Russischer Präsident Wladimir Putin und der damalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in Sessellift in St. Anton am Arlberg, 2001
APA/Robert Jäger
Lukoil-Posten

Druck auf Schüssel wächst

Ob Skiausflüge in Tirol oder Hochzeitsfeste in der Steiermark – Russlands Präsident Wladimir Putin konnte sich oft auf die Gastfreundschaft so mancher österreichischer Politikerinnen und Politiker verlassen. Insbesondere seit dem Ukraine-Konflikt stehen diese Verbindungen in der Kritik. Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hält indes an seinem Posten bei dem russischen Ölkonzern Lukoil fest – obwohl die Kritik immer lauter wird.

Während der ehemalige SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern nach einigem Hin und Her sein Mandat in der russischen Staatsbahn am 24. Februar schließlich offiziell niederlegte, hält Ex-ÖVP-Bundeskanzler Schüssel nach wie vor an seinem Aufsichtsrat-Posten im russischen Ölkonzern Lukoil fest.

Lukoil sei kein staatlicher Konzern, sondern an der Londoner Börse notiert, begründete seine Sprecherin Heidi Glück diesen Schritt vergangene Woche auf Anfrage der ZIB. Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) schloss sich diesem Standpunkt am Wochenende an.

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) wollte sich in die Debatte nicht einmischen. Bei einer Pressekonferenz am Dienstag, bei der die Solidarität Tirols mit der Ukraine bekundet wurde, meinte er auf Nachfrage, dass dieses Thema „in Wien mit der Bundesregierung zu besprechen“ sei. Platter war einst Verteidigungsminister in der Bundesregierung Schüssel II.

Rüge von Busek

Erhard Busek verurteilte hingegen das Verhalten seines Nachfolgers als ÖVP-Chef scharf und forderte Schüssel – laut Aussendung in einem oe24.TV-Interview – am Dienstag auf, sich endlich aus dem Lukoil-Konzern zurückzuziehen. „Ich kann ihn nur bitten, konsequenter zu werden, wenn er sein Bild nicht völlig beschädigen will“, meinte er, und stellte fest: „Das, was er jetzt aufführt, ist seiner nicht würdig.“

Nicht nachvollziehbar ist für Busek Schüssels „Argumentation“, dass Lukoil „eine Privatfirma“ sei. In einem Krieg sei „eine Firma, die mit Energie handelt, nie eine Privatfirma. Und Wolfgang Schüssel ist sehr intelligent. Dass er uns für so blöd hält, das zu glauben, ist eine bittere Sache“.

SPÖ und NEOS erhöhen Druck

Die SPÖ forderte am Dienstag erneut Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf, „mit Schüssel Klartext“ zu reden, um ihn „von einem Verzicht des Aufsichtsratspostens" zu überzeugen“, wie Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch erklärte. Es gehe um die „Reputation Österreichs“.

NEOS bezeichnete Schüssel wegen seiner Haltung zu Lukoil als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen (ÖGAVN) als „untragbar“. Angesichts des Angriffskrieges in der Ukraine und den von Österreich mitgetragenen EU-Sanktionen sei es widersprüchlich, so NEOS-Außenpolitik-Sprecher Helmut Brandstätter in einem Statement gegenüber der APA.

Banner an der in Bau befindlichen Zentrale des russischen Ölkonzerns Lukoil in Wien
APA/Roland Schlager
Im März vergangenen Jahres begannen die Bauarbeiten an der Revitalisierung des historischen Bestandsgebäudes am Schwarzenbergplatz 13, das künftig die neue Firmenzentrale von Lukoil in Österreich werden soll

Russland-Verbindungen quer durch die Parteien

Schüssel ist nicht der einzige Ex-Politiker, der bei russischen Konzernen angeheuert hat: Nach seiner Zeit als Politiker war auch der ehemalige SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer in einem Kreml-nahen Thinktank engagiert. Das „Dialogue of Civilizations Research Institute“ war vom früheren Präsidenten der russischen Eisenbahnen und engen Vertrauten Putins, Wladimir Jakunin, gegründet worden. Gegenüber der ZIB2 betonte Gusenbauer vergangene Woche jedoch, dass er dort nicht mehr tätig sei.

Der ehemalige ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling beriet schon kurz nach seiner Ministerzeit wiederum für einige Monate den russischen Gaskonzern Gasprom beim Ostseepipeline-Projekt „Nord Stream 2“, an dem auch die OMV beteiligt ist. „Seither gibt es kein Engagement in Russland, in welcher Form auch immer“, betonte der Ex-Minister jedoch vergangene Woche gegenüber dem „Standard“.

Beste Verbindungen unterhielt eine Zeit lang auch die FPÖ nach Moskau: 2016 unterzeichnete die Partei unter Heinz-Christian Strache mit der Putin-Partei Geeintes Russland eine „Vereinbarung über Zusammenwirken und Kooperation“ in Moskau. Der Vertrag lief jedoch im Dezember des Vorjahres aus und wurde nicht verlängert. FPÖ-Obmann Herbert Kickl bezeichnete das Abkommen im ORF-Interview als „totes Papier“.

FPÖ-Delegation mit Vertretern der Partei „Einiges Russland“ in Moskau 2016
APA/FPÖ Linz
2016 unterzeichnete die FPÖ einen Vertrag mit der Kreml-Partei Geeintes Russland. Ziel des Vertrags war unter anderem die „Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus und Arbeitsfreude“.

Scherzen mit Putin

Aber auch andere heimische Politik- und Wirtschaftsvertreter hatten guten Kontakt zu Putin. Nur wenige Monate, nachdem Russland die ukrainische Halbinsel Krim offiziell annektiert hatte, wurde Putin in Österreich empfangen – und war während eines öffentlichen Auftritts sogar zu Scherzen aufgelegt.

