Bundeskanzler Karl Nehammer
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Kanzler im ÖVP-U-Ausschuss

„In Projekt Ballhausplatz nicht involviert“

Der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss hat begonnen – zum mit Spannung erwarteten Auftakt wird Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) befragt. Erörtert werden die Handlungen der ÖVP in einer Zeit von fast vier Jahren beginnend mit Ende 2017 – mit Fokus auf mutmaßlicher Korruption. Der türkise Wahlkampf unter der Ägide von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Fragen zur Vergabepraxis von Posten im Innenministerium prägen die Befragung. In das „Projekt Ballhausplatz“ sei er „nicht involviert gewesen“, so Nehammer.

Zur Orientierung: Nicht in seiner Rolle als nunmehriger Kanzler und ÖVP-Chef wird Nehammer befragt, sondern zu seiner Zeit als ÖVP-Generalsekretär (Jänner 2018 bis Jänner 2020) und Innenminister (Jänner 2020 bis Dezember 2021). Untersuchungsgegenstand ist „das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe des Bundes (…)“.

Nehammer verwies in seinem Eingangsstatement zuerst auf die Lage in der Ukraine. Er dankte für die Zusammenarbeit, es gebe da keine Parteigrenzen. Doch man müsse auch bei innenpolitischen Fragen im Umgang miteinander den Respekt zu finden, so Nehammer. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl schwenkte bei seiner Erstbefragung freilich auf die Untersuchungsthemen und fragte gleich eingangs mehrere Themenbereiche ab.

Bundeskanzler Karl Nehammer
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Nehammer bei seinem Gang in das U-Ausschuss-Lokal

Eingangs etwa zum „Projekt Ballhausplatz“: Es wisse darüber, „was aus den Medien bekannt“ sei – er sei „nicht involviert gewesen“, gab Nehammer an. Auch die Stabsstelle „Think Austria“ wurde von Pöschl thematisiert, es habe sich um einen „Thinktank“ gehandelt, so Nehammer, den er bei seiner Kanzlerwerdung übernommen habe. Mittlerweile habe er ihn aber aufgelöst, so Nehammer.

Fokus auf Vorgänge im Verfassungsschutz

Auch die Reform des Staatsschutzes (ehemals BVT) war Thema – Nehammer beschrieb einen „Vertrauensverlust“, weswegen die Reform nötig gewesen sei. Zur Bestellung des Chefs des neuen Verfassungsschutzes DSN, Omar Haijawi-Pirchner, verwies Nehammer auf das aufwendige Personalauswahlverfahren. Haijawi-Pirchner sei als Bester aus der Ausschreibung hervorgegangen. Hintergrund der Frage: Gemäß der Ansicht der Opposition hat Haijawi-Pirchner ein Naheverhältnis zur ÖVP.

Nehammer sagte, Vertrauen sei verloren gegangen – das habe behoben werden müssen. Vonseiten der ÖVP thematisiert wurde eine Gruppe, die innerhalb des Verfassungsschutzes formiert haben soll und mutmaßlich Leaks aus dem Verfassungsschutz zu Parteien und in das Ausland gelegt haben soll. Das war freilich eine Auflage für Nehammer: Eben aufgrund solcher Vorgänge sei eine Reform unabdingbar gewesen, undichte Stellen im Verfassungsschutz seien höchst gefährlich, so der Tenor.

Ringen um Fragen zur Causa Wolf

SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer fragte zur Causa um einen mutmaßlichen Steuernachlass für den Investor Siegfried Wolf: Krainer wollte wissen, ob Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ihm, Nehammer, berichtet habe.

Kai Jan Krainer (SPÖ)
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Das Match Krainer gegen Sobotka verlief in gewohnter Weise relativ intensiv

Nach längerer Debatte und dem anfänglichen Hinweis des Vorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP), dass Fragen nicht zugelassen seien, weil nicht vom Untersuchungszeitraum umfasst, wurden die Fragen nach längerem Hin und Her doch zugelassen. Es ging um die Frage, was Nehammer wann und in welcher Funktion wahrgenommen habe und welche Schritte er dann als Kanzler gesetzt habe. „Erinnern Sie sich, dass er Ihnen berichtet hat?“, so Krainer. „Es kann sein“, so Nehammer.

Ringen auch um Frage zu Inseraten-Causa

Auch die Inseraten-Causa um die Meinungsforscher Sabine Beinschab brachte die SPÖ freilich auf – und die Erörterung dauerte. Krainer fragte zu Umfragen – und wer dafür in der ÖVP zuständig sei. Die Folge war freilich eine Kaskade an Beiträgen zur Geschäftsordnungsdebatte – die ÖVP bemühte sich, darauf hinzuweisen, dass es in U-Ausschüssen nicht um die Kontrolle von Parteien, sondern um die Vollziehung des Bundes gehe. Sobotka, die ÖVP-Fraktion und auch der Verfahrensrichter rieten Krainer, einen Zusammenhang zum Untersuchungsgegenstand herzustellen.

