Eingang von außen, 2021
Stephan Triensberg
Villa Beer

Museumspläne für ein Architekturjuwel

Erbaut 1929/30 von Josef Frank und Oskar Wlach, ist die Villa Beer eines der Hauptwerke der Wiener Moderne. Der neue Besitzer plant die Umwandlung in ein Hausmuseum. Dabei werfen die bevorstehende Restaurierung und Öffnung viele Fragen auf. In einem international besetzten Symposium diskutierten Fachleute nun über die archtitekturgeschichtliche, aber auch zeitgeschichtliche Dimension des Vorhabens.

Frank, führender Architekt der Generation nach Adolf Loos und Josef Hoffmann, war einer der wenigen österreichischen Architekten, die nach dem Ersten Weltkrieg in der vordersten Reihe der internationalen Avantgarde wahrgenommen wurden. Die denkmalgeschützte Villa Beer gilt als sein wichtigstes Wohnhaus und als Manifest seiner Auffassung modernen Wohnens.

Auftraggeber waren Julius Beer und seine Frau Margarethe. Die Beers waren Gummifabrikanten und unter anderem an Semperit beteiligt. Frank und sein Partner Wlach entwarfen großzügige Räume auf ineinandergreifenden Ebenen und richteten das Haus mit Möbeln und Stoffen aus ihrer Einrichtungsfirma Haus & Garten ein. Bei seiner Fertigstellung galt das Haus als modernste Villa der Stadt.

Ein Traum, der nicht lange währte

Doch der Traum währte nicht lange: Schon 1932 mussten die Beers ihr Haus vermieten, unter anderen an den Opernsänger Jan Kiepura und dessen Frau, den Filmstar Martha Eggert. Beer hatte sich finanziell übernommen, 1938 wurde das Haus versteigert. 1941 bekam die Villa neue Besitzer, die den Wert des Hauses erkannten und sogar das originale Mobiliar wieder aus dem Dorotheum auslösten.

Fotostrecke mit 3 Bildern

Haus von außen, 1931
MAK – Museum für angewandte Kunst/Julius Scherb
Liebe zum Detail: Selbst der Schatten der Bäume vor dem Haus ist in die Gestaltung mit einbezogen (1931)
Innenraum in 1931
MAK – Museum für angewandte Kunst/Julius Scherb
Lichterfüllte Innenräume und weiße Wände bringen die Teppiche und Möbelstoffe besonders zur Geltung (1931)
Esszimmer in 1931
MAK – Museum für angewandte Kunst/Julius Scherb
Großzügige Räume lassen Freiheit für eine flexible Nutzung durch die Bewohner (1931)

Die Villa Beer hat die Jahrzehnte im Wesentlichen ohne große Schäden überstanden. Zuletzt stand das Haus fast 15 Jahr lang leer. Seit 2021 ist Lothar Trierenberg neuer Besitzer. Durch Zufall habe sich die Chance ergeben, das Haus zu erwerben. „Da alle Versuche, die Villa Beer von Seiten der öffentlichen Hand als Hausmuseum entstehen zu lassen, gescheitert sind, war die Gefahr sehr groß, dass es als privates Mehrfamilienhaus mehr oder weniger zerstört werden könnte und vor allem nicht öffentlich zugänglich gemacht würde,“ sagt Trierenberg gegenüber ORF.at.

Mit seinen Plänen für die künftige Nutzung der Villa Beer will Trierenberg den Erhalt des Hauses und die Zugänglichkeit für die Allgemeinheit gewährleisten. Die Villa soll als Hausmuseum für Ausstellungen, Vermittlung und Forschung offen sein. Im Sinne Franks, der die Villa schließlich als Wohnhaus konzipierte, soll es auch die Möglichkeit geben, „länger im Haus zu verweilen, um es erleben zu können, vielleicht auch mit der Möglichkeit, übernachten zu können“, so Trierenberg. In einem Jahr soll die Sanierung starten, die Fertigstellung ist für 2024 in Aussicht genommen.

Spagat zwischen Bewahren und Erneuern

Bei einem Symposium, veranstaltet von der Österreichischen Gesellschaft für Architektur (ÖGFA) und DOCOMOMO Austria, diskutierten kürzlich internationale Expertinnen und Experten in Wien über weitere Schritte zur Rettung der Villa Beer. Die Frage, wie sich eine Bewahrung des Baudenkmals und eine Adaptierung für eine zukünftige Nutzung vereinbaren lassen, stand dabei im Mittelpunkt.

