Filmszene aus „Batman“
Warner Bros./Jonathan Olley
„The Batman“

Melancholische Fledermaus im 90er-Look

Da fliegt er wieder: „The Batman“ ist die jüngste Reinkarnation des geflügelten Rächers aus dem Comicuniversum von DC, der eine Mordserie lösen muss. Der Neo-Noir mit Neunzigerjahre-Anspielungen setzt auf viel Melancholie und Robert Pattinson in der Titelrolle.

Das erste Filmbild ist der Blick durch ein Fernglas, durch das jemand voyeuristisch durch ein Fenster nach drinnen lugt: Ein Mann spielt da mit einem Buben, der als roter Ninja verkleidet ist. Es ist der 31. Oktober, Halloween. Ein Vater, ein Sohn, eine liebevolle Umarmung – womöglich schaut der Voyeur neidvoll auf die Zärtlichkeit? Der Sohn wird gleich ein Waisenkind sein, und der Mord, der geschieht, ist nur der erste einer langen Serie, die Gotham City in den darauffolgenden Tagen terrorisieren wird.

Die Polizei, die kurz darauf am Tatort herumsteht, allen voran Detective Jim Gordon (gespielt von Jeffrey Wright), ist fassungslos: Der Tote ist Bürgermeister Mitchell. Auf seinem mit Klebeband eingewickelten Kopf ist „Keine Lügen mehr“ gekritzelt, und in seinem Blut liegt eine Grußkarte mit einem Rätsel, adressiert an Batman. Absender ist der Riddler, der damit begonnen hat, sich durch die korrupte Politelite von Gotham zu morden. Für seinen eigenen Nervenkitzel hinterlässt er an allen Tatorten kleine Botschaften an Batman.

Tief im Bauch der Stadt

Um die Rätsel zu lösen, muss Batman sich tief in die dreckigen Eingeweide der Stadt wühlen, in geheime Untergrund-Clubs, in denen Politiker, Staatsanwälte und Polizeichefs mit der Mafia klüngeln. Er findet dabei eine Verbündete namens Selina Kyle alias Catwoman (Zoe Kravitz), die auf einem sehr persönlichen Rachefeldzug ist. Zugleich erwarten ihn Verbrecher wie Carmine Falcone (John Torturro) und der Pinguin (Colin Farrell). Ein enger Vertrauter geht verloren, und Batman muss mehr über seine eigene Vergangenheit lernen, als ihm lieb ist, bevor er schließlich seine Stadt vor dem Untergang retten wird.

Filmszene aus „Batman“
Warner Bros./Jonathan Olley
Ohne Maske, ohne Panzer: Bruce Wayne (Robert Pattinson) ist ein melancholischer Batman.

„The Batman“ unter der Regie von Matt Reeves („Planet der Affen: Revolution“), nach der Geschichte „The Long Halloween“ und mit Robert Pattinson in der Titelrolle ist die jüngste Reinkarnation des philantropischen Playboys und Milliardärs Bruce Wayne, der nachts ein Doppelleben als Rächer im Fledermauskostüm führt. Seit Bob Kane und Bill Finger Batman 1939 als Comicfigur erfunden haben, hat es unzählige Zeichentrickfilme, Spielfilme, Serien, Manga und Comicbücher gegeben.

Den größten popkulturellen Eindruck auf das inzwischen ausufernde Genre der Comicverfilmung hatte bekanntermaßen Chris Nolans Batman-Neuerfindung ab 2005 mit seiner „The Dark Knight“-Trilogie mit „Batman Begins“, „The Dark Knight“ und „The Dark Knight Rises“. Das erste Mal ging da ein Regisseur eine Comicverfilmung dieser Größenordnung als ernsthaftes Drama an. Und um ersten Mal war es kein Kinder- oder Teenagerpublikum mehr, das sich angesprochen fühlen durfte.

Prestigekino für Ex-Kinder

Stattdessen gingen erwachsen gewordene Kinder nun im Bewusstsein ins Kino, dass ihre Helden und Antihelden nun endlich für voll genommen wurden, als zeitgemäße mythologische Figuren, deren Abenteuer von Einsamkeit, Obsession und Machtbesessenheit erzählten. Nach Nolans Filmen gab es vor allem im DC-Universum für Comichelden kein Zurück zur Leichtfüßigkeit mehr, Comics waren zu Prestigestoffen geworden.

