Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP)
APA/Georg Hochmuth
ÖVP-U-Ausschuss startet

Spannung vor Kanzlerbefragung

Der ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss beginnt mit den Befragungen. Und gleich der Start am Aschermittwoch verspricht spannend zu werden – als erste Auskunftsperson muss Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Er soll gleich zu Beginn beitragen zur „Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder“, wie der Ausschuss offiziell heißt.

Bei der Befragung Nehammers geht es aber nicht um seine derzeitige Funktion als ÖVP-Parteichef und Kanzler, sondern um seine Tätigkeit als Generalsekretär im letzten Wahlkampf und als Innenminister. Für die parlamentarische Untersuchung relevant ist der Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021. Untersuchungsgegenstand ist „das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe des Bundes (…)“.

Der Fokus des Interesses wird wohl in erster Linie auf Nehammers Wirken als ÖVP-Generalsekretär (Jänner 2018 bis Jänner 2020) liegen: Denn unter den ÖVP-Rechenschaftsbericht samt Wahlkampfkostenüberschreitung im Jahr 2019 setzte er seine Unterschrift. Die Abgeordneten im Ausschuss könnte außerdem interessieren, was Nehammer zum bereits stark im „Ibiza“-U-Ausschuss thematisierten „Projekt Ballhausplatz“ sagt.

Ist „staatlichen Interessen Schaden entstanden“?

Im ÖVP-U-Ausschuss soll ja zentral geklärt werden, „ob es ausgehend vom ‚Projekt Ballhausplatz‘ durch eine Gruppe von in Organen des Bundes tätigen, der ÖVP zuzuordnenden Personen zu Missbrauch von Organbefugnissen zum Zweck der Förderung der parteipolitischen Interessen der ÖVP gekommen und dadurch staatlichen Interessen möglicherweise ein Schaden entstanden ist“. In die Untersuchung eingeschlossen sind auch „diesbezügliche Vorbereitungshandlungen“.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geht davon aus, dass Ex-Kanzler Sebastian Kurz beginnend mit 2016 (in seiner Zeit als Außenminister) den Aufstieg an die ÖVP-Spitze, eine Nationalratsneuwahl und auf diesem Wege die Bundeskanzlerschaft geplant hatte, wobei ihn ein Kreis enger Vertrauter bei diesen Vorhaben unterstützt haben soll. Dazu wurden Strategien mit ebenjener Bezeichnung „Projekt Ballhausplatz“ entwickelt.

Fokus auch auf Zeit im Innenministerium

Auch wird bei Nehammers Befragung dessen Zeit als Innenminister nicht unbeleuchtet bleiben – von Jänner 2020 bis Dezember 2021 dauerte seine Amtszeit. Nachgefragt könnte hier zu Postenbesetzungen werden, die zu seiner Amtszeit vorgenommen wurden. Im Fokus könnte beispielsweise die Bestellung des ehemaligen „Soko Tape“-Leiters Andreas Holzer zum Leiter der Bundeskriminalamts Ende Dezember 2020 stehen. Holzer selbst steht auch auf der Ladungsliste.

Inseratencausa wird Fragen aufwerfen

Auch die Inseratencausa um die Meinungsforscherin Sabine Beinschab wird wohl Thema. Beinschab soll gemeinsam mit ihrer Kollegin Sophie Karmasin die Vereinbarung rund um die angeblich zugunsten der für Kurz und die ÖVP frisierten Umfragen mit umgesetzt und anschließend „Scheinrechnungen“ gelegt haben, die dem Finanzministerium „untergejubelt“ wurden.

Im Herbst war über Medienberichte die Frage aufgeworfen worden, ob die hinter der Affäre stehenden Hausdurchsuchungen vorab von Personen aus dem Innenministerium verraten worden sein könnten. Denn kurz vor der Razzia sollen umfangreich Daten gelöscht worden sein. In der Folge schoss sich die Opposition auf Nehammer, damals Innenminister, ein. Vom Ressort hieß es damals, es habe „keinerlei Informationsweitergabe“ gegeben – Fragen, die wohl auch den Ausschuss beschäftigen werden.

