Rohre einer Gas-Pipeline
Reuters/David W Cerny
EU-Energieminister

„Abhängigkeit von Russland beenden“

Angesichts des Ukraine-Konflikts sind am Montag die EU-Energieministerinnen und -Energieminister zu einem Krisentreffen in Brüssel zusammengekommen. Im Fokus stand die Debatte über die europäische Abhängigkeit von Russlands Energielieferungen und die damit verbundene Versorgungssicherheit. Neben Flüssiggas (LNG) setzt man die Hoffnung wohl vor allem in eine rasche Energiewende.

Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) sagte vor dem Treffen mit ihren Amtskollegen gegenüber ORF.at: „Wir sehen, was uns Abhängigkeit von fossilen Energien kostet, wie sie nicht nur dem Klima schadet, sondern uns verwundbar macht.“ Der einzige Weg laute nun „raus aus der Abhängigkeit von russischem Erdgas“ und hin zu Erneuerbaren Energien.

Dafür bedürfe es nun eines „raschen und ambitionierten“ Ausbaus. Aus derzeitiger Sicht sei in Österreich die Energieversorgung der Haushalte jedoch gesichert, der Gasfluss laufe noch wie gewohnt. Dennoch bereite man sich auf alle „Eventualitäten“ vor – auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene, so Gewessler.

Umweltministerin Leonore Gewessler
European Council Newsroom /Screenshot
„Erdgas zeigt gerade sein hässliches Gesicht, es ist nicht nur schlecht fürs Klima, es macht uns abhängig, es macht uns verwundbar“, so Gewessler

Auch Deutschland will seine Gasabhängigkeit reduzieren. Atom und Kohle sollen dennoch keine Alternativen darstellen, betonte Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) vorab: „Wir werden also andere Maßnahmen, nämlich die Diversifizierung von Gas und den Hochlauf von erneuerbaren Energien, als Strategie verfolgen.“

„Starke Kooperation“

Nach dem Treffen sprach Gewessler von „intensiven, aber guten Diskussionen“ sowie einem „Signal der Einigkeit und Stärke“. Man habe sich auf eine „starke Kooperation“ der Mitgliedsländer geeinigt.

Und: Bereits 2009 sah sich Europa mit einer Gaskrise konfrontiert. Im Zuge dessen habe man Flüssiggas-Netzwerke gebaut, die man nun nützen könne. Die EU-Kommission habe den Auftrag erteilt, die Koordination voranzutreiben, was die Diversifizierung weiterer Lieferländer betreffe. Hier führe die Kommission bereits seit Monaten Gespräche mit Anbietern wie den USA.

Einigkeit habe jedoch darin geherrscht, dass der Weg in eine sichere Energieversorgung in Europa im Ausbau der Erneuerbaren liege. Es gebe den Ruf von vielen Ländern, die Richtlinien zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und der Energieeffizienz schnell abzuschließen. Jedes Windrad und jede Fotovoltaikanlage sei ein Schritt in die Unabhängigkeit, so Gewessler. Habeck zufolge hätten auch viele osteuropäische Länder gesagt, man müsse unabhängig werden von Kohle und auch von Gas.

Energiekommissarin: Gasvorräte vorerst gesichert

Die Energiekommissarin Kadri Simson bekräftigte, dass die Energievorräte der EU auch bei einem Lieferstopp von russischem Gas zunächst gesichert seien. „Es ist unsere jetzige Einschätzung, dass die EU sicher durch diesen Winter kommen kann“, so Simson.

Gas fließe zurzeit noch von Osten nach Westen, gleichzeitig seien Importe von Flüssiggas (LNG) gestiegen, und die Wettervorhersage sei gut. EU-Länder verbrauchten weniger Gas aus ihren Speichern, die noch bei rund 30 Prozent stünden. Bis zuletzt deckte die EU nach Kommissionsangaben knapp ein Viertel ihres Energiebedarfs mit Gas, wovon 90 Prozent importiert werden. 40 Prozent der Importe stammten vom russischen Unternehmen Gasprom.

