Belarus Machthaber Alexander Lukaschenko
APA/AFP/Belta/Maxim Guchek
Ukraine-Krise

Belarus am Gängelband Putins

Im Vorfeld der Ukraine-Krise hat Russland fast unbemerkt Belarus in seine Abhängigkeit gebracht. Nicht nur wurde Belarus durch gemeinsame Manöver mit Russland zu einem Aufmarschgelände der russischen Armee für den russischen Krieg gegen die Ukraine, auch sonst ist Belarus vom großen russischen Nachbarn abhängiger denn je. Der von der EU nicht als Präsident anerkannte belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hängt nun am Gängelband des russischen Präsidenten Wladimir Putin, so der Tenor.

Belarus ist für Russland als Verbündeter von äußerster Wichtigkeit, wäre Belarus den ukrainischen Weg mit einer Ausrichtung nach Westen gegangen, wäre das für Russland eine Katastrophe gewesen. Lukaschenko, der sich immer gegen eine Vereinnahmung vonseiten Moskaus gesträubt hatte, ließ nach seiner als weder frei noch demokratisch kritisierten Wahl 2020 die Massenproteste brutal niederschlagen und Oppositionelle verhaften und zu Haftstrafen verurteilen. Manchen gelang die Flucht ins Ausland.

Putin habe es innerhalb kurzer Zeit geschafft, die ehemalige Sowjetrepublik zu einer Erweiterung des russischen Territoriums zu verwandeln, ohne einen Schuss abzugeben, so das US-Politmagazin „The Atlantic“ – und „dazu noch vor den Augen der USA und Europas“. Das Politmagazin bezieht sich dabei auf die Anfang des Jahres wegen der gemeinsamen Manöver in Belarus aufmarschierten russischen Truppen und russisches, schweres Militärgerät.

Russlands Präsident Wladimir Putin und der belarusische Machthaber Alexander Lukaschenko
AP/Kremlin Pool Photo/Alexei Nikolsky
Der belarussische Machthaber Lukaschenko und Kreml-Chef Putin beobachten am 19. Februar in Moskau die gemeinsamen Manöver

Sorgenfalten in baltischen Staaten und Polen

„The Atlantic“ geht davon aus, dass die Truppen je nach Verlauf der Ukraine-Krise nicht so schnell wieder auf ihre angestammten Stützpunkte in Russland zurückkehren, sondern teilweise in Belarus verbleiben werden. Strategisch sei das neben dem Ukraine-Krieg eine weitere Herausforderung für das westliche Militärbündnis NATO, die den Sicherheitsgarant gegenüber Russland für die baltischen Staaten darstellt.

Litauen, Lettland, die an Belarus grenzen, sowie Estland sind seit 2004 Mitglieder der NATO. Belarus grenzt auch an das 1999 in die NATO eingetretene Polen. Für Putin ist Belarus laut „The Atlantic“ nun ein strategischer Außenposten: Die baltischen Länder liegen quasi für Belarus vor der Haustüre. Diese Änderung in der belarussischen Politik Richtung Russland sorgt für Sorgenfalten in Polen und den baltischen Ländern.

Nicht der letzte Schritt in Vereinnahmung von Belarus?

Lange wurde Belarus als Bollwerk gegen Russland angesehen. Laut Ben Hodges, einem ehemaligen Kommandanten der US-Armee in Europa, wird die Kontrolle von Belarus durch Moskau wahrscheinlich auf Dauer bleiben. Sie könnte noch ausgebaut und eine permanente Gefahr werden, mit der sich die NATO beschäftigen müssen wird, fürchtet Hodges im Interview mit „The Atlantic“.

Unter dem Druck westlicher Sanktionen hatte sich Lukaschenko seit letztem Jahr noch mehr an Russland angenähert. Ein Dekret für eine weitere Integration in einen Unionsstaat mit Russland wurde Anfang November unterzeichnet. Manche Kommentatoren sahen mit der Unterschrift das Ende der Unabhängigkeit von Belarus. Offiziell ist davon in dem Vertrag allerdings nichts zu lesen.

Zur Stationierung von Atomwaffen bereit

Das Vertragswerk enthält insgesamt 28 Integrationsprogramme – darunter und für Russland im Zuge der Ukraine-Krise äußerst wichtig, eine abgestimmte Militärdoktrin. So wurden denn auch die Ziele der jüngsten gemeinsamen Manöver von Russland und Belarus neben der Vorbereitung auf eine „externe Aggression“ und dem „Kampf gegen den Terrorismus“ als die „Verteidigung der Interessen des Unionsstaates“ vom russischen Verteidigungsministerium definiert.

Gemeinsames Militärmanöver von Belarus und Russland und Belarus
APA/AFP/Russian Defence Ministry
Raketen werden bei dem gemeinsamen Manöver von Russland und Belarus abgeschossen

Belarus ist deshalb auch im Falle einer „Bedrohung durch den Westen“ zur Stationierung von russischen Atomwaffen bereit, wie Lukaschenko dann Mitte Februar im Vorfeld des russischen Einmarsches in der Ukraine bekanntgab. „Wenn es notwendig ist“, werde sein Land nicht nur Atomwaffen, „sondern auch Supernuklearwaffen, vielversprechende Waffen“ aufnehmen, um „unser Territorium zu verteidigen“, sagte Lukaschenko nach Angaben der belarussischen Nachrichtenagentur Belta.

Am finanziellen Tropf Moskaus

Russische Militärstützpunkte im eigenen Land lehne Belarus ab, sagte Lukaschenko bei einem Besuch des gemeinsamen Militärmanövers mit Russland damals noch dazu. Es gebe keine Notwendigkeit für russische Militärbasen, weil in einem Notfall die russische Armee zur Unterstützung ins Nachbarland kommen werde, so Lukaschenko.

Der Schwerpunkt neben dem Militärischen soll allerdings laut dem Unionsvertrag auch auf einer weiteren Verzahnung der Wirtschaft beider Staaten liegen. Belarus hängt traditionell am Tropf Russlands. Wegen der Sanktionen der EU und der USA gegen den Machtapparat von Lukaschenko ist die Ex-Sowjetrepublik mehr denn je auf finanzielle Hilfe Russlands angewiesen. Nach dem Einmarsch in der Ukraine wurden allerdings auch die finanziellen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland verstärkt.

Lukaschenko selbst war die Integration in den Unionsstaat stets zögerlich angegangen. Offenbar hatte er auch die Bedenken der Bevölkerung geteilt, dass Russland de facto Belarus schlucken könnte. Unter dem Druck der Sanktionen der EU im Herbst hatte er bei Gesprächen mit Putin allerdings immer mehr Zugeständnisse gemacht bzw. machen müssen. Putin sicherte damals dem als „letzten Diktator Europas“ bezeichneten Lukaschenko erneut Unterstützung in seiner Konfrontation mit dem Westen zu, eine Unterstützung, die Belarus umgekehrt auch Russland gewähren muss.