Im Unterschied zu den vielfach themenverwandten Vorgängern „Ibiza“- und BVT-U-Ausschuss wird sich der Fokus im ÖVP-U-Ausschuss weniger auf Personen richten, sondern auf die ÖVP als Struktur. Die Opposition bezichtigt die ÖVP der systemimmanenten Korruption. Die SPÖ legt ihren Schwerpunkt auf Postenbesetzungen in Unternehmen und Kabinetten. Die FPÖ fokussiert sich auf „schwarze Netzwerke“ im Innenministerium.

NEOS-Anfragen zu Postenbesetzungen in Ministerien

Und NEOS hat die Arbeit der Justizbehörden, Ermittlungen und nicht minder auch Postenbesetzungen im Visier – die Rede ist gar von „Postenkorruption“ –, die Partei brachte dazu im Vorfeld parlamentarische Anfragen zu vielen Postenbesetzungen in den Ministerien ein. In zwei Monaten sollten die Antworten eintreffen – dann ist der ÖVP-U-Ausschuss bereits in vollem Gange.

Wolfgang Sobotka (ÖVP) beim „Ibiza“-U-Ausschuss
ORF.at/Peter Pfeiffer
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wird – den Debatten im Vorfeld zum Trotz – auch dem ÖVP-U-Ausschuss vorsitzen

Schlagabtausch erwartet

Doch zurück in die Gegenwart: Mit einem durchaus härteren Schlagabtausch zwischen Kanzler und Abgeordneten kann gerechnet werden. Bereits am Wochenende gab es darauf möglicherweise einen Vorgeschmack, als Nehammer die Überschrift über dem ÖVP-U-Ausschuss als „entlarvend“ und „durchsichtig“ bezeichnete. Es gehe offenbar darum, „politische Arbeit zu vollziehen“ statt Aufklärungsarbeit. Damit stieß der Kanzler in dieselbe Richtung wie die Partei: Die ÖVP argumentiert, man dürfe sich im U-Ausschuss nicht nur auf die ÖVP begrenzen. Auch andere Parteien sollten Thema sein, so die Strategie.

Und wie verhalten sich die Grünen als Koalitionspartner der untersuchten Partei? Dieser Rolle seien sich bewusst, wie das Ausschussteam verlautbarte. Wohl in Richtung neuer ÖVP-Spitze hieß es, dass ein U-Ausschuss auch dazu da sei, „aus Fehlern zu lernen“. Doch vorher müsse „erst einmal alles auf den Tisch“ – auch für die Freunde des „kleinen, türkisen Machtzirkels“ würden Regeln gelten. Darum wolle man „aufklären“ und „Vertrauen in die Politik zurückgewinnen“.

Nach dem Kanzler ist am Mittwoch mit dem Unternehmer und ÖVP-Spender Alexander Schütz noch eine weitere Auskunftsperson geladen. Er war bereits im Finale des „Ibiza“-U-Ausschusses geladen, war aber wegen einer Auslandsreise nicht erschienen. Weil diese aber erst nach der zugestellten Ladung gebucht worden war, hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine Geldstrafe verhängt.

Schmid und Wolf müssen neu geladen werden

Eine Absage mit dem Hinweis auf einen Aufenthalt im Ausland kam hingegen vom ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, der durch seine Chats viele Ermittlungen ins Rollen gebracht hatte. Nicht ganz klar ist, ob Schmid überhaupt noch einen Wohnsitz in Österreich hat. Ist er ausschließlich im Ausland gemeldet, würde das auch künftige Ladungsversuche ins Leere laufen lassen. Schmid soll inzwischen in Amsterdam wohnen und im Start-up-Geschäft tätig sein.

Auch der Investor Siegfried Wolf hat für den Termin am Mittwoch abgesagt. Dabei wäre seine Personalie ebenso durchaus brisant: Bei ihm vermutet die WKStA einen verbotenen Deal mit einer Finanzbeamtin über einen Steuernachlass. Für ihn sowie für alle anderen, gegen die ermittelt wird, gilt die Unschuldsvermutung.

Mit manchen Ladungen verfolgt die Opposition allerdings ohnehin eine Strategie: Bei nachweislich unbegründeten Absagen kann Druck etwa über Beugestrafen ausgeübt werden. Entscheiden muss das aber das Gericht. Jedenfalls ist das der Grund, wieso speziell Schmid und Wolf gleich zu Beginn geladen wurden – um nämlich genügend Zeit für weitere Ladungen zu haben und gegebenenfalls in letzter Konsequenz eine Vorführung zu veranlassen.