Eingangsbereich der Börse in Moskau
Reuters/Maxim Shemetov
Furcht vor Absturz

Moskauer Aktienbörse bleibt zu

Die Moskauer Börse bleibt am Montag geschlossen. Angesichts der Lage werde der Handel ausgesetzt, teilte die russische Notenbank am späten Montagvormittag mit. Wann am Dienstag gehandelt werden soll, will die Notenbank nach eigenen Angaben am Dienstag entscheiden. Unterdessen verlor der Rubel wieder stark an Wert.

Die Furcht vor Kursabstürzen ist groß. Bei einer Wiedereröffnung dürfte es an der Moskauer Börse turbulent werden. Hintergrund sind die Wirtschaftssanktionen, die westliche Staaten gegen Russland nach dem Angriff auf die Ukraine verhängt haben. In der vergangenen Woche – also vor der Sanktionsverschärfung – fiel der russische RTS-Index um ein Drittel.

Der Ausverkauf russischer Aktienwerte geht allerdings im Ausland weiter. Die beiden in den USA börsennotierten Fonds (ETFs) von iShares und VanEck auf Werte aus diesem Land fielen vorbörslich um 15 beziehungsweise 20 Prozent. Mit Kapitalspritzen und Fremdwährungsgeschäften will die russische Zentralbank derweil russische Geldinstitute stützen.

Eingangsbereich der Börse in Moskau
Reuters/Maxim Shemetov
Die russische Zentralbank in Moskau

Kreml räumt neue „wirtschaftliche Realität“ ein

Das russische Präsidialamt räumte ein, dass die verschärften westlichen Sanktionen ihre Spuren hinterlassen. „Die wirtschaftliche Realität hat sich erheblich verändert“, sagte Sprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau vor Reportern. „Das sind schwere Sanktionen, sie sind problematisch. Aber Russland hat das Potenzial, den Schaden zu kompensieren.“

Russland habe schon lange Pläne in der Schublade, um auf alle möglichen Sanktionen antworten zu können. „Es gibt Reaktionspläne, sie wurden entwickelt und werden umgesetzt, sobald Probleme auftauchen“, sagte Peskow.

„Wir hatten keinen Grund, an der Effektivität und Zuverlässigkeit unserer Zentralbank zu zweifeln“, sagte Peskow. „Es gibt auch jetzt keinen Grund, daran zu zweifeln.“ Besonders das Einfrieren der Devisenreserven der Zentralbank durch westliche Länder zeigt offenbar Wirkung. Peskow sagte, die gegen Präsident Putin selbst erhobenen Sanktionen seien sinnlos. Putin sei das „ziemlich gleichgültig“, so Peskow. „Die Sanktionen enthalten absurde Behauptungen über einige Vermögenswerte.“

Sanktionen gegen russische Zentralbank in Kraft

Die Europäische Union hatte in der Nacht auf Montag ihre schwerwiegenden Sanktionen auch gegen die russische Zentralbank in Kraft gesetzt. Sie umfassen nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Verbot von Transaktionen mit der Nationalbank. Zudem werden alle Vermögenswerte der Bank in der EU eingefroren, um zu verhindern, dass damit der Krieg von Präsident Wladimir Putin gegen die Ukraine finanziert wird.

Auch die USA setzten am Montag ihre schwerwiegenden Sanktionen gegen die russische Zentralbank in Kraft. US-Bürgern, -Bürgerinnen und Institutionen sind Transaktionen mit der Zentralbank damit verboten, zudem kann die Notenbank damit weltweit keine Geschäfte in US-Dollar mehr durchführen, wie ein ranghoher Vertreter des Weißen Hauses am Montag sagte.

Auch russischer Staatsfonds betroffen

Zusammen mit den Sanktionen der Verbündeten sei der Großteil der russischen Devisenreserven im Wert von rund 630 Milliarden US-Dollar (rund 560 Mrd. Euro) nun de facto blockiert und könne von Russland nicht dafür genutzt werden, die wirtschaftlichen Folgen des Krieges aufzufangen, sagte er weiter.

Auch der russische Staatsfonds und das Finanzministerium würden mit Sanktionen belegt, sagte der Beamte. „Unsere Strategie ist es einfach ausgedrückt, dafür zu sorgen, dass die russische Wirtschaft sich zurückentwickelt – so lange, wie Präsident (Wladimir) Putin sich entscheidet, die Invasion in die Ukraine voranzutreiben“, hieß es weiter. Die Sanktionen gegen die Zentralbank seien die bedeutendste Strafmaßnahme der US-Regierung. Ausnahmen gebe es nur für bestimmte Transaktionen, die mit dem Öl- und Gasmarkt zusammenhingen, betonte der Beamte. „Kein Staat ist vor Sanktionen gefeit.“

Auch Schweiz schließt sich an

Auch die Schweiz schließt sich den Sanktionen der EU gegen Russland nach dem Einmarsch des Landes in die Ukraine an. Die Vermögen von gelisteten Personen und Unternehmen seien ab sofort gesperrt, erklärte die Regierung des neutralen Landes am Montag. Auch die Finanzsanktionen gegen Putin, Ministerpräsident Michail Mischustin und Außenminister Sergej Lawrow würden mit sofortiger Wirkung vollzogen. Damit reagiere die Schweiz auf die schwerwiegenden Verstöße gegen das Völkerrecht, für die diese Personen verantwortlich seien.

