Demonstranten in Frankfurt mit einem Schild mit der Aufschrift „No SWIFT for Russia“
APA/AFP/Yann Schreiber
Sanktionen

SWIFT-Ausschluss Russlands rückt näher

Der Ausschluss Russlands aus dem Bankeninformationssystem SWIFT gilt als schärfste mögliche Sanktion des Westens im Rahmen der Reaktionen auf den Angriff auf die Ukraine. Nach anfänglichem Widerstand kann sich nun auch Deutschland eine „gezielte“ Einschränkung vorstellen.

Die deutsche Regierung arbeite „unter Hochdruck daran, wie die Kollateralschäden einer Abkopplung (Russlands) von SWIFT so eingegrenzt werden können, dass sie die Richtigen trifft", sagten Außenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck (beide Grüne) am Samstag. „Was wir brauchen, ist eine gezielte und funktionale Einschränkung von SWIFT.“

Litauens Regierungschefin Ingrida Simonyte zufolge zeichnet sich eine Einigung über den Ausschluss ab. „Nach dem, was ich vorsichtig höre, scheint es keine starken Einwände mehr zu geben“, sagte sie am Samstag. „Wir wollen, dass die Entscheidung so schnell wie möglich getroffen wird, aber ich kann kein bestimmtes Datum nennen“, sagte Simonyte.

Berlin warnte vor „Kollateralschäden“

Die EU hatte angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine weitreichende Sanktionen gegen Moskau verhängt. Von den Strafmaßnahmen betroffen sind unter anderen Kreml-Chef Wladimir Putin und sein Außenminister Sergej Lawrow persönlich. Auch russische Banken wurden sanktioniert.

Peter Fritz (ORF) zu Sanktionen des Westens

Peter Fritz (ORF) spricht über die Sanktionen gegen Russland. Ziel sei die Schwächung von Russlands Wirtschaft und die Einschränkung von Russlands Zugang zu Finanzmärkten. Zu einem der härtesten Mittel wurde noch nicht gegriffen – dem Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungsverkehrssystem SWIFT.

Uneinigkeit herrschte in der EU aber bis zuletzt hinsichtlich eines Ausschlusses Russlands aus dem internationalen SWIFT-System, wie er unter anderem vom ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenski gefordert wird. Als Bremser galt dabei insbesondere Deutschland, auch die Regierungen Italiens, Luxemburgs und Ungarns hatten sich zunächst zögerlich gezeigt.

Annalena Baerbock und Robert Habeck
picturedesk.com/Action Press
Ministerin Baerbock, Vizekanzler Habeck: „Was wir brauchen, ist eine gezielte und funktionale Einschränkung von SWIFT“

Deutschlands Außenministerin Baerbock hatte noch am Freitag vor „massiven Kollateralschäden“ durch einen SWIFT-Ausschluss Russlands gewarnt. Dabei verwies sie auch auf mögliche Energieengpässe. Baerbock hatte die Ablehnung Berlins auch damit begründet, dass ein SWIFT-Ausschluss Russlands eine „Breitenwirkung“ nach sich ziehen und auch die Bevölkerung treffen würde. Ziel sei es aber, die Verantwortlichen für das Blutvergießen in der Ukraine zu sanktionieren. Vor der Gefahr einer „Welthandelskrise“ durch einen SWIFT-Ausschluss warnte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn.

Selenski-Appell an Deutschland und Ungarn

Selenski erneuerte am Samstag seine Forderung, Russland vom SWIFT-System auszuschließen, und richtete sich dabei explizit an Deutschland und Ungarn. „Es gibt bereits fast die volle Unterstützung der EU-Länder, Russland von SWIFT abzukoppeln“, sagte Selenski in einer Videobotschaft. „Ich hoffe, dass Deutschland und Ungarn den Mut haben werden, diese Entscheidung zu unterstützen.“

Hart mit der deutschen Regierung ins Gericht ging am Samstag der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki. Er warf Deutschland „steinernen Egoismus“ vor, weil es sich nicht zu „wirklich erdrückenden“ Sanktionen gegen Russland entschließen könne. Neben einem SWIFT-Ausschluss Russlands forderte Morawiecki auch eine Stilllegung der Gaspipeline „Nord Stream 1“. Das umstrittene Projekt „Nord Stream 2“ hat die deutsche Bundesregierung bereits gestoppt.

Italien und Ungarn signalisieren Zustimmung

Frankreich zeigte sich am Samstag zuversichtlich, dass es in der EU bald eine Einigung auf den SWIFT-Ausschluss Russlands geben werde. „Es gibt keine Blockade, nur eine nützliche Debatte“, betonte der Elysee. Die EU-Kommission habe Kontakte zu anderen Ländern aufgenommen, die Gas liefern können, etwa zu Katar, den USA, Nigeria und Algerien.

Mario Draghi
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Italiens Premier Draghi will Russland-Sanktionen „vollständig“ unterstützen – das gelte auch für SWIFT

Auch Italien und Ungarn signalisierten, dass sie einen SWIFT-Ausschluss Russlands unterstützen würden. Italiens Ministerpräsident Mario Draghi versicherte nach Angaben seiner Regierung in einem Telefonat mit Selenski, dass Rom EU-Sanktionen „vollständig“ unterstützen werde. Das gelte auch für mögliche Sanktionen bezüglich SWIFT.

Ungarns Außenminister Peter Szijjarto wies den Vorwurf, sein Land habe sich gegen einen Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-System ausgesprochen, als „Fake News“ zurück. „Wir haben uns nie gegen einen Sanktionsvorschlag ausgesprochen, wir haben nichts blockiert“, versicherte er. Der britische Premier Boris Johnson bezeichnete einen Ausschluss Russlands aus SWIFT indes als dringend notwendig.

Sanktion bereits gegen Iran eingesetzt

Als Sanktionsmittel eingesetzt wurde SWIFT in der Vergangenheit gegen den Iran. Baerbock sagte am Freitag, dabei habe sich gezeigt, dass selbst humanitäre Zahlungen an das Land nicht mehr möglich seien. Strafmaßnahmen gegen Banken und Politik seien zielgenauer, zudem habe Putin bereits ein „Parallelsystem“ zu SWIFT geschaffen. Forderungen, Russland vom SWIFT-System auszuschließen, hatte es bereits nach der Krim-Annexion 2014 gegeben. Russland hat in den vergangenen Jahren eigene Finanzsysteme entwickelt, darunter die Systeme SPFS und Mir.

Die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication, kurz SWIFT, ist der Kommunikationskanal der internationalen Finanzwelt. 1973 gegründet, verbindet die Organisation mit Sitz in Belgien mehr als 11.000 Banken in über 200 Ländern weltweit. Die Organisation befindet sich im genossenschaftlichen Besitz der Banken und unterliegt dem EU-Recht.

Da es sich bei SWIFT um eine unabhängige Organisation handelt, können weder die USA noch die EU direkt einen Ausschluss Russlands erzwingen. Doch wo ein Wille ist, ist auch ein Weg: 2012 beschloss der US-Kongress finanzielle Sanktionen gegen Managerinnen und Manager der Organisation, sollten diese weiterhin Zahlungsverkehr mit iranischen Banken abwickeln. Die Regierungsspitzen der EU zogen nach.