US-Präsident Joe Biden
APA/AFP/Brendan Smialowski
Ukraine-Konflikt

USA und EU mit Sanktionen gegen Russland

Auf die dramatische Eskalation des Ukraine-Konflikts durch die russische Anerkennung der Separatistengebiete hat der Westen mit der Einleitung harter Sanktionen gegen Moskau reagiert. Die EU-Außenminister brachten am Dienstag in Paris ein umfassendes Paket von Strafmaßnahmen auf den Weg, US-Präsident Joe Biden kündigte Finanzsanktionen gegen Russland an. Deutschland legte das Pipelineprojekt „Nord Stream 2“ vorerst auf Eis.

Biden kündigte am Dienstag im Weißen Haus neue Sanktionen gegen Russland an. Die Strafmaßnahmen werden sich demnach gegen zwei große Banken, gegen den Handel mit russischen Staatsanleihen und gegen Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin und deren Familien richten. Biden betonte, die USA seien zu noch härteren Schritten bereit, falls Russland sein Vorgehen gegen die Ukraine weiter vorantreiben sollte.

Die Sanktionen, die US-Banken künftig den Handel mit russischen Staatsanleihen verbieten sollen, würden Moskaus Zugang zu den westlichen Kapitalmärkten abschneiden, betonte Biden. Die US-Regierung hatte amerikanischen Finanzinstitutionen im vergangenen Jahr bereits den Handel mit Staatsanleihen auf dem Primärmarkt verboten, nicht aber im wichtigen Sekundärmarkt.

„Beginn einer Invasion“

Biden rechnet nach der jüngsten Eskalation nach eigenen Worten weiter mit einem großangelegten Angriff Russlands auf das Nachbarland. „Wir glauben nach wie vor, dass Russland bereit ist, deutlich weiterzugehen und einen massiven Militärschlag gegen die Ukraine zu starten“, sagte Biden.

Biden befürchtet weitere Eskalation

Der US-Präsident geht davon aus, dass Russland weitere Schritte plant.

Er bezeichnete Moskaus Anerkennung der „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk und die geplante Entsendung russischer Truppen in die ostukrainischen Gebiete als „Beginn einer Invasion“ in die Ukraine. Putin liefere „eine Begründung für die gewaltsame Einnahme weiterer Gebiete“. Biden hielt aber eine diplomatische Lösung weiter für möglich.

EU-Staaten einigten sich

Zuvor hatten schon die Außenminister der EU-Staaten Sanktionen auf den Weg gebracht: Sie stimmten bei einem Sondertreffen in Paris einem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission und des Auswärtigen Dienstes zu, wie der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian bestätigte.

Die Europäische Union habe sich darauf geeinigt, 27 Personen und Körperschaften, die die territoriale Einheit der Ukraine bedrohen, mit Sanktionen zu belegen, erklärte Borrell. Auch Banken, die Einsätze in den Separatistengebieten finanzierten, seien von den Maßnahmen betroffen. Ziel sei es auch, den Zugang des russischen Staates zum EU-Finanzmarkt zu beschränken.

V.l.: EU-Außenbeauftragter Josep Borrell, der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian, die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, der italienische Außenminister Luigi Di Maio
AP/Michel Euler
Keine 24 Stunden nach Russlands Eskalation einigten sich die EU-Außenministerinnen und -Außenminister auf ein Sanktionspaket

Enge Abstimmung

Zudem fänden sich auf der Liste jene 350 Abgeordnete des russischen Parlaments, die für die russische Anerkennung der selbst ernannten „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk in der Ostukraine stimmten. Von Personen, Organisationen und Unternehmen, die auf die EU-Sanktionsliste gesetzt werden, werden sämtliche in der EU vorhandenen Vermögenswerte eingefroren. Zudem dürfen gelistete Personen nicht mehr in die EU einreisen, und mit den Betroffenen dürfen auch keine Geschäfte mehr gemacht werden. Putin selbst steht – noch – nicht auf der Liste. Die Sanktionen treten bereits am Mittwoch in Kraft.

Harte Sanktionen gegen Russland

Der Westen hofft, mit umfassenden Sanktionen Putin zum Einlenken zu bewegen.

