Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka
APA/Roland Schlager
Debatte über U-Ausschuss

Scharfe Kritik an 1933-Vergleich Sobotkas

Zwei historische Vergleiche von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) haben am Samstag einigen Staub aufgewirbelt. Er hatte in einer Gesprächsrunde zwischen der Debatte über die Führung des parlamentarischen U-Ausschusses und dem Jahr 1933 Parallelen gezogen. Die Situation in der Ukraine verglich er mit 1945. Die Opposition nannte Sobotka künftig untragbar. Er zog den Ukraine-Vergleich als „unpassend“ zurück.

Die umstrittenen Aussagen des Ersten Nationalratspräsidenten fielen am Freitag im „Club 3“, gemeinsames TV-Format von „profil“, „Kurier“ und „Kronen Zeitung“. Dort stellte er Forderungen, er solle doch den Vorsitz im U-Ausschuss zurücklegen, mit der Ausschaltung des Parlaments 1933 gleich. Kommende Woche beginnt der ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss.

„Es wird nicht möglich sein, mit permanenten Unterstellungen jemanden rauszukicken“, wehrte sich Sobotka abermals gegen Aufforderungen, er solle den U-Ausschuss abgeben, und weiter: „Dann könnte man auch die Zweite Präsidentin und den Dritten Präsidenten rauskicken. Und wer soll es dann machen? Das haben wir schon einmal gehabt: 1933.“

„Formal, der Sache nach“

Gegenüber dem „Kurier“, der den Vergleich „interessant“ nannte, relativierte Sobotka leicht: „Es ist in der Dimension natürlich nicht vergleichbar, aber formal der Sache nach. Man muss das ja auch im Gesamtzusammenhang sehen: (Ex-Bundeskanzler Sebastian, Anm.) Kurz muss weg, Klubobmann (August, Anm.) Wöginger muss ausgeliefert werden, Sobotka muss weg, die ÖVP muss weg. Da ist ja eine Geschichte dahinter.“

Die „Kronen Zeitung“ schrieb am Samstag von einem „bemerkenswerten historischen Vergleich“ eines ehemaligen Geschichtelehrers.

Österreich 1945 und die Ukraine heute

Im selben Gespräch fiel auch Sobotkas Aussage zur Ukraine. In diesem Kontext wurde der Erste Nationalratspräsident gefragt, ob Österreich aktuell bereit sei, Kriegsvertriebene aufzunehmen. Die Antwort: „Die Ukrainer müssen in der Ukraine bleiben und letztlich ihr Land verteidigen. Was wäre gewesen, wenn alle Österreicher nach 1945 geflohen wären?“

Das „profil“ dazu am Samstag: „Damit werden die Besatzungsmächte damals mit dem Aggressor Russland heute gleichgesetzt. Und Österreich wäre die überfallene Ukraine. Hmmm.“

Aussagen für SPÖ „eine Schande“

Sobotka habe sich zu Vergleichen hinreißen lassen, „die noch zu breiten Diskussionen führen könnten“, schrieb das „profil“ – „ein gebildeter Mensch, Historiker, Dirigent“, manchmal streitbar, manchmal brisant, „bisweilen gefährlich für ihn selbst“. Andere Reaktionen fielen weitaus schärfer aus.

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried zeigte sich über die „unerträglichen Geschichtsvergleiche" Sobotkas „fassungslos“. Wenn dieser „die Lage der Ukraine mit Österreich 1945 gleichsetzt – also den Angriffskrieg Russlands mit der Befreiung Österreichs vom NS-Regime –, dann ist das eine Schande“, so Leichtfried. Die Aussagen zur Ausschaltung des Parlaments 1933 seien wiederum ein weiterer Beleg dafür, „dass er für das Amt ungeeignet ist“.

„Völlig jenseitige Vergleiche“ und „nur mehr unfassbar“

Ähnlich scharf reagierte NEOS. „Das sind völlig jenseitige Vergleiche. Als Historiker weiß Präsident Sobotka das auch. Ich appelliere eindringlich an ihn, diese Aussagen umgehend zurückzuziehen und sich dafür zu entschuldigen“, so der stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak in einer Aussendung am Samstag.

Nach seinen „kruden historischen Vergleichen ist ÖVP-Nationalratspräsident Sobotka nun endgültig als U-Ausschuss-Vorsitzender untragbar“, erklärte der FPÖ-Fraktionsvorsitzende im Ausschuss, Christian Hafenecker, in einer Aussendung. Er müsse „im Interesse der Würde des Hohen Hauses den Vorsitz abgeben“, übernehmen solle die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures. Die beiden Vergleiche seien „einfach nur mehr unfassbar“.

Sobotka reagierte auf Kritik

Sobotka reagierte Samstagnachmittag auf die Kritik und bezeichnete seinen Ukraine-Vergleich mit Österreich 1945 als „unpassend“, wie sein Sprecher ausrichten ließ. Er habe lediglich zum Ausdruck bringen wollen, „dass es wichtig ist, in allererster Linie vor Ort den Menschen zu helfen und diese zu schützen“.

Auf das von ihm erwähnte Jahr 1945 ging er in der schriftlichen Stellungnahme nicht mehr ein, sondern betonte sein Engagement für das Projekt „Lächeln schenken – Verantwortung tragen“ für sozial benachteiligte Waisenkinder aus Russland und der Ukraine.

Aussagen zum U-Ausschuss präzisiert

Seine Aussagen zum U-Ausschuss präzisierte Sobotka hingegen. Er habe zum Ausdruck bringen wollen, „dass heutzutage immer stärker mit Vorverurteilungen gearbeitet wird, unabhängig von der tatsächlichen rechtlichen Grundlage“, so ein Sprecher des Nationalratspräsidenten gegenüber der APA. Die Geschäftsordnung des Nationalrates sehe Befangenheit für Abgeordnete – wie es auch die Präsidenten sind – nicht vor, da sie durch die Wahl legitimiert seien.

Die Keule der Befangenheit könnte so gegen jeden Vorsitzenden gerichtet werden, was zur Folge hätte, dass der U-Ausschuss nicht durchgeführt werden könnte. Der Vergleich mit dem Jahr 1933 habe sich daher ausschließlich auf die Rücktritte von Vorsitzenden und nicht auf das von der Polizei des Dollfuß-Regimes verhinderte Zusammentreffen des Nationalrates bezogen.