Sobotka sagte, Krainer solle die Frage „bestimmter“ formulieren („Bemühen Sie sich“): Krainer probierte es unter Konkretisierung, dass es um Umfragen gehe, die aus Steuergeldern finanziert worden seien – Auszug aus den Fragen: „Was war Ihre Rolle als Generalsekretär in Bezug auf Umfragen?“ – „Sind sie von Studien informiert worden, die von der öffentlichen Hand finanziert worden sind?“ – „Welche Rolle spielten Fleischmann, Steiner und Frischmann bei Umfragen in der ÖVP?“ Es brachte letztlich nichts, die Fragen wurden nicht zugelassen. „Man kann fragen, bis es finster wird“, hieß es aus der ÖVP dazu.

„Dann können wir hier gleich zusperren“

Krainer versuchte es nun mittels eines Papiers der ÖVP von einer Teamklausur im Mai 2018. Darin wird auf eine Umfrage der GfK Austria zu Zufriedenheitswerten der ÖVP Bezug genommen. Krainer wollte wissen, ob bei den dort präsentierten Zahlen solche aus Umfragen eingeflossen seien, die aus Steuergeldern finanziert wurden. Es folgte eine Beratung, ob die Frage zulässig ist. Der Verfahrensrichter verneinte das, da komme man nicht weiter. SPÖ-Mandatar Christoph Matznetter sagte, dass man den Ausschuss „zusperren“ könne, wenn die Erörterung solcher Themen hier nicht möglich sei.

„Keinen Einfluss auf Personalentscheidungen genommen“

Einfluss auf die Zusammenstellung der Personalkommission im Innenministerium habe er nie genommen, sagte Nehammer auf ÖVP-Fragen. 35 Besetzungen nach dem Ausschreibungsgesetz seien in seiner Zeit getroffen worden, berichtete der Ex-Innenminister, der Minister treffe die Entscheidung dann, wenn es mehrere Bestgeeignete gebe. Die Kommission arbeite unabhängig und weisungsfrei.

Andreas Hanger (ÖVP)
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ÖVP-Fraktionsführer Hanger brachte Fragen, um Nehammer die Antworten aufzulegen – ein bestens bekanntes Verhalten in U-Ausschüssen

Debatte über Mikros – „dem Auftakt geschuldet“

Der Befragungsstart hatte sich aufgrund einer längeren Geschäftsordnungssitzung verzögert: Besprochen wurde laut FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker die Hoheit über die Tonanlage: Vorsitzender Sobotka hatte diese so geändert, dass die Abgeordneten die Mikros nicht selbst einschalten konnten – das wurde dann – offenbar nach längerer Diskussion des Ausschusses – wieder geändert. „In jedem Ausschuss sowie im Plenarsaal ist es so, dass der jeweilige Vorsitzende das Wort erteilt. Im Sinne einer geregelten und klaren Gesprächskultur war das auch für den U-Ausschuss die Intention. Die Aufregung darüber ist wohl eher dem heutigen Auftakt geschuldet“, sagte ein Sprecher laut „Standard“ dazu.

Wolfgang Sobotka (ÖVP)
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Sobotka führte bei der Kanzlerbefragung den Vorsitz

Ist „staatlichen Interessen Schaden entstanden“?

Im ÖVP-U-Ausschuss soll zentral geklärt werden, „ob es ausgehend vom ‚Projekt Ballhausplatz‘ durch eine Gruppe von in Organen des Bundes tätigen, der ÖVP zuzuordnenden Personen zu Missbrauch von Organbefugnissen zum Zweck der Förderung der parteipolitischen Interessen der ÖVP gekommen und dadurch staatlichen Interessen möglicherweise ein Schaden entstanden ist“. In die Untersuchung eingeschlossen sind auch „diesbezügliche Vorbereitungshandlungen“.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geht davon aus, dass Ex-Kanzler Kurz beginnend mit 2016 (in seiner Zeit als Außenminister) den Aufstieg an die ÖVP-Spitze, eine Nationalratsneuwahl und auf diesem Wege die Bundeskanzlerschaft geplant hatte, wobei ihn ein Kreis enger Vertrauter bei diesen Vorhaben unterstützt haben soll. Dazu wurden Strategien mit ebenjener Bezeichnung „Projekt Ballhausplatz“ entwickelt.

Auf Nehammer folgt Schütz

Nach dem Kanzler ist mit Unternehmer und ÖVP-Spender Alexander Schütz noch eine weitere Auskunftsperson geladen. Er war bereits im Finale des „Ibiza“-U-Ausschusses geladen, war aber wegen einer Auslandsreise nicht erschienen. Weil diese aber erst nach der zugestellten Ladung gebucht worden war, hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine Geldstrafe verhängt.