Ex-Finanzminister Eduard Müller
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ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss

Schlaglicht auf mehrere brisante Causen

Zum Auftakt des zweiten Tages im ÖVP-U-Ausschuss zur „Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder“ wird Eduard Müller befragt. Müller war ehemals Sektionschef und stellvertretender Generalsekretär im Finanzministerium und während der Übergangsregierung auch Finanzminister. Es geht um brisante Causen, etwa einen Steuernachlass für den Unternehmer Siegfried Wolf und die Inseratenkorruptionsaffäre um Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Auch der Investor Rene Benko steht im Fokus – und auch ein „Auftrag“ in Sachen Silberstein.

Müller soll im Rahmen seiner Position mit dem damaligen Finanzministeriumsgeneralsekretär Thomas Schmid in regem Kontakt gestanden sein. Ins Finanzministerium war er schon 1997 eingetreten, nach einer Unterbrechung setzte er dort 2015 fort: Als Chef der Präsidialsektion saß Müller dann bis 2019 an zentraler Stelle im Finanzressort. Von Juni 2019 bis Jänner 2020 war er Finanzminister. Im Mai 2020 wurde er in den Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA) bestellt.

Zentral wurde ein Anliegen des Immobilieninvestors Benko erörtert: Müller gab an, Benko einmal in „kleinerer Runde“ zusammen mit Schmid getroffen zu haben. Hinsichtlich des Dreiertermins sei er „fast überrumpelt worden“. Bei dem Termin sei mit Benko über die „extrem lange Verfahrensdauer“ bei Abgabe- und Steuerverfahren gesprochen worden. Er habe sich das dort „einfach angehört“, so Müller, der Sektionschef im Finanzministerium war. Ein weiterer Kontakt sei erfolgt, bei einem Telefonat sei es erneut um die Sache gegangen.

Ex-Finanzminister Eduard Müller
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Auskunftsperson Müller im Ausschusslokal

Müller gab an, dass dann Benkos Steuerberater in Kontakt mit ihm traten. Müller verteidigte den Vorgang. „Ich habe keine Steuerangelegenheiten behandelt, sondern ich hatte eine Eingabe über eine lange Verfahrensdauer.“ Er habe zurückgeschrieben und auch weitergeleitet. „Das mache ich auch für Müller, Meier, Huber, wenn es plausibel ist. Ich kann so etwas ja nicht ignorieren“, so Müller – das entspreche nicht seiner Berufsauffassung, sagte er sinngemäß.

„Längste Verfahrensdauer, die ich je erlebt habe“

Laut der Grünen Nina Tomaselli geht die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) davon aus, dass es sich bei dem Treffen mit Benko um eine Steuerangelegenheit handle. Es habe sich herausgestellt, dass das Verfahren um Benko so lang gedauert habe, weil Prüfteams gewechselt hätten, und wegen eines Krankenstands. Müller dazu: „Das war die längste Verfahrensdauer, die ich je erlebt habe in meinen 35 Jahren.“

Er habe mit dem Leiter der Großbetriebsprüfung Kontakt aufgenommen, so Müller – dort sei wohl alles dokumentiert. Es habe sich um einen komplexen Sachverhalt mit mehreren Strängen gehandelt. Auch das Thema Verjährung sei im Raum gestanden – aber das konnte vermieden werden, denn das wäre der „Mega-GAU“ gewesen. Er habe dann erst beim Abschluss des Verfahrens wieder etwas von der Sache gehört.

Nina Tomaselli (Grüne)
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Tomaselli führt auch in diesem Ausschuss den grünen Vorsitz

„Geschaut, ob die Verwaltung irgendwas tun kann“

NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper wollte wissen, um welche Verfahren genau es gegangen sei. Möglicherweise sei es auch um Benko persönlich und nicht nur sein Unternehmen gegangen. Dass sich ein für Benko oder seine Unternehmen zuständiges Finanzamt an ihn gewandt habe, konnte Müller nicht ausschließen. Veraktet sei dazu aber nichts: „Ich war nicht der Sachbearbeiter dieser Akten“, so Müller.