Im Eröffnungsvortrag formulierte der Schweizer Architekt Arthur Rüegg zentrale Thesen für den Umgang mit denkmalwürdigen Bauten. Eine Rückführung in einen letztlich fiktiven Urzustand sei nicht möglich, so Rüegg. Man müsse immer abwägen: Einerseits seien die ursprüngliche Bauidee und das Material zu respektieren, denn sie seien Teil der Geschichte und „originale Zeugen“. Andererseits müssten Bedürfnisse nach modernisierter Infrastruktur und energetischer Adaptierung sowie baupolizeiliche Auflagen berücksichtigt werden.

Renovieren, Restaurieren, Rekonstruieren

Wie komplex die Fragen sind, die es bei der Instandsetzung eines Architekturdenkmals zu bedenken gilt, zeigt die Bandbreite der Wortmeldungen, die vom Wissen über Material und Konstruktion als Grundlage für die Restaurierung und Franks kritische und komplexe Beziehung zur Moderne bis zu raumpsychologischen Überlegungen und den Beziehungen zwischen Haus und Garten reichten.

Innenräume in 2021
Wolfgang Thaler; Stephan Trierenberg
Großzügige Raumerfahrungen, die sich im Gehen erschließen, waren Frank besonders wichtig

Das stellt auch Trierenberg vor vielfältige Herausforderungen. „Es gilt im ersten Schritt zu erfassen, wie nun das Haus wirklich war. Zwar sind die Grundstruktur und viele Details noch gut vorhanden, trotzdem müssen viele Dinge noch erforscht werden,“ sagte Trierenberg. Das Haus wird zurzeit ausführlich untersucht, um den Zustand der Bausubstanz und die ursprünglich verwendeten Materialien zu klären. Erst dann kann entschieden werden, wie mit dem Vorhandenen umzugehen ist, was erhalten werden kann und was man nachbilden muss.

Ein Hausmuseum der Moderne

Thomas Will, Professor für Denkmalpflege in Dresden, widmete sich in seinem Beitrag zum Symposium der Frage, wie ein zukünftiges Hausmuseum aussehen könnte und was es eigentlich repräsentiert. Man müsse sich überlegen, ob man einen historischen Zustand in einer Art „Period House“ als Zeugnis ehemaliger Wohnkultur rekonstruieren wolle oder ob man Anpassungen im Sinne einer Werkbearbeitung vornehme. Denkmalschutz und kulturelle Nutzung könnten dabei in Widerspruch geraten.

Eingang und rundes Fenster
Das Büro
Die Villa Beer ist als Beispiel moderner Baukunst ein Denkmal von internationaler Bedeutung

Die Villa Beer sei noch immer ein Modell moderner Architektur, so Will, aber dieses Modell sei untergegangen: Eine elitäre, großbürgerliche Klientel und deren opulente Baupläne ohne raumökonomische und ökologische Überlegungen seien heute kein Maßstab mehr für Bauen in der Stadt. Das erleichtere allerdings die Transformation von einem Wohnhaus hin zu einem Museum.

Die Villa Beer als zeitgeschichtliches Denkmal

Doch die Villa Beer ist nicht nur ein kunst- und kulthistorisches Denkmal. Maria Welzig (Architekturzentrum Wien) erinnerte im Zuge des Symposiums daran, dass die Geschichte der Villa Beer auch eng mit den Katastrophen des 20. Jahrhunderts verbunden ist. Beer spendete für die nahe gelegene Hietzinger Synagoge, fast zeitgleich mit der Villa erbaut und 1938 zerstört. Die Beers emigrierten 1940 in die USA. Ihre behinderte Tochter Elisabeth wurde 1942 in Maly Trostinec ermordet. Frank war schon 1934 nach Schweden gegangen, Wlach musste 1938 flüchten.

Auch diese Aspekte werden in dem künftigen Hausmuseum zu thematisieren sein. Welche Richtung das neue Leben der Villa Beer nehmen wird, ist derzeit noch offen. An den Konzepten wird gearbeitet.