Selenski und Alar Karis, Präsident Estlands
Reuters/Ukrainian Presidential Press Service
Ukraine-Krise

Selenski glaubt nicht an Krieg

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski rechnet trotz der Verschärfung der Lage in der Ostukraine nicht mit einem Krieg gegen sein Land. „Wir glauben nicht, dass es einen Krieg gegen die Ukraine und eine weitreichende Eskalation geben wird“, sagte er am Dienstag in Kiew im Beisein des estnischen Präsidenten Alar Karis.

Wenn es eine weitreichende Invasion seitens der Russischen Föderation geben würde, dann wären auch andere Staaten in Gefahr. Sein Außenministerium habe ihm vorgeschlagen, die diplomatischen Beziehungen zu Russland zu kappen.

Selenski drängte zudem auf rasche Sanktionen gegen Russland. Konkret forderte er den „sofortigen“ Stopp der Ostsee-Pipeline „Nord Stream 2“. Angesichts des „neuen aggressiven Handelns gegen die Ukraine“ müssten sofort Sanktionen verhängt werden, sagte Selenski. „Diese Sanktionen müssen den vollständigen Stopp von Nord Stream 2 umfassen.“

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz entschied wenig später, die Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline auf Eis zu legen. Die für die Inbetriebnahme nötige Zertifizierung werde bis auf Weiteres gestoppt.

Umstrittene Pipeline

Die fast fertiggestellte Pipeline, die russisches Gas nach Deutschland transportieren soll, ist sehr umstritten. Die deutsche Regierung sieht bei Sanktionen gegen Russland alle Optionen auf dem Tisch, hat sich aber hinsichtlich „Nord Stream 2“ nicht explizit festgelegt. US-Präsident Joe Biden hatte für den Fall eines russischen Einmarsches in die Ukraine erklärt, ein solches Vorgehen bedeute das Aus für die Pipeline. ÖVP-Kanzler Karl Nehammer sagte am Dienstag, sollte ein großes Sanktionspaket beschlossen werden, werde es auch „Nord Stream 2“ einschließen, ohne zu sagen, in welcher Form.

Grafik zu russischen separatistischen Regionen in der Ukraine
Grafik: APA/ORF.at

Der ukrainische Präsident reagierte damit auf die Anerkennung der ostukrainischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin als unabhängig.

Putin hatte am Montagabend erklärt, ukrainische Soldaten verübten einen „Genozid an vier Millionen Menschen“ in den Separatistengebieten. Zugleich erkannte er die Gebiete als unabhängig an und vereinbarte mit deren Führern die Entsendung russischer Soldaten nach Luhansk und Donezk.

Estland fordert sofortigen Abzug

Estland forderte den sofortigen Anzug der russischen Truppen vom Gebiet der Ukraine. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass Russland zur Deeskalation bereit sei, sagte Präsident Karis bei einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. „Wir können für die Ukraine die Tür zur EU und zur NATO offen halten.“

TV-Hinweis

ORF2 widmet sich in einer Sonder-ZIB ab 20.15 Uhr und einem runden Tisch ab 22.25 Uhr der Eskalation der Ukraine-Krise.

Lawrow stellt Unabhängigkeit der Ukraine infrage

Der russische Außenminister Sergej Lawrow wiederum stellte am Dienstag das Recht der Ukraine auf Souveränität infrage. Die Ukraine vertrete nicht alle Bestandteile des Landes, sagte er der Nachrichtenagentur Interfax zufolge zur Begründung. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand behaupten kann, dass das ukrainische Regime seit dem Staatsstreich 2014 alle Menschen vertritt, die auf dem Territorium des ukrainischen Staates leben.“

Lawrow bezog sich damit auf den Sturz des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Jahr 2014, dem der prowestliche Petro Poroschenko als Staatsoberhaupt folgte. Im selben Jahr annektierte Russland die von zahlreichen Russen bewohnte ukrainische Halbinsel Krim und unterstützt seither die prorussischen Separatisten in der Ostukraine.