Altes Landhaus, Tirol
ORF.at/Christian Öser
Tirols Gemeinden wählen

CoV und ÖVP-Umbruch als Fragezeichen

Die Urnengänge in Österreich sind dieses Jahr überschaubar: Zwei Gemeinderatswahlen und die Kür des Bundespräsidenten oder der Bundespräsidentin stehen planmäßig auf dem Programm. Den Anfang machen am Sonntag 273 Tiroler Gemeinden – die politischen Auswirkungen der Pandemie und die jüngsten Umwälzungen innerhalb der ÖVP sorgen auch bundesweit für Aufmerksamkeit.

Nicht weniger als 856 Listen streben nach 3.650 Gemeinderatssitzen, bei den ebenfalls stattfindenden Bürgermeisterdirektwahlen gehen 498 Kandidaten und 63 Kandidatinnen ins Rennen – das sind um 40 Prozent mehr Frauen als noch vor sechs Jahren. In 40 Gemeinden kandidiert nur eine Liste, in 113 gibt es nur einen Bürgermeisterkandidaten.

Am 13. März finden dann Stichwahlen in jenen Orten statt, in denen keine Kandidatin oder kein Kandidat auf Anhieb die absolute Mehrheit geschafft hat. Keine Wahl steht in der Landeshauptstadt Innsbruck, den Gemeinden Matrei am Brenner und Wängle im Außerfern an. In Musau (Bezirk Reutte) gab es keinen Wahlvorschlag, Bürgermeister und Gemeinderat bleiben damit automatisch für weitere sechs Jahre im Amt – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Poster für die Gemeinderatswahl in Imst 2022
ORF
Die Zahl der antretenden Listen ist in Tirol traditionell hoch

Zwei große Fragezeichen

Als große Unbekannte gelten am Sonntag einerseits das Abschneiden der impf- und maßnahmenkritischen MFG (Menschen – Freiheit – Grundrechte), sie kandidiert mit 50 Listen und 22 Bürgermeisterkandidaten. Wobei die Erwartungshaltung im Unterland größer sei als im Oberland, wie MFG-Landessprecher Bernhard Schmidt festhielt. Das Stimmenpotential der MFG zeigte sich Ende Jänner 300 bis 400 Kilometer weiter östlich bei der Gemeinderatswahl im niederösterreichischen Waidhofen an der Ybbs: Dort holte MFG auf Anhieb 17,1 Prozent der Wählerstimmen, landetet damit auf Platz drei und im Gemeinderat – mehr dazu in noe.ORF.at.

„MFG hat Möglichkeiten – nicht nur wegen des Corona-Themas an sich, sondern weil es ein gewisses Anti-Establishment gibt, das sie bedienen“, sagte Meinungsforscher Peter Hajek. Bisher habe hauptsächlich die FPÖ diese Bedürfnisse bedient, „jetzt gibt es halt eine Gruppierung, die das auch im Angebot hat, aber mit der FPÖ nichts zu tun hat“. „Verluste der FPÖ setze ich voraus“, hielt auch der Politologe Anton Pelinka fest.

Anderseits steht in Tirol der erste größere Wahlgang seit dem Abgang von Ex-Kanzler und Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz an – wenige Tage bevor der parlamentarische Untersuchungsausschuss zu Korruptionsvorwürfen gegen die Volkspartei beginnt. Auch für die ÖVP könnte der Wahlsonntag damit schwierig werden.

Kufstein,Rathaus
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Kufstein ist die zweitgrößte Stadt Tirols und die größte, in der am Sonntag gewählt wird – Innsbruck ist erst wieder 2024 dran

ÖVP auf Kurssuche

Der Rückenwind von der Bundesebene ist abgeflaut oder gar in Gegenwind umgeschlagen, doch grundsätzlich seien Lokalwahlen „ganz stark geprägt von den Umständen vor Ort“, sagte Hajek. Die Frage sei immer, ob der jeweilige Bürgermeister die Lage im Griff habe, es Unzufriedenheit gebe oder etwa ein Generationswechsel anstehe.

Traditionell verzichten in Tirol viele ÖVP-nahe Listen auf einen expliziten Parteibezug, dennoch beanspruchten die Schwarzen zuletzt 236 der 279 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Land für sich. Diesmal wurde aber noch mehr auf Namen abseits davon gesetzt, sagte Politikberater Thomas Hofer – mehr dazu in tirol.ORF.at. Aus Hofers Sicht kann der Druck auf ÖVP-Chef Karl Nehammer trotzdem steigen – und zwar dahingehend, dass er der nach außen signalisierten „Stilwende“ auch eine inhaltliche Positionierung folgen lassen müsse. Die ÖVP befinde sich in der Defensive und mit dem U-Ausschuss lauere „die nächste Defensivsituation“.

Starkes Wahljahr steht bevor

Auch steige bei den Parteien die Nervosität aufgrund der Landtagswahlen 2023 – mit Niederösterreich, Tirol und Salzburg (nebst Kärnten) stünden für die ÖVP drei entscheidende Bundesländer auf dem Spiel. „Da werden die jeweiligen schwarzen Landeshauptleute natürlich vermeiden wollen, dass es dort zu ‚Ventilwahlen‘ kommt, dass ein dominierendes Thema oder eine Stimmung sozusagen die eigene Performance massiv drückt“, sagte Hofer.

„Dominierendes Thema“ werden diesmal unweigerlich weiterhin die Pandemie und ihre Auswirkungen sein – auch wenn es ab 5. März grundsätzlich keine Beschränkungen mehr geben soll, „vulnerable Settings“ ausgenommen.

Platter in Alarmbereitschaft

Es wundert also nicht, dass der seit 2008 amtierende Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) im Wahlkampf vehement auf Öffnungen drängte. Eine Umfrage der „Tiroler Tageszeitung“ zu Jahresbeginn (32 Prozent nach 44,3 bei der Landtagswahl 2018) dürfte Warnschuss genug gewesen sein. Viele Gemeinden in Tirol seien vom pandemiegebeuteltenden Tourismus abhängig, sagte Politologe Pelinka. „Obwohl das ja eigentlich Bundes- oder Landessache ist. Aber die ÖVP wird verantwortlich gemacht.“

Bei den letzten Gemeinderatswahlen haben 71 Prozent der wahlberechtigten Tirolerinnen und Tiroler ihre Stimme abgegeben. Diese Beteiligung dürfte heuer unter den 505.752 potenziellen Wählerinnen und Wählern schwierig zu erreichen sein – wohl aus denselben Gründen, die dieser Wahl auch Brisanz verleihen – mehr dazu in tirol.ORF.at.