Nach „stundenlangen Debatten“ hätten sich nicht nur die EU-Mitgliedsstaaten untereinander auf Maßnahmen geeinigt – diese seien auch eng mit den USA, Großbritannien und Kanada abgestimmt worden, sagte Borrell. Kanada entschloss sich zu einer Reihe von Sanktionen. Kanadierinnen und Kanadier dürften künftig ebenfalls keine russischen Staatsanleihen mehr kaufen oder mit zwei staatlichen russischen Banken Geschäfte machen. Auch werde man Mitglieder des russischen Parlaments bestrafen, die für die Anerkennung der separatistischen Regionen Luhansk und Donezk gestimmt hatten.

„Zusätzliche Munition“

Was das Vorgehen Russlands betreffe, gebe es zwar noch eine Reihe offener Fragen, etwa, was nun mit dem Rest der Ukraine geschehe, klar sei aber, dass man je nach dem Verhalten Russlands das Level der Sanktionen erheblich anheben werde. Borrell sprach dabei von einer „zusätzlichen Munition“, die man im Werkzeugkasten behalten wolle.

Ähnlich äußerte sich Le Drian: „Wir wollten nicht von Beginn an alle unsere Karten auf den Tisch legen, sondern Maßnahmen in der Reserve behalten.“ Heute sei es jedoch gelungen, die richtige Balance zu finden – nicht zuletzt auch deshalb, weil es wohl unter den Mitgliedsstaaten verschiedene Auffassungen von „angemessenen“ Maßnahmen gegeben haben dürfte.

Von der Leyen kündigt schnelle Umsetzung an

Von der Leyen begrüßte die Einigung der 27 Mitgliedsstaaten auf ein neues Sanktionspaket und kündigte an, das geplante Sanktionspaket zügig fertigzustellen. Nach der politischen Einigung der EU-Außenminister auf die Strafmaßnahmen ist nun noch ein juristisch bindender Beschluss erforderlich.

Von der Leyen zufolge richten sich die Strafmaßnahmen gezielt gegen Personen und Unternehmen, die an dem völkerrechtswidrigen Vorgehen beteiligt sind. „Sie treffen Banken, die den russischen Militärapparat finanzieren und damit zur Destabilisierung der Ukraine beitragen“, erklärte sie.

EU beschließt Sanktionen gegen Russland

Sanktionen gegen Russland sollen Putin unter Druck setzen.

Außerdem führe man robuste Beschränkungen im Handel der beiden abtrünnigen Regionen mit der EU ein. Vorbild dafür seien die Handelssanktionen, die man 2014 nach der Annexion der Krim beschlossen habe. Als letzten großen Teil des Sanktionspakets nannte von der Leyen Maßnahmen, die den Zugang des russischen Staates zu den EU-Finanzmärkten beschneiden sollen.

Lob für „Nord Stream 2“-Stopp

Die Entscheidung der deutschen Bundesregierung, das Genehmigungsverfahren für „Nord Stream 2“ auf Eis zu legen, bezeichnete von der Leyen als „völlig richtig“. „‚Nord Stream 2‘ muss völlig neu betrachtet werden unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit für ganz Europa“, sagte sie. Denn die Krise zeige, dass Europa immer noch viel zu abhängig von russischem Gas sei.

Vorgehen Russlands „rechtswidrig und inakzeptabel“

Vorab hieß es in einer Erklärung von von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel: Die Entscheidung Russlands, die ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk als unabhängig anzuerkennen und russische Truppen zu entsenden, sei „rechtswidrig und inakzeptabel“. Das verstoße sowohl gegen das Völkerrecht, die Souveränität der Ukraine sowie die internationalen Verpflichtungen Russlands.

Beide begrüßen „die unerschütterliche Geschlossenheit der Mitgliedsstaaten und ihre Entschlossenheit, in enger Abstimmung mit internationalen Partnern robust und rasch auf die rechtswidrigen Handlungen Russlands zu reagieren“.

