Stadtbild von Taipeh, Taiwan
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Beispiel Ukraine

Taiwan und das große Zittern vor China

Nach dem Vorgehen Russlands in der Ostukraine bangt man in Taiwan, dass sich China, das Taiwan als sein Staatsgebiet ansieht, Moskau als Vorbild nehmen könnte. Die diplomatische Isolation Taiwans – es wird von kaum einem Land als Staat anerkannt – mache es anfällig für eine Einschüchterungs- und Nötigungskampagne vonseiten Pekings, schreibt etwa das US-Politmagazin „Foreign Policy“.

Pekings Ziel sei es, Taiwan dazu zu bringen, die politischen Forderungen Chinas, nämlich die Kontrolle über die autonome Inselrepublik zu erlangen, zu erfüllen und gleichzeitig die USA zu beruhigen, sich nicht für Taiwan zu engagieren, so „Foreign Policy“ weiter.

Taiwan sei gerade jetzt in Sorge vor einem Übergriff Chinas, wie etwa jenem Russlands auf die Krim nach den Spielen in Sotschi 2014, zitiert der Deutschlandfunk den taiwanischen Vertreter in Deutschland, Jhy-Wey Shieh, nach dem Ende der Olympischen Spiele in Peking. Auch der nunmehrige Einmarsch in die Ukraine könnte Auswirkungen auf die weitere Taiwan-Strategie Chinas haben.

Chinesischer Bomber im taiwanesischen Luftraum
APA/AFP/Taiwan’s Defence Ministry
Ein taiwanischer F-16-Kampfjet fliegt am 10. Februar 2020 neben einem chinesischen H-6-Bomber, der in den taiwanischen Luftraum eingedrungen ist

„Friedliche“ Übernahme als eine Option

Laut Jhy-Wey könnte Peking nun auch die auf Russland und den Ukraine-Einmarsch fokussierte Aufmerksamkeit von NATO, UNO und USA nutzen, um seine Taiwan-Politik zu forcieren. Das wäre eine Lücke für China, einen Blitzkrieg vom Zaun zu brechen, so der taiwanische Vertreter in Deutschland weiter. Eine offizielle taiwanische Botschaft gibt es in Deutschland nicht, weil Deutschland, wie die allermeisten Länder, Taiwan nicht als Staat anerkennt.

Dass sich China Taiwan mit militärischen Mitteln einverleiben will, gilt derzeit allerdings als äußerst unwahrscheinlich. Denn China könnte sein Taiwan-Ziel auch ohne Invasion mit anderen Mitteln erreichen, wie „Foreign Policy“ schreibt. So könnte China etwa mit einem Hongkong-ähnlichen Modell für Taiwan zufrieden sein.

Übersichtskarte von China und Taiwan
Grafik: APA/ORF.at

Dafür braucht es allerdings eine gegenüber der chinesischen Einflussnahme wohlgesinntere Regierung in Taipeh. Diese müsste dann auch Zugeständnisse in Richtung Peking machen und damit die Kontrolle des Inselstaates durch China ermöglichen.

Inszenierung einer Krise mögliches Vorgehen

Alleine die Möglichkeit, Chinas Taiwan zu erobern und zu besetzen, zeige den Druck, den Peking ausüben kann. Das gepaart mit politischen Finten, Machenschaften und Versprechungen könne zu einer mehr oder weniger „friedlichen“ Übernahme führen. Ein derartiges Szenario, in dem etwa China ein Gesetz verabschiedet, das Schritte vorschreibt, die Taiwan für eine Wiedervereinigung unternehmen muss, um Krieg zu vermeiden, sei nicht unvorstellbar, schreibt „Foreign Policy“ weiter.

Die große Herausforderung für Peking bleibe aber, dass im großen Unterschied zu Hongkong Taiwan ein funktionierender eigener unabhängiger Staat sei, so „Foreign Policy“. Der Inselstaat Taiwan sei dazu auch noch vom Festland getrennt. Auch seien in Taiwan im Unterschied zu Hongkong keine chinesischen Behörden präsent. Um diese aus Pekings Sicht „Hindernisse und Probleme“ zu überwinden, müsse China eine Krise inszenieren, durch die Taiwan zu Zugeständnissen durch die Androhung eines Krieges genötigt wäre.

