Bundeskanzler Karl Nehammer
ORF.at/Roland Winkler
ÖVP-U-Ausschuss

Auftakt brachte Frust über „Zersetzung“

Tag eins im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss hat einen ersten Vorgeschmack gebracht, worauf sich Gremium selbst und Beobachterinnen und Beobachter einstellen können. Insbesondere bei der Befragung von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) erging man sich in Debatten zur Geschäftsordnung. Das kann sich im weiteren Verlauf freilich noch legen, doch für den Moment zeigte sich die Opposition frustriert: Der Ausschuss werde „zersetzt“, die ÖVP-Fraktion und Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) würden den Ablauf „bewusst stören“, so der Vorwurf. Den lässt die ÖVP nicht gelten – mit Verweis auf einen Untersuchungsgegenstand.

In der Nehammer-Befragung brachten es die Abgeordneten gerade einmal auf eine Befragungsrunde – und das bei maximaler Befragungsdauer. Erinnerungen an die Befragung von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wurden wach, aufgrund der Verschleppung konnte etwa NEOS damals gar nicht mehr fragen, am Mittwoch gelang es haarscharf gerade noch. Grund für das mangelnde Fortkommen waren die unzähligen Meldungen zur Geschäftsordnung, Inhaltliches musste vielfach auf der Strecke bleiben.

Der grundlegende Vorgang: Vonseiten der ÖVP wurden bei vielen Fragen der übrigen Fraktionen Einwände geäußert – mit Hinweis auf Themenverfehlung. Was folgte, waren unzählige Dispute zwischen den Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS auf der einen Seite und Vertretern der ÖVP sowie auch dem Vorsitzenden Sobotka auf der anderen Seite.

„Das ist nicht Untersuchungsgegenstand“

Stein des Anstoßes waren stets unterschiedliche Auffassungen über die Zulässigkeit von Fragen und ob diese denn durch den Untersuchungsgegenstand gedeckt seien. Letztlich sah auch Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl den Untersuchungsgegenstand oftmals nicht getroffen.

Gemäß der Linie der ÖVP könnten Parteien per se nicht Gegenstand des U-Ausschusses sein. Vielmehr könne es beim Gegenstand nur um „Handlungen von Organen des Bundes“ und nicht um jene von Parteien gehen. Das sahen die restlichen Fraktionen anders. FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker etwa argumentierte, dass offensichtlich Parteien die Regierungsmitglieder stellten, damit seien diese entsprechend sehr wohl vom Untersuchungsgegenstand eingeschlossen.

Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl
ORF.at/Roland Winkler
Verfahrensrichter Pöschl auf dem Weg ins Ausschusslokal

Zudem verwahrte er sich dagegen, dass die ÖVP offenbar versuche, ein Präjudiz zu schaffen, wonach nicht mehr nach Parteien gefragt werden dürfe. Ähnlich auch die Kritik von SPÖ und NEOS: „Volle Transparenz und volle Aufklärung sieht anders aus“, sagte SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer. NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper bezeichnete die Befragung als „über weite Strecken unerträglich“. Kritik an der ÖVP wegen der zum Teil endlosen Geschäftsordnungsdebatten kam auch vom ÖVP-Koalitionspartner, den Grünen.

Formulierungsversuche schlugen fehl

Insbesondere bei der Befragung von SPÖ-Fraktionsführer Krainer prallte Frage nach Frage am ÖVP-Hinweis zur Themenverfehlung ab. Etwa Fragen von Krainer zu jenem Zeitraum, als Nehammer ÖVP-Generalsekretär war und ob er damals von der Beauftragung von Umfragen gewusst habe bzw. involviert gewesen sei (Stichwort Inseratenaffäre).

Die vielfachen unterschiedlichen Formulierungsversuche wurden von den Abgeordneten der ÖVP vehement als nicht vom Untersuchungsgegenstand umfasst bestritten. Bei der Befragung von Unternehmer ÖVP-Spender Alexander Schütz verhielt es sich ähnlich.

Letztlich wies aber auch Verfahrensrichter Pöschl in letzter Konsequenz Fragen vielfach als unzulässig (im Sinne des Untersuchungsgegenstandes) zurück. Im Falle der Inseratenaffäre sagte er gar, er würde die Frage grundsätzlich gerne zulassen und er sei auch sicher, dass der Komplex zum Untersuchungsgegenstand gehört, doch sei die Frage nicht so formuliert, dass sie als zulässig erachtet werden könne. Der richterliche Rat zur Umformulierung ist allerdings ein sehr klassisches U-Ausschuss-Element.