Als der damalige Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl ihn in seiner Rede willkommen hieß und erwähnte, ihn bereits zum dritten Mal in dieser Funktion zu empfangen, bemerkte Putin auf Deutsch: „Diktatur. Aber gute Diktatur!“ Der Saal lachte. Auch der neben ihm sitzende, ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer – der erste Staatschef, den Putin nach der Annexion offiziell besuchte.

Russlands Präsident Wladimir Putin und damaliger WKÖ-Präsident Christoph Leitl 2014
APA/Herbert Neubauer
Bei dem Empfang in der Wirtschaftskammer 2014 war Putin zu Scherzen aufgelegt

Österreicher oftmals gegen Sanktionen

Grund für Putins gute Laune könnte Österreichs Position in puncto Sanktionen gewesen sein: Die EU hatte diese nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 verhängt, einige österreichische Politiker plädierten wiederholt für deren Ende.

Auch am 14. Februar 2022, kurz vor Russlands Invasion in die Ukraine, sprach sich Leitl noch gegen Sanktionen gegenüber Russland aus. „Im Sinne einer europäischen Solidarität bleibt uns gar nichts anderes übrig, als nicht auszuscheren“, sagte er zwar im ORF-Interview.

Überzeugt von Sanktionen sei er aber „überhaupt nicht“, denn diese hätten nie etwas bewirkt, so Leitl, heute Kovorsitzender im Sotschi-Dialog, einem österreichisch-russischen zivilgesellschaftlichen Forum zur Stärkung der bilateralen Beziehungen. Die gemeinsame Erklärung über den Sotschi-Dialog wurde 2019 von der damaligen Außenministerin Karin Kneissl und dem russischen Außenminister Sergej Lawrow in Moskau unterzeichnet.

Kneissl-Knicks ging durch die Medien

Ex-Bundespräsident Heinz Fischer war es auch, der vier Jahre nach dem Wirtschaftskammer-Empfang die Hochzeitseinladung Kneissls an Putin verteidigte. „Ich werde einer Außenministerin des Jahres 2018 keinen Vorwurf machen, wenn sie sich um gute Beziehungen zu Russland bemüht“, sagte Fischer im Gespräch mit der Tageszeitung „Die Presse“.

Der Tanz zwischen Putin und Kneissl, der mit einem Knicks der von der FPÖ-nominierten Außenministerin endete, ging damals international durch die Medien und wurde von Beobachtern als Beleg für die Russland-Nähe der türkis-blauen Bundesregierung gesehen. Heute sitzt Kneissl im Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft und ist gern gesehener Gast im russischen Staatsfernsehen. Österreichischen Medien gegenüber wollte sie sich dazu bisher nicht äußern.

Damalige Außenministerin Karin Kneissl macht einen Knicks vor russischem Präsidenten Wladimir Putin, 2018
APA/Roland Schlager
Der Knicks der damaligen Außenministerin Karin Kneissl vor Russlands Präsident Wladimir Putin ging 2018 durch die Medien

Schröders Mitarbeiter ziehen Konsequenzen

Auch der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) engagiert sich nach wie vor als Aufsichtsratschef bei Rosneft sowie bei den Pipeline-Projekten „Nord Stream“ und „Nord Stream 2“. Am vergangenen Donnerstag hatte er die Regierung in Moskau im Onlinenetzwerk LinkedIn zwar aufgefordert, den Krieg in der Ukraine schnellstmöglich zu beenden. Von persönlichen Konsequenzen war aber nicht die Rede.

Nun ziehen seine Mitarbeiter offenbar Konsequenzen: Nach mehr als 20 Jahren kehre sein langjähriger Büroleiter und Redenschreiber Albrecht Funk Schröder den Rücken, berichteten das Nachrichtenportal „The Pioneer“ und die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“. Auch drei weitere Mitarbeiter gäben ihren Posten auf.

Mit dem Abschied der vier Mitarbeiter wäre das Büro des Altkanzlers verwaist, von Schröder und seinem Büro war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Steyr-Eigentümer Wolf zieht sich von Sberbank zurück

Auch in Österreichs Wirtschaft gab es bis vor Kurzem noch prominente Verbindungen nach Russland. Steyr-Automotive-Eigentümer und Investor Siegfried Wolf war laut Firmenbuch seit 2012 Aufsichtsratsvorsitzender der Europatochter der Sberbank.

Am Montag wurde bekannt, dass sich Wolf mit Auslaufen der Funktionsperiode am 22. März als Aufsichtsratsvorsitzender der schwer in Bedrängnis geratenen Sberbank Europe AG mit Sitz in Wien zurückziehen wolle. Über seine Absicht, sein Aufsichtsratsmandat zurückzulegen, habe er die Europäische Zentralbank (EZB) bereits vor Wochen informiert, teilte Wolf-Sprecher Josef Kalina auf APA-Anfrage mit.

Russland großer Investor in Österreich

In Russland sind rund 650 österreichische Unternehmen mit Investitionen von rund 4,6 Milliarden Euro aktiv, umgekehrt sind rund 500 russische Firmen in Österreich mit rund 21,4 Milliarden Euro tätig.

Russland ist nach Deutschland der größte Investor hierzulande. Österreichische Firmen investieren in Russland besonders stark in den Bereichen der Holz- und Papierverarbeitung, Banken und Bauwesen sowie der lebensmittelverarbeitenden Industrie, aber auch in den Bereichen Energie, Verpackung und Autos.