Gas Pipeline in Swobodny, Russland.
Reuters/Maxim Shemetov
40 Prozent der Gasimporte in die EU stammen aus Russland

Österreich stark abhängig

Auch Österreich ist stark von russischen Gaslieferungen abhängig, ungefähr 60 Prozent des hierzulande verbrauchten Erdgases stammen vom russischen Gasmonopolisten Gasprom, mit dem es auch langfristige Lieferverträge gibt. Zugleich hat Österreich auch eine besondere Bedeutung für die Weiterleitung des russischen Erdgases nach Mittel- und Westeuropa. Der niederösterreichische Gas-Hub Baumgarten gilt als eines der wichtigsten Verteilerzentren Europas.

Wichtigster Erdöllieferant für Österreich ist das – mit Russland verbündete – zentralasiatische Kasachstan, mit gut einem Drittel des gesamten Importvolumens. Aus Russland stammen „nur“ zehn Prozent des in Österreich verbrauchten Erdöls.

Einsatz von Ölreserven angedacht

Energiekommissarin Simson zufolge werde überlegt, einen Teil der Erdölreserven freizugeben. Auch Habeck sagte: „Wir überlegen, die nationalen Ölreserven in einer konzertierten Aktion zusammen mit den Amerikanern so einzusetzen, dass die Preise gedämpft werden, wenn sie weiter hochgehen.“ Mitgliedsstaaten hätten derzeit einen Ölvorrat für mindestens 90 Tage. Am Dienstag tage die Internationale Energieagentur. Dort werde weiter verhandelt.

Solar- und Windenergie mit Potenzial

Auch steht unter Experten und Expertinnen fest: Die erneuerbaren Energien müssten so schnell wie möglich ausgebaut werden – nicht zuletzt, um von fossilen Energien wegzukommen. Am schnellsten beschleunigen ließe sich der Zubau von Fotovoltaikanlagen. Bei Windanlagen bedürfe es indes oftmals längerer Genehmigungszeiten.

Gleichzeitig müssten aber auch die Energiespeicher stark ausgebaut werden sowie generell mehr Energie eingespart werden, so der Tenor. Kritiker und Kritikerinnen bemängeln hingegen, dass selbst ein starker Ausbau so schnell wohl nicht reichen werde, um den derzeitigen Energiebedarf zu decken. Die Energiekommissarin Simson rief wohl daher auch die Mitgliedsstaaten zu einer Reduzierung des Energiekonsums auf.

Photovoltaik-Anlage
Reuters/Yamam Al Shaar
Jede Fotovoltaikanlage und jedes Windrad sei ein Schritt in die Unabhängigkeit, so Gewessler

Verbindung von ukrainischem und europäischem Stromnetz

Auf der Agenda stand auch die Versorgungssicherheit der Ukraine: Zur Unterstützung des Landes soll das ukrainische Stromnetz mit dem europäischen verbunden werden. Bei dem Treffen der EU-Energieminister habe es eine breite Zustimmung für das Vorhaben gegeben, sagte Simson. Der Netzbetreiberverband ENTSO-E führe nun die nötigen Tests dafür aus, um etwa Sicherheitsbedenken für das europäische Netz auszuräumen.

Wenn die technischen Voraussetzungen erfüllt seien, könnten die Netzwerke laut Simson innerhalb von Tagen oder Wochen miteinander verbunden werden. Habeck begrüßte das Vorhaben: „Selbstverständlich unterstützen wir, dass die Ukraine schneller mit Europa ein gemeinsames Stromnetz bekommt.“ Allerdings müsse sichergestellt werden, dass das ukrainische Netz nach europäischen Standards sicher sei und robust gegen Cyberattacken.

Vergangene Woche hatte sich die Ukraine zusammen mit dem Nachbarland Moldawien vom russischen und belarussischen Stromnetz zunächst testweise abgekoppelt. Dieser Test war mit Blick auf eine spätere Ankopplung an Europa seit langer Zeit geplant. Die Abtrennung soll daher nun dauerhaft sein, wie das ukrainische Energieministerium am Wochenende ankündigte.