Christian Hafenecker (FPÖ)
ORF.at/Roland Winkler
FPÖ-Fraktionsführer Hafenecker sieht den Ausschuss durch den Geschäftsordnungsmarathon „zersetzt“

„In Projekt Ballhausplatz nicht involviert“

Antworten von Kanzler Nehammer gerieten angesichts der Scharmützel in den Hintergrund und fielen, wenn es die Debatte zuließ, relativ allgemein aus – zwischenzeitlich musste Nehammer über einen längeren Zeitraum gar nicht mehr antworten. Zu den Vorwürfen gegen die ÖVP sagte er eingangs, dass Personalentscheidungen zur Politik dazugehörten. Wenn dabei Fehler gemacht wurden, egal von welcher Partei, müsse das aufgeklärt werden.

Befragt zum „Projekt Ballhausplatz“, mit dem Ex-Kanzler Kurz an die Macht kam, sagte Nehammer: „Ich war nicht involviert.“ Mit der Kanzleramts-Stabsstelle „Think Austria“ habe er nicht zusammengearbeitet und sie aufgelöst, so Nehammer. Er habe das Haus generell neu strukturiert und die Stabstelle für nicht mehr notwendig erachtet.

Bundeskanzler Karl Nehammer
ORF.at/Roland Winkler
Kanzler Nehammer wurde mit Maximaldauer befragt – der Erkenntnisgewinn war gering

Von Inseratenaffäre „über Medien erfahren“

Über die Inseratenaffäre, bei der mutmaßlich mit Steuergeld aus dem Finanzministerium Inserate für die ÖVP bezahlt worden sein sollen, habe er nur „über die Medien erfahren“, so Nehammer. Ebenso vom mutmaßlichen Steuernachlass für den Investor Siegfried Wolf nach Intervention von ÖVP-Kabinettsmitarbeitern. „Ich habe das aus den Medien erfahren, an das Datum kann ich mich nicht erinnern.“

Fragen zu von der ÖVP in Auftrag gegebenen Umfragen oder zur Gebarung der Partei parierte Nehammer damit, dass er als Generalsekretär für die politische Kommunikation nach innen und außen zuständig gewesen sei, mit dem kaufmännischen Teil sei hingegen der Bundesgeschäftsführer befasst gewesen. Das war damals Axel Melchior. Bei Fragen zu Personalbestellungen im Innenministerium verwies Nehammer auf die jeweilige Bestellungskommission und „klare Auswahlverfahren“.

Wolfgang Sobotka (ÖVP)
ORF.at/Roland Winkler
Sobotka war während der Befragung von Parteikollegen Nehammer Vorsitzender

Debatte über Mikros – „dem Auftakt geschuldet“

Schon der Befragungsstart war zäh verlaufen – weil er sich aufgrund einer längeren Geschäftsordnungssitzung (nicht medienöffentlich) erheblich verzögert hatte: Besprochen wurde laut FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker die Hoheit über die Tonanlage: Vorsitzender Sobotka hatte diese so geändert, dass die Abgeordneten die Mikros nicht selbst ein- bzw. ausschalten konnten, das wurde dann – offenbar nach längerer Diskussion des Ausschusses – wieder geändert.

Debatte über Mikros

Der Befragungsstart beim ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss hat sich am Mittwoch verzögert. Laut FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker musste die Hoheit über die Tonanlage im Besprechungsraum besprochen werden. Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte diese so geändert, dass die Abgeordneten die Mikros nicht selbst ein- und ausschalten konnten – das wurde dann wieder geändert. ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger hingegen sah deswegen kein Konfliktpotenzial. Er schlug vor, den Ausschuss beginnen zu lassen und dann die Vorsitzführung Sobotkas zu bewerten.

Später reichte ein Sprecher Sobotkas eine Erklärung für den Vorgang nach: „In jedem Ausschuss sowie im Plenarsaal ist es so, dass der jeweilige Vorsitzende das Wort erteilt. Im Sinne einer geregelten und klaren Gesprächskultur war das auch für den U-Ausschuss die Intention. Die Aufregung darüber ist wohl eher dem heutigen Auftakt geschuldet“, hieß es.