Wie die Außenminister kündigte auch von der Leyen weitere Schritte an, sollte es zu neuen Aggressionen kommen: „Wenn der Kreml diese Krise weiter eskaliert, dann werden wir nicht zögern, weitere Maßnahmen zu ergreifen“, sagte sie. „Die Europäische Union steht geschlossen zusammen und ist vorbereitet, zügig zu handeln.“

Borrell: Kein Ende diplomatischer Anstrengungen

Parallel zu Sanktionen setzt die EU im Ukraine-Konflikt trotz der Eskalation aber weiter auf Verhandlungen. Die diplomatischen Anstrengungen gingen weiter, sagte Borrell. Es gehe darum, Russland wieder an den Verhandlungstisch zu bringen, die Gefahr eines großen Konflikts sei real. „Wir haben die Befürchtung, dass diese Geschichte noch nicht zu Ende ist.“

Analyse von ZIB-Außenpolitikchef Marlovits

Johannes Marlovits, Leiter der ZIB-Außenpolitikredaktion, mit einer Einschätzung, ob und welche Sanktionen Wladimir Putin beeindrucken könnten.

Le Drian sagte ebenso, dass die Türe offen stehe für die Diplomatie, man sei in den letzten Wochen aber in Russland auf eine Mauer gestoßen. Sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow habe bei einem Telefonat mit ihm am Montag die Anerkennung der Separatistengebiete kurz darauf mit keinem Wort erwähnt. Deshalb finde ein für Freitag geplantes Treffen mit Lawrow in Paris nicht statt.

Zustimmend äußerte sich der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP). „Mit dem Stopp von Nord Stream 2 sowie weiteren wirtschaftlichen & persönlichen Sanktionen senden wir eine klare Botschaft. Oberste Priorität ist, eine weitere militärische Eskalation einzudämmen“, schrieb er auf Twitter. „Unsere Antwort sind scharfe Sanktionen, die Putin und sein Regime treffen. Das ist auch ein starkes Zeichen der Einigkeit der EU.“

Nehammer steht hinter EU-Sanktionen

Österreich steht im Ukraine-Konflikt voll hinter den EU-Sanktionen gegen Russland. Dies bekräftigte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) Dienstagabend im Bundeskanzleramt. „Österreich ist und bleibt ein militärisch neutrales Land. Wir haben aber eine klare Haltung und Meinung, wenn es um die Einhaltung von Völkerrecht geht und agieren hier im europäischen Einklang“, sagte Nehammer. Der Bundeskanzler hofft nach wie vor auf eine diplomatische Beilegung der Krise. „Wir müssen weiter voll und ganz auf Diplomatie setzen, um einen Krieg mitten in Europa zu verhindern.“

Das von der Regierung installierte Krisenkabinett befindet sich laut Nehammer „in laufender Abstimmung“, um rasch auf die aktuellste Bedrohungslage reagieren zu können. Ein wesentlicher Punkt sei dabei die Versorgungssicherheit. Vor allem die Rolle der Gasversorgung ist für Österreich essenziell. In puncto Flüchtlingsbewegungen erwartet man in der Regierung unterdessen keine gravierenden Auswirkungen. Österreich sei demnach kein primäres Zielland für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.

Japan und Australien schließen sich Sanktionen an

Auch Japan und Australien kündigten Sanktionen gegen Russland an. Japans Premierminister Fumio Kishida will ein Einreiseverbot für bestimmte Personen mit Verbindungen zu den „zwei sogenannten Republiken“ der pro-russischen Separatisten. Ihre Vermögenswerte in Japan sollen eingefroren und japanischen Unternehmen der Handel mit der Region untersagt werden. Außerdem will die Regierung den Handel mit russischen Staatsanleihen verbieten. Die Sanktionen seien „in Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft“ beschlossen worden, sagte Kishida.

Unterdessen kündigte Australiens Premierminister Scott Morrison Sanktionen gegen acht der wichtigsten Sicherheitsberater Putins an. Diese erhalten Einreiseverbote. Zudem will die Regierung gegen Banken vorgehen, die mit dem russischen Militär in Verbindung stehen. Morrison kündigte außerdem an, dass er die Bearbeitung von Visa für rund 430 Ukrainerinnen und Ukrainer, die nach Australien einreisen wollen, beschleunigen werde.