„Würde man jede Mail verakten, würde die Verwaltung nicht funktionieren“, so Müller. Er sei nicht Sachbearbeiter gewesen, sei für die Effizienz und Organisation in der Finanz zuständig gewesen – nicht aber mit den Inhalten. „Ich habe einfach geschaut, ob die Verwaltung irgendwas tun kann“, damit Vorgänge effizienter würden. Bei Benko sei für ihn immer klar gewesen, dass es nur um die Verfahrensdauer gegangen sei – von anderen Anliegen sei ihm nichts bekannt, so Müller.

Stephanie Krisper (NEOS)
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Krisper befragte Müller zu seinem Kontakt mit dem Investor Rene Benko

Müller mit Studie konfrontiert – und „überrascht“

Auch die Inseratenkorruptionsaffäre rund um die ÖVP und Kurz wurde besprochen: Im September 2017 habe Müller ein Angebot von der Meinungsforscherin Sabine Beinschab zu Studien zu Betrugsbekämpfung bekommen, so Tomaselli unter Vorlage von Unterlagen. Müller gab an, die Studien nicht beauftragt zu haben, er habe das „im Nachhinein bekommen“ und wahrscheinlich an die Zuständigen weitergeleitet. Der Name Beinschab habe ihm nichts gesagt, gelesen habe er die Studie auch nicht.

Die Entscheidung über die Schaltung von Inseraten liege bei der Kommunikationsabteilung, es gebe dann einen Vergabe- und einen haushaltsrechtlichen Prozess. Die Dienstaufsicht über die Kommunikationsabteilung werde nicht über Studien informiert, führte Müller aus. Studien würden in Eigenverantwortung in der Abteilung beauftragt. Ob es in seiner Zeit als Finanzminister Studien gegeben habe, in denen parteipolitische Fragestellungen untergebracht waren, konnte Müller nicht angeben.

„Fühle mich fast ein bisschen überwacht“

Auf Vorlage einer Studie durch Tomaselli gab er an, „das jetzt nicht beurteilen“ zu können und „überrascht“ zu sein. „Ich fühle mich fast ein bisschen überwacht“, gab Müller an. In der Umfrage sei er eine Hauptperson, so Tomaselli, zudem sei es um den „Auftritt der Opposition“ gegangen, obwohl damals ja eine Expertenregierung im Amt war.

Doris Bures
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Den Vorsitz führt am Donnerstag Doris Bures (SPÖ)

Im Zuge der Befragung wurde unterdessen bekannt, dass die Meinungsforscherin und Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin festgenommen wurde. Sie war von ihrer ehemaligen Geschäftspartnerin Beinschab belastet worden.

Straucheln bei Causa Wolf

Bei der Erstbefragung wurde die Causa um mutmaßliche Steuererleichterungen für den Unternehmer Wolf Thema. „Ich kann mich an Teile erinnern“, so Müller zu Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl. Inhaltliche Details könne er nicht schildern, auch das Interesse von Dritten wolle er nicht verletzen, so Müller. In der Folge geriet er hör- und sichtbar ins Schleudern. Er wolle schließlich am „Ende des Tages nicht wegen irgendwas geklagt werden“, weil Rechte Dritter verletzt wurden, gab er an.

Er sei von Schmid kontaktiert worden. Es sei bei Wolf um ein geändertes Doppelbesteuerungsabkommen gegangen und einen Fehler der Finanzbehörde. Er habe das zunächst einmal verstehen müssen, danach habe er darauf hingewiesen, dass es sich um eine „fachlich-rechtliche Frage“ handle. Deswegen habe er ans zuständige Finanzamt verwiesen. Dass er „irgendwie eingebunden war“, könne er nicht ausschließen, auch nicht, dass der Akt bei ihm „durchgelaufen“ sei.

„Mechanismen des leichtfertigen Rufmordes“

Müller ortete „Mechanismen des leichtfertigen Rufmordes“ – von Medien sei suggeriert worden, er habe eine Vertrauensbeziehung zu Wolf („Ich kenne ihn aber nicht persönlich“). Er sei von verschiedenen Personen aufgefordert worden, Wolf anzurufen – habe es aber, soweit er sich erinnern könne, nicht getan. Der Steuerbescheid, um den es ging, sei dem Finanzministerium dann auch nicht zur Genehmigung vorgelegt worden; letztlich habe die Finanz eine Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch eingebracht.