U.S.-Kriegsschiff im Südchinesischen Meer
Reuters/U.s. Navy
Der US-Zerstörer USS Benfold am 20. Jänner 2022 im Südchinesischen Meer

Alle Augen auf Biden

Hier wären dann Parallelen zum russischen Vorgehen in der Ukraine möglich. Damit Taiwan einem derartigen Druck standhalten könnte, wären auch die USA mit ihren diplomatischen und militärischen Mitteln gefragt. Fraglich ist allerdings, ob die US-Regierung in Washington auf ein derartiges Szenario vorbereitet wäre und wie schnell eine Reaktion käme, so „Foreign Policy“ weiter. Gerade jetzt ist die Regierung von US-Präsident Joe Biden mit der Ukraine-Krise mehr als beschäftigt.

Biden und seine Reaktion in Sachen Ukraine werde von China sehr genau beobachtet, um auch hier eine bessere Einschätzung zu entwickeln, wie die USA auf eine Eskalation in der chinesischen Taiwan-Politik reagieren könnten, schreibt der „Atlantic“. „Foreign Policy“ stößt in dasselbe Horn. Auch sei Taiwan in einer anderen Position als die Ukraine.

So gebe es in Asien keine Organisation wie etwa die NATO, die man im Krisenfall anrufen könnte. Eine koordinierte Reaktion auf eine Provokation Chinas wäre deshalb äußerst schwierig. Durch die internationale Isolation Taipehs sind auch die taiwanischen Politiker und Politikerinnen international so gut wie gar nicht vernetzt.

Taiwan will sich bei Angriff verteidigen

Die militärischen Spannungen zwischen Peking und der taiwanischen Hauptstadt Taipeh nahmen in den vergangenen Jahren deutlich zu. Peking sieht Taiwan, das sich 1949 von China abgespaltet hatte, als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll – notfalls mit militärischer Gewalt. China isoliert Taiwan auch politisch.

Dessen Regierung betont stets, sie wolle Frieden, werde die Insel aber im Falle eines Angriffs verteidigen. China hält Taiwan für das wichtigste und heikelste Thema in seinen Beziehungen zu den USA, die aber auch durch Konflikte in der Handelspolitik und in Menschenrechtsfragen angespannt sind.

Wichtig auch für US-Wirtschaft

Die USA sind der wichtigste Verbündete Taiwans und verstärkten ihre Waffenlieferungen in den vergangenen Jahren. US-Kriegsschiffe durchqueren im Zuge militärischer Übungen immer wieder die Straße von Taiwan, was zu Verärgerung in China führt. Auch taiwanische Soldaten sollen von den USA ausgebildet worden sein. Die USA unterhalten aber wie viele andere Staaten mit Rücksicht auf die Volksrepublik China keine formalen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan.

TSMC-Fabrik in Taiwan
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Die Fabrik des taiwanischen Halbleiterherstellers TSMC in Zentraltaiwan

Taiwan ist für die nationalen Interessen der USA strategisch allerdings weitaus wichtiger als die Ukraine: als Glied im Bündnissystem, das das Rückgrat der US-Macht im Pazifik bildet. Außerdem liefert Taiwan Halbleiter und andere Hightechkomponenten in die USA.

Peking verhängt Sanktionen gegen US-Rüstungskonzerne

China verhängte unterdessen Sanktionen gegen die US-Rüstungskonzerne Lockheed Martin und Raytheon Technologies wegen Waffenverkäufen an Taiwan. Das erklärte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking am Montag, ohne Details zur Art der Strafmaßnahmen zu nennen. Die Sanktionen seien Gegenmaßnahmen gegen die beiden Unternehmen wegen eines Waffenverkaufs im Wert von 100 Millionen Dollar am 7. Februar.

Der Deal untergrabe Chinas Sicherheitsinteressen, die Beziehungen zwischen China und den USA „sowie den Frieden und die Stabilität in der Straße von Taiwan ernsthaft“, hieß es bei einer Pressekonferenz. Beide Firmen seien seit Langem an US-Rüstungsverkäufen an „Chinas Taiwan-Region“ beteiligt.

Taiwan: USA per Gesetz verpflichtet

Es ist das erste Mal, dass die US-Rüstungsfirmen mit Sanktionen im Rahmen des neuen chinesischen Anti-Auslands-Sanktionsgesetzes konfrontiert sind, das 2021 als Reaktion auf US-Sanktionen gegen chinesische Unternehmen erlassen wurde. Bei mindestens zwei früheren Gelegenheiten – 2019 und 2020 – kündigte China Sanktionen gegen Lockheed und Raytheon an.

Die Regierung in Peking hatte allerdings nicht erklärt, was diese Sanktionen beinhalten oder wie sie durchgesetzt wurden. Die USA verkaufen keine Waffen an China, sind aber durch ein Gesetz von 1979 verpflichtet, Taiwan Mittel zur Selbstverteidigung zur Verfügung zu stellen.