truppen an der Grenze stationiert“, sagte Stoltenberg bereits am Sonntag der ARD.

Kiew rechnet nicht mit Angriff aus Belarus

Der Abzug russischer Streitkräfte aus Belarus hängt nach Angaben der Regierung in Minsk zum großen Teil davon ab, dass die NATO ihre Soldaten aus Gebieten nahe der Grenze zu Belarus und Russland abzieht. „Die russischen Soldaten werden nur dann an ihre Stützpunkte zurückkehren, wenn dafür ein objektiver Bedarf besteht und wir das entscheiden“, sagte der belarussische Armeechef Viktor Gulewitsch. Das werde nicht zuletzt auch von den westlichen Kollegen abhängen.

Kiew rechnet trotz mehrfacher Warnungen aus den USA nicht mit einem russischen Angriff aus Belarus. „Das klingt lächerlich“, sagte Verteidigungsminister Olexij Resnikow. Kiew schätze das russische Truppenkontingent im Nachbarland auf etwa 9.000 Personen plus Technik und Ausrüstung. Es sei nicht verwunderlich, dass Moskau diese nach dem Abschluss des Großmanövers am Sonntag nicht wieder abziehe. „Denn sie wurden aus dem Fernen Osten offensichtlich nicht mehrere Wochen dafür herangebracht, um zehn Tage zu trainieren und dann wieder zurückzukehren“, meinte der Minister.