Mit Verweis auf die traditionelle Neutralität des Landes hatte die Schweizer Regierung bisher gezögert, scharfe Sanktionen gegen Russland zu ergreifen. Dieses Zögern war im In- und Ausland kritisiert worden.

Die Wirtschaftssanktionen treiben nach Einschätzung von US-Regierungsvertretern die Inflation in Russland in die Höhe. Sie dürften zudem Investitionen erschweren. Seit Ankündigung der Sanktionen am Samstag habe die russische Notenbank versucht, Hunderte Milliarden Dollar in Sicherheit zu bringen, hieß es. Nun dürfte es aber schwer für sie sein, Zugang zu dem Geld zu erhalten, sagten die Regierungsvertreter weiter.

Zinsen stark angehoben

Um dem russischen Finanzsystem angesichts der verschärften Wirtschaftssanktionen unter die Arme zu greifen, untersagte die russische Zentralbank Wertpapierhändlern, russische Wertpapiere im Besitz von Ausländern zu verkaufen, wie die Bank Montagfrüh mitteilte. Mit Kapitalspritzen und Fremdwährungsgeschäften sollen zudem heimische Geldinstitute gestützt werden.

Die russische Zentralbank hob auch die Zinsen drastisch um 10,5 Punkte auf 20 Prozent an. Höhere Zinsen könnten dabei helfen, den Kurs zu stabilisieren, und auch die Inflation bremsen, machen aber auch Kredite teurer – etwa für Investitionen. Heimische Unternehmen sollen zudem 80 Prozent ihrer Deviseneinnahmen verkaufen, verkündeten russische Zentralbank und Finanzministerium.

Bei russischen Staatsanleihen lösten die verschärften westlichen Sanktionen am Montagvormittag Panikverkäufe aus. So verloren die Papiere mit Laufzeiten bis 2024 und 2043 jeweils mehr als 50 Prozent an Wert. Im Gegenzug verdoppelten sich die Renditen auf 17,073 beziehungsweise 20,003 Prozent.

Borrell: Wird Finanzsystem Russlands erheblich treffen

Nach Angaben des EU-Chefdiplomaten Josep Borrell wird zusammen mit anderen G-7-Staaten rund die Hälfte der Finanzreserven der russischen Zentralbank eingefroren. „Dies wird das Finanzsystem Russlands erheblich treffen“, sagte Borrell am Sonntagabend. Konkret wird Russland laut Experten zum Beispiel nicht mehr seine hohen Devisenbestände nutzen können, um den Rubel zu stabilisieren. Die russische Währung ist bereits jetzt geschwächt, für die Menschen in Russland dürfte das weitere Härten bringen.

Der Rubel stürzte Montagvormittag weiter ab. Der Dollar stieg im Gegenzug um fast 42 Prozent auf ein Rekordhoch von 119 Rubel. Bereits am Sonntag hatten sich vor Bankautomaten in Russland Schlangen gebildet.

Dass nicht alle Reserven der russischen Zentralbank blockiert werden können, liegt laut Borrell daran, dass nicht alle in westlichen Staaten gehalten werden. „Wir können nicht die Reserven der russischen Bank blockieren, die in Moskau oder in China sind“, sagte er. Russland habe seine Reserven zuletzt mehr und mehr in Ländern geparkt, in denen sie nicht blockiert werden könnten.

BP will bei Rosneft aussteigen

Auch andere Aktienwerte beutelt es. Der geplante Ausstieg beim russischen Konzern Rosneft brachte BP den größten Kursrutsch seit drei Monaten ein. Die Aktien des Ölkonzerns fielen Montagfrüh in London um mehr als sieben Prozent auf ein Zweimonatstief von 351 Pence.

Wegen des Ukraine-Krieges will das Unternehmen seine knapp 20-prozentige Beteiligung an der russischen Firma abstoßen. „Das ist eine schmerzhafte Trennung für BP“, sagte Neil Wilson, Chefanalyst des Onlinebrokers Markets.com. Rosneft habe im vergangenen Jahr schließlich 21 Prozent zum Konzerngewinn beigetragen. Darüber hinaus drohen BP durch den Verkauf nach eigenen Aussagen Abschreibungen im Volumen von bis zu 25 Milliarden Dollar. Rosneft-Aktien hatten in den vergangenen Tagen zeitweise 70 Prozent ihres Wertes eingebüßt.