FMA-Jobausschreibung zugeschnitten?

SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer fragte bei Müller zu dessen Posten bei der FMA nach, seit Februar 2020 ist er ja dort Vorstand. Der Finanzminister habe ihn davor kontaktiert, so Müller. Krainer legte Stellenausschreibungen für die Position vor. Die Voraussetzungen für die Stelle in der Ausschreibung seien geändert worden, so der SPÖ-Fraktionsführer. Müller hätte ansonsten nicht ins Profil gepasst, so Krainer.

Kai Jan Krainer (SPÖ)
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Krainer hinterfragte, wie Müller den FMA-Posten erlangte

Die Formulierung „langjährige Berufserfahrung im öffentlichen Bereich“ sei in den Text gekommen, so Krainer. Ob er erklären könne, wer den Ausschreibungstext geändert habe und wieso der „auf Sie zugeschnitten wurde“, fragte der SPÖ-Mandatar. Müller wies das als „Unterstellung“ zurück – unter gleichzeitigem Verweis auf seine persönliche Erfahrung und Qualifikation. „Ich muss mir solche Unterstellungen nicht bieten lassen“, so Müller zum SPÖ-Mandatar.

„Auftrag“ zu „Check“ von Silbersteins Versteuerung

Apropos SPÖ: Von Ex-Finanzministeriumsgeneralsekretär Schmid habe Müller den „Auftrag“ erhalten, die Versteuerungen des Honorars des damaligen SPÖ-Beraters Tal Silberstein zu prüfen, wie Müller auf NEOS-Fragen angab. Er sei gefragt worden, ob sichergestellt sei, dass alles richtig versteuert worden sei. Es hätte eine Abgabenpflicht in Österreich entstanden sein können, gab Müller an, er habe nachverfolgen müssen, ob die Verwaltung auch ihren Job gemacht habe.

Er habe diesen „Berichtsauftrag erfüllt“ und seinerseits wohl einen Bericht von der Steuerfahndung oder einer anderen zuständigen Stelle angefordert und den dann weitergeleitet. In den Chats schrieb er, er könnte die Versteuerung des Honorars für die SPÖ nur „indirekt checken“. NEOS-Abgeordnete Krisper versuchte zu erfahren, ob es sich um eine Weisung oder einen Auftrag gehandelt habe. „Ich habe keinen Widerspruch zu einer gesetzlichen Bestimmung gesehen“, so Müller. Ob Schmid den Auftrag auf Geheiß des Ministers erteilt habe, wisse er nicht.

„Habe Verpflichtung gefühlt, dem nachzugehen“

Krainer fragte dazu nach, ob er auch noch andere Aufträge „mit parteipolitischem Hintergrund“ bekommen habe. „Soweit ich mich erinnere, glaube ich nicht“, so Müller und brachte vor, parteipolitische Gründe auch nicht immer beurteilen zu können. Ob er beim Auftrag zur Überprüfung der Versteuerung von Silbersteins Honorar retrospektiv einen parteipolitischen Hintergrund erkennt, wollte Müller nicht sagen, denn das könnten lediglich Vermutungen sein. „Ich habe die Verpflichtung gefühlt, dem nachzugehen“, so Müller.

„Am Ende zerstört man dann Existenzen“

In seinem Eingangsstatement äußerte sich Müller zu allgemeinen gesetzlichen Grundlagen von Abgabeverfahren und Bestellungsvorgängen im Finanzministerium. Dabei betonte er, dass es in der Verwaltung „immer Anspruch war und ist, ohne Ansehung von Rang und Namen“ zu entscheiden, weder gebe es eine „positive noch negative Diskriminierung“. Gleichzeitig beklagte er, dass „gewisse Dinge suggeriert“ und darum herum „Geschichten konstruiert“ würden, so Müller: „Am Ende zerstört man dann Existenzen, die Wahrheit interessiert niemanden.“