Merkel zu Flüchtlingskrise: Habe mich nicht allein gefühlt

Die frühere deutsche Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hat ihre umstrittene offene Haltung zu Beginn der Flüchtlingskrise 2015 mit der Achtung vor der Menschenwürde begründet.

„Unser Artikel eins des Grundgesetzes heißt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und das gilt ja nicht nur für Deutsche“, sagt die 67-Jährige in der Doku „Angela Merkel – Im Lauf der Zeit“ des Dokumentarfilmers Torsten Körner, die gestern auf Arte ausgestrahlt wurde.

„Ich weiß nicht, ob der Artikel 1 des Grundgesetzes Gefühlsduselei ist. Das lehne ich ab“, betont Merkel in einem am 6. Dezember 2021 – zwei Tage vor der Vereidigung der Ampelregierung von SPD-Kanzler Olaf Scholz – im Kanzleramt aufgezeichneten Interview für die Doku.

Vielmehr sei der Artikel „aus einer tiefen Erfahrung geboren und hat etwas mit unserem gesamten Menschenbild zu tun“. Merkel äußert sich verwundert, „dass das immer wieder so infrage gestellt wird“.

Sie hebt hervor: „Im Übrigen war es doch auch ein ganz großes und allgemeines Empfinden in Deutschland.“ Natürlich hätten „die Menschen von mir erwartet, dass nicht über zehn Jahre jeden Tag 10.000 Menschen zu uns kommen. Aber sie haben gleichzeitig diese Notsituation gesehen und mit angepackt. Die vielen Bürgermeister, die vielen Ehrenamtlichen“, sagt Merkel. „Und deshalb habe ich mich auch gar nicht alleine gefühlt.“

Absprache mit Faymann

Die damalige Kanzlerin hatte 2015 angesichts des Zustroms Zehntausender Flüchtlinge unter anderem aus Syrien in Absprache mit dem damaligen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) die deutschen Grenzen nicht geschlossen und wiederholt ihre Überzeugung unterstrichen, Deutschland werde die Situation meistern.

Dabei prägte sie den von ihren Gegnerinnen und Gegnern heftig kritisierten Satz: „Wir schaffen das.“ Merkel sagt nun zur damalige Situation: „Es war eigentlich die Zuspitzung einer sich aufbauenden Situation.“ Sehr viele Syrer und Syrerinnen unter den damaligen Flüchtlingen hätten auch Anspruch auf Asyl gehabt.

Im Rückblick kritisiert Merkel die Uneinigkeit in der europäischen Flüchtlingspolitik. Damals sei klar gewesen, „dass es ein europäisches Problem ist“.