Eine Person beim bezahlen von Waren auf einem Markt.
Reuters/Alexey Malgavko
USA zu Sanktionen

Putins Wirtschaft soll sich ‚zurückentwickeln‘

Die Sanktionen gegen Russland sollen laut US-Angaben so lange fortgesetzt werden, bis der Krieg in der Ukraine endet. Die russische Wirtschaft solle sich zurückentwickeln, solange Kremlchef Wladimir Putin die Invasion vorantreibe, hieß es am Montag zu Sanktionsbeginn aus dem Weißen Haus. Laut Einschätzung von Ökonomen könnte die russische Wirtschaft bereits im zweiten Quartal um gute 20 Prozent einbrechen.

Zuvor waren die jüngsten EU-Sanktionen mit Montag in Kraft getreten. Die gemeinsamen Wirtschaftssanktionen treiben nach Einschätzung von US-Regierungsvertretern auch die Inflation in Russland in die Höhe. Sie dürften zudem Investitionen erschweren. Seit Ankündigung der Sanktionen am Samstag habe die russische Notenbank versucht, Hunderte Milliarden Dollar in Sicherheit zu bringen, hieß es. Nun dürfte es aber schwer für sie sein, Zugang zu dem Geld zu erhalten, sagten die Regierungsvertreter weiter.

Auch hofft man auf eine Rückentwicklung der russischen Wirtschaft als Werkzeug: „Unsere Strategie ist es einfach ausgedrückt, dafür zu sorgen, dass die russische Wirtschaft sich zurückentwickelt – so lange, wie Präsident (Wladimir) Putin sich entscheidet, die Invasion in die Ukraine voranzutreiben“, hieß es weiter. Die Sanktionen gegen die Zentralbank seien die bedeutendste Strafmaßnahme der US-Regierung. Ausnahmen gebe es nur für bestimmte Transaktionen, die mit dem Öl- und Gasmarkt zusammenhingen, betonte der Beamte. „Kein Staat ist vor Sanktionen gefeit.“

Russische Wirtschaft hart getroffen

Die EU hat das nächste Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet und schließt die Russen aus dem Bankennetzwerk SWIFT aus. Die Börse in Moskau blieb am Montag vorsorglich geschlossen, da es wohl deutliche Abstürze gegeben hätte.

JPMorgan: Einbruch um 20 Prozent im zweiten Quartal

Der russischen Wirtschaft steht laut Ökonomen wegen der westlichen Sanktionen infolge des Ukraine-Krieges ein Einbruch bevor. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte im zweiten Quartal um 20 Prozent fallen, geht aus einer am Montag veröffentlichten Analyse der US-Großbank JPMorgan hervor. Für das Gesamtjahr 2022 wird mit einem Minus von 3,5 Prozent gerechnet. Die Inflationsrate dürfte am Jahresende bei mindestens zehn Prozent liegen.

Eingangsbereich der Börse in Moskau
Reuters/Maxim Shemetov
Die russische Zentralbank in Moskau

In konjunkturell schwierigen Zeiten seien die hohen Devisenreserven der Zentralbank und der Überschuss in der Leistungsbilanz die beiden stützenden Säulen gewesen, so JPMorgan-Ökonom Jahangir Aziz. „Jetzt nicht mehr.“ Der Ökonom geht auch davon aus, dass das Wachstumspotenzial sinkt – von 1,75 auf etwa 1,0 Prozent. Die zunehmende politische und wirtschaftliche Isolation werde noch auf Jahre hinaus bremsen.

WIFO-Chef prognostiziert russische Finanzkrise

Die Sanktionen werden Russland schaden, ist auch WIFO-Chef Gabriel Felbermayr überzeugt. Für Russland seien seine Währungsreserven nun deutlich weniger nützlich, es drohe ein Run auf Russlands Banken mit einer ausgemachten Finanzkrise, sagte Felbermayr am Montag im Ö1-Morgenjournal.

Russland könne vermutlich eine ganze Weile ohne Deviseneinnahmen funktionieren, so der WIFO-Chef weiter. „So schnell wird Russland nicht zusammenbrechen, das ist klar.“ Aber die Kosten dieser Eskalation würden jetzt bei den Russen und Russinnen sehr viel deutlicher spürbar. „Und man kann hoffen – das ist ja auch das, was man mit den Sanktionen bezwecken will –, dass der Widerstand gegen diesen Krieg in Russland deutlich wächst.“

Commerzbank: Langfristig beträchtlicher Schaden

Der Ausschluss ausgewählter russischer Banken vom internationalen Zahlungsnetzwerk SWIFT und das Einfrieren der Devisenreserven der Zentralbank verschärfen auch der deutschen Commerzbank zufolge den wirtschaftlichen Schaden für Russland. „Russland wird nicht nur durch die Finanzsanktionen, sondern auch durch die am Freitag beschlossenen Exportbeschränkungen getroffen“, sagte Chefvolkswirt Jörg Krämer. Diese gelten unter anderem für Ausrüstungen von Ölraffinerien, Flugzeugteile und Halbleiter.

„Da die Beschränkungen auf Hightech-Exporte abzielen, dürften sie der Wirtschaft Russlands langfristig beträchtlich schaden, auch weil sie die ökonomische Entwicklung jenseits des Energiesektors behindern“, sagte Krämer. Bereits seit den westlichen Sanktionen als Reaktion auf die Krim-Annexion 2014 sei zu beobachten, dass die russische Wirtschaft gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf gegenüber der EU zurückfalle. „Das ist für Russlands militärische Fähigkeiten nicht irrelevant, weil militärische Macht zumindest in der langen Sicht einer starken wirtschaftlichen Basis bedarf“, sagte der Ökonom.