Auch Zack Snyders umstrittene „Justice League“ (2017 und 2021) versuchte sich als düsteres Epos, und Todd Philipps „Joker“ über Batmans berüchtigten Widersacher war überhaupt ein von Martin Scorsese inspiriertes exemplarisches Porträt toxischer Männlichkeit, das sein Vorbild „Taxi Driver“ nicht verhehlte. Von dieser Vorgeschichte kann sich auch der neue „Batman“ nicht befreien. Pattinsons Bruce Wayne ist ein verletzter Mann, ein erwachsen gewordenes Waisenkind.

In der ersten Einstellung, in der er ohne Maske zu sehen ist, trägt Pattinson ein übergroßes dunkles T-Shirt und hat strähniges Haar, wie ein zu groß geratener Teenager mit Liebeskummer. Als dann auf der Tonspur Nirvanas „Something in the Way“ einsetzt, lässt sich, zumindest für Zeitgenossinnen und Zeitgenossen von damals, die Nostalgie nur schwer verdrängen – nach einer Zeit vor 30 Jahren, in der die Verkommenheit der Welt zwar kaum zu übersehen war, es aber zugleich Grund zur Hoffnung gab.

Schmalschultrige Protagonisten

Nicht nur Batman wirkt, sobald er die Maske ablegt, schmalschultrig und liebesbedürftig. Selbiges gilt für den Riddler, der die längste Zeit nur im tarngrünen Gummifetischoutfit mit Stasi-Charme auftaucht. Paul Dano spielt ihn als verschwitzten Fanatiker mit ängstlichen Augen, einen prototypischen „Incel“ (Kurzform von „involuntary celibatary“, also unfreiwillig Zölibatärer). Durch psychische Manipulation und seine Morde verschafft sich dieser Macht, die er später ausbaut, indem er eine Troll-Armee von Männern ohne Hoffnung im Onlineforum rekrutiert.

Filmszene aus „Batman“
Warner Bros./Jonathan Olley
The Cat and the Bat: So wirklich ebenbürtig sind sich Selina (Zoe Kravitz) und Bruce (Pattinson) auch diesmal nicht

Die Neunzigerjahre sind nicht nur musikalisch präsent. Die Mordserie und ihre begleitenden Rätsel wirken außerdem, als sei David Finchers Neo-Noir „Se7en“ aus 1995 Modell gestanden, und vielleicht auch die melancholische Comicverfilmung „The Crow“ (1994) mit ihrem Mascara-verschmierten dunklen Helden. Bruce Waynes Butler Alfred, weniger Ersatzvater als in anderen Filmen, wird hier von Andy Serkis („King Kong“) gespielt, eine kleine Verbeugung vor dem Monsterfilmgenre.

Mieze mit Tiefgang

Die Chemie mit Kravitz’ Catwoman ist reizvoll kompliziert. Sie ist nicht als verspielte Mieze angelegt, sondern als Catlady mit eigener Geschichte, eigener Agenda und einem Haushalt voller Streunerkatzen. Dass sie dennoch immer nur so lange selbstständig ist, bis Batman in der Nähe ist, und dass sie – wie so viele Leinwandfrauen vor ihr – den unglücklichen Mann zuerst und dann sich selbst retten will, ist zwar im Einklang mit dem Film-Noir-Tonfall, aber letztlich doch enttäuschend.

Groß sind dafür die Actionszenen, klaustrophobisch inszenierte Verfolgungsjagden mit Batmobil oder Motorrad, Wingsuit-Stunts, ehe alles in einem spektakulären Finale in einer moralisch und buchstäblich auseinanderbrechenden Umgebung mündet. Reeves „The Batman“ ist dennoch nicht bombastisch, sondern ein melancholischer Comic-Noir, eine Detektivgeschichte, die vom moralischen Erwachen eines Mannes erzählt. Die fast drei Stunden Laufzeit fühlen sich überraschend kurz an.