Peter Pilz
ORF.at/Roland Winkler
Pilz brachte Protokolle mit

Kloibmüller-Chats im U-Ausschuss zulässig

Am Donnerstag hat der U-Ausschuss zur „Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder“ erneut Fahrt aufgenommen. Ex-Politiker Peter Pilz brachte als Auskunftsperson dem Ausschuss Dutzende Seiten an Chats aus dem Handy des ehemaligen Kabinettschefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller. Trotz Widerstands der ÖVP wurden sie zugelassen. Darin fanden sich auch Nachrichten von Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka (beide ÖVP).

Schon vor seinem Auftritt im U-Ausschuss am Donnerstag hatte Pilz in sozialen Netzwerken angekündigt, mit großen Neuigkeiten vor die Abgeordneten zu treten. Pilz war in Besitz der Kloibmüller-Chats gelangt und hatte wiederholt auf seiner Onlineplattform ZackZack daraus zitiert. Nun legte er die Chatprotokolle auch dem U-Ausschuss vor – in Summe 49 Seiten, einiges davon schon durch Pilz’ Veröffentlichungen bekannt.

Darin kommt auch der Vorsitzende des U-Ausschusses, Sobotka, vor. Er hat den Vorsitz am Donnerstag an die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) abgegeben – „aus terminlichen Gründen“. Einige der Chatnachrichten, die bisher öffentlich wurden, drehen sich um die Zeit Sobotkas als Innenminister (2016/2017). Daraus weiß man nun etwa, dass Sobotka auf Servern der Ministeriumsmitarbeiter eine Liste mit dem Titel „Interventionen“ führte.

Debatte über Zulässigkeit

Die Chats dürften zumindest ursprünglich aus zweifelhafter Quelle stammen: Nach einem Bootsunfall Kloibmüllers gab dieser sein Handy zur Datensicherung weiter, ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes soll die Nachrichten in der Folge abgesaugt haben. Dass die Chats dennoch im U-Ausschuss behandelt werden, war am Donnerstag für die Opposition klar. Auch wenn die Quelle dubios sei, seien sie, solange Pilz diese nicht unrechtmäßig erworben habe, zulässig. Die ÖVP stellte sich gegen die Zulässigkeit der Chatprotokolle. Erst müsse man die Unterlagen prüfen und sicherstellen, dass diese auf rechtskonformen Wegen in den Ausschuss gelangt seien.

Doris Bures
ORF.at/Roland Winkler
Bures übernahm am Donnerstag den Vorsitz von Sobotka, der selbst im Ausschuss Thema war

Der konsultierte Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl sprach sich dafür aus, die Unterlagen nicht zuzulassen, und wenn doch, dann unter Klassifizierungsstufe zwei – damit dürften sie also nicht in der medienöffentlichen Sitzung behandelt werden. Die ÖVP sah das ebenso, alle anderen Fraktionen nicht. Bures ließ die Fraktionen abstimmen – die Mehrheit entschied sich für Klassifizierungsstufe eins, was eine Erörterung unter Anwesenheit der Medien möglich machte. Die ÖVP beklagte einen Bruch der Verfahrensordnung durch Bures. Im Anschluss wurden die Unterlagen aber von der Parlamentsdirektion vervielfältigt und an die Fraktionen verteilt – unter Kritik der ÖVP.

Pilz dritter Empfänger der Chats

Pilz selbst erklärte, dass er gar nicht der erste Empfänger der Chatprotokolle gewesen sei. Eine Ermittlungseinheit der Polizei habe sie bei einer Hausdurchsuchung im Februar 2021 bekommen. Danach habe sie die Staatsanwaltschaft Wien erhalten. Trotz diverser Hinweise auf möglichen Verrat von Amtsgeheimnissen, auf möglichen Verrat von Observationen oder zumindest auf einen Anfangsverdacht strafbarer Handlungen sei die Staatsanwaltschaft nicht ermittelnd tätig geworden – laut Aktenvermerk der Behörde, „um einen weiteren Missbrauch der Daten hintanzuhalten“ – für Pilz völlig unverständlich, zumal in vergleichbaren Fällen anders gehandelt worden sei. Stattdessen habe er erfahren, dass Schritte gegen ZackZack, etwa Hausdurchsuchungen, überlegt worden seien.

Peter Pilz
ORF.at/Roland Winkler
Pilz brachte die Chats mit, die er von einem Informanten erhielt, wie er angab

Er selbst habe die Chats im Frühjahr 2021 durch einen Informanten erhalten, dessen Identität durch das Redaktionsgeheimnis geschützt sei. Er habe dafür keine Gegenleistung erbracht. Nun lägen sie zusätzlich auch bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Ob diese bereits ermittle, wisse er nicht, so Pilz.

Inzwischen sei das Parteibuch bei Stellenbesetzungen so wichtig geworden, dass die Qualifikation keine Rolle mehr spiele, sagte Pilz. Die Chats, aus denen Pilz auch zitierte, würden das belegen. Immer wieder fänden sich darin Interventionen Sobotkas an Kabinettschef Kloibmüller. „In der Regel Personalwünsche mit parteipolitischem Hintergrund“, so Pilz. Etwa sei ersichtlich, dass etwa 2017 eine qualifizierte Beamtin ihre Bewerbung für eine Stelle zurückzog und ein anderer Kandidat – mutmaßlich mit ÖVP-Nähe – zum Zug kam. Man werde „den Sozen zeigen, wo der Hammer hängt“ – dieses Zitat Kloibmüllers war durch ZackZack bereits bekannt.