Der russische Präsident Vladimir Putin bei einem Meeting anlässlich wirtschaftlicher Probleme.
Reuters/Sputnik
Kreml-Chef Wladimir Putin bei einer Besprechung angesichts der wirtschaftlichen Probleme am Montag

Kreml räumt neue „wirtschaftliche Realität“ ein

Das russische Präsidialamt räumte indes am Montag bereits ein, dass die verschärften westlichen Sanktionen ihre Spuren hinterlassen. „Die wirtschaftliche Realität hat sich erheblich verändert“, sagte Sprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau vor Reportern. „Das sind schwere Sanktionen, sie sind problematisch. Aber Russland hat das Potenzial, den Schaden zu kompensieren.“

Russland habe schon lange Pläne in der Schublade, um auf alle möglichen Sanktionen antworten zu können. „Es gibt Reaktionspläne, sie wurden entwickelt und werden umgesetzt, sobald Probleme auftauchen“, sagte Peskow, ohne diese Pläne allerdings bereits vorzustellen.

„Wir hatten keinen Grund, an der Effektivität und Zuverlässigkeit unserer Zentralbank zu zweifeln“, sagte Peskow. „Es gibt auch jetzt keinen Grund, daran zu zweifeln.“ Besonders das Einfrieren der Devisenreserven der Zentralbank durch westliche Länder zeigt offenbar Wirkung. Peskow sagte, die gegen Präsident Putin selbst erhobenen Sanktionen seien sinnlos. Putin sei das „ziemlich gleichgültig“, so Peskow. „Die Sanktionen enthalten absurde Behauptungen über einige Vermögenswerte.“

Moskau setzt auf SWIFT-Alternative

Nach dem Abkoppeln russischer Banken vom internationalen Zahlungssystem SWIFT bietet die Notenbank in Moskau eine interne Alternative an. Zentralbankchef Elvira Nabiullina sagte am Montag, mit diesem System könnten sich auch ausländische Gegenparteien verbinden. Diese Finanzinstitute können ihre Verbindlichkeiten gegenüber vielen ausländischen Gläubigern damit nicht mehr über dieses System begleichen. Laut Nabiullina werden alle Banken ihren Verbindlichkeiten nachkommen. Alle Gelder auf den Konten seien sicher.

Zugleich betonte sie, die Notenbank habe am Montag nicht auf dem Devisenmarkt interveniert. Wer Dollar und Euro zur Stützung des trudelnden Rubels auf den Markt geworfen hat, ließ sie offen. „Die äußeren Bedingungen für die russische Wirtschaft haben sich drastisch verändert“, betonte die Notenbank. Heimische Unternehmen sollen zudem 80 Prozent ihrer Deviseneinnahmen verkaufen, verkündeten Zentralbank und Finanzministerium. Auch das ein Versuch, den Rubel zu stabilisieren.

Sanktionen gegen russische Zentralbank in Kraft

Die Europäische Union hatte in der Nacht auf Montag ihre schwerwiegenden Sanktionen auch gegen die russische Zentralbank in Kraft gesetzt. Sie umfassen nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Verbot von Transaktionen mit der Nationalbank. Zudem werden alle Vermögenswerte der Bank in der EU eingefroren, um zu verhindern, dass damit der Krieg von Russland gegen die Ukraine finanziert wird.

Auch die USA setzten am Montag ihre schwerwiegenden Sanktionen gegen die russische Zentralbank in Kraft. US-Bürgern, -Bürgerinnen und -Institutionen sind Transaktionen mit der Zentralbank damit verboten, zudem kann die Notenbank damit weltweit keine Geschäfte in US-Dollar mehr durchführen, wie ein ranghoher Vertreter des Weißen Hauses am Montag sagte.

Zusammen mit den Sanktionen der Verbündeten sei der Großteil der russischen Devisenreserven im Wert von rund 630 Milliarden US-Dollar (rund 560 Mrd. Euro) nun de facto blockiert und könne von Russland nicht dafür genutzt werden, die wirtschaftlichen Folgen des Krieges aufzufangen, sagte er weiter. Auch der russische Staatsfonds und das Finanzministerium würden mit Sanktionen belegt, sagte der Beamte.

Auch Schweiz schließt sich an

Auch die Schweiz schloss sich am Montag den Sanktionen der EU gegen Russland nach dem Einmarsch des Landes in die Ukraine an. Die Vermögen von gelisteten Personen und Unternehmen seien ab sofort gesperrt, erklärte die Regierung des neutralen Landes am Montag. Auch die Finanzsanktionen gegen Putin, Ministerpräsident Michail Mischustin und Außenminister Sergej Lawrow würden mit sofortiger Wirkung vollzogen. Damit reagiere die Schweiz auf die schwerwiegenden Verstöße gegen das Völkerrecht, für die diese Personen verantwortlich seien.

Mit Verweis auf die traditionelle Neutralität des Landes hatte die Schweizer Regierung bisher gezögert, scharfe Sanktionen gegen Russland zu ergreifen. Dieses Zögern war im In- und Ausland kritisiert worden.