Auch andere mutmaßliche Interventionen brachte Pilz in Form von Chats aufs Tapet, etwa von Mikl-Leitner von 2016. Darin habe Mikl-Leitner „Kloibi“ mitgeteilt, dass sich ihr Neffe um ein Ferialpraktikum im Innenministerium bewerbe: „der Kerl muss arbeiten!!!!“. Der Neffe bewerbe sich auch offiziell. „Verlass mich auf euch. Hanni ml.“. Auch diese Zitate waren bereits durch ZackZack bekannt. Es gebe aber noch viele andere Chats dieser Art, so Pilz.

Tour de Force mit Eduard Müller

Als erste Auskunftsperson war zuvor bereits Ex-Finanzminister Eduard Müller, heute Chef der Finanzmarktaufsicht (FMA), den Abgeordneten Rede und Antwort gestanden. SPÖ, FPÖ und NEOS sehen Müller als Dreh- und Angelpunkt in mehreren Causen. Müller war vor seiner Bestellung in die FMA Finanzminister im Expertenkabinett unter Kanzlerin Brigitte Bierlein und davor schon lange als Sektionschef im Ressort tätig, darunter als direkter Untergebener von Thomas Schmid.

Ex-Finanzminister Eduard Müller
ORF.at/Roland Winkler
Müller war jahrzehntelang im Finanzministerium tätig, nun steht er an der Spitze der FMA

Die Chats aus Schmids Handy aus seiner Zeit als Kabinettschef im Finanzministerium hatte bekanntlich viele Ermittlungen zur Folge. Bei der Befragung im U-Ausschuss standen aber mehrere Causen im Fokus, allen voran jene des Unternehmers Siegfried Wolf. Dieser hatte sich im Bestreben, sich gegen die Zahlung von Steuerzinsen zu wehren, an den früheren Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) gewandt. Wolf steht im Verdacht, einen diesbezüglichen Deal mit einer Finanzbeamtin geschlossen zu haben.

Wolf an zuständiges Amt verwiesen

Schelling eskalierte die Sache zu Müller, der zu dem Zeitpunkt dem Ministerium vorstand. Der Steuerakt wanderte also über Müller Schreibtisch.

Mit Wolf will Müller keinerlei Vertrauensverhältnis haben, „so wie medial suggeriert“, sagte der Ex-Minister. Nicht einmal per du sei man. In der Steuercausa Wolf sei in seinem Einflussbereich nichts falsch gelaufen. Er sei in der Sache auch von Schmid kontaktiert worden, es habe sich aber um eine fachlich-rechtliche Frage gehandelt. Daher habe er an das zuständige Finanzamt verwiesen.

Benko „wie Müller, Meier, Huber“

Auch mehrere Treffen mit dem Immobilienunternehmer Rene Benko wurden abgefragt, darunter auch zu manchen von Benkos Immobilienkäufen wie der Wiener Postsparkasse. Müller gab an, dass sich etwa Benkos Steuerberater direkt an ihn wenden durften. Den Kontakt stellte Schmid her.

Benko, der Schmid auch einen Job bei der Signa anbot, wollte offenbar ein Steuerverfahren beschleunigen – es handelte sich laut Müller um eine „extrem lange Verfahrensdauer“. „Ich habe zurückgeschrieben und auch weitergeleitet. Das mache ich auch für Müller, Meier, Huber, wenn es plausibel ist. Ich kann so etwas ja nicht ignorieren“, so Müller.

„Unterstellungen“ zu FMA-Job

Die SPÖ befragte Müller auch noch zu seiner Bestellung zum FMA-Chef, sei diese doch „ein Spiegelbild“ zu jener Schmids zum Leiter der Staatsholding ÖBAG, wie der SPÖ-Fraktionsvorsitzende im Ausschuss, Kai Jan Krainer, sagte. Die Voraussetzungen für die Stelle seien in der Ausschreibung geändert worden, Müller hätte ansonsten nicht ins Profil gepasst, so Krainer. Die SPÖ legte dazu auch ein Dokument vor mit mehreren entsprechenden Ausschreibungen aus der Vergangenheit.

Vor der Bestellung Müllers sei die Formulierung „langjährige Berufserfahrung im öffentlichen Bereich“ in den Text gekommen, so Krainer. Ob er erklären könne, wer den Ausschreibungstext geändert habe und wieso der „auf Sie zugeschnitten wurde“, fragte der SPÖ-Mandatar. Müller wies das als „Unterstellung“ zurück – unter gleichzeitigem Verweis auf seine persönliche Erfahrung und Qualifikation. „Ich muss mir solche Unterstellungen nicht bieten lassen“, so Müller. Überdies sei die Stelle an der Spitze neben Helmut Ettl nie Teil seiner Lebensplanung gewesen, er habe sich eine Bewerbung erst überlegen müssen.