Sophie Karmasin
APA/Roland Schlager
Tatbegehungsgefahr

Ex-Ministerin Karmasin in U-Haft genommen

Das Wiener Landesgericht für Strafsachen hat am Freitag über die Meinungsforscherin und frühere ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin die U-Haft verhängt. Sie war von ihrer früheren Assistentin Sabine Beinschab zuvor schwer belastet worden.

Mit einer Entscheidung des Gerichts war am Freitag gerechnet worden. Wie Gerichtssprecherin Christina Salzborn der APA mitteilte, wurde die U-Haft wegen Tatbegehungsgefahr verhängt. Damit gab das Landesgericht einem Ansinnen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Folge, die die U-Haft für Karmasin schriftlich beantragt hatte.

Karmasin war den Nachmittag über im Wiener Straflandesgericht vom zuständigen Haft- und Rechtsschutzrichter vernommen worden. Nun wird sie vorerst in die Justizanstalt (JA) Wien-Josefstadt überstellt. Die U-Haft gilt zunächst für 14 Tage, dann hat eine erste Haftprüfung stattzufinden.

In der Festnahmeanordnung der WKStA – die Festnahme erfolgte Mittwochnachmittag und wurde am Donnerstag bekannt – war als Haftgrund neben Tatbegehungsgefahr auch Verdunkelungsgefahr angeführt worden. Letzteres wird jetzt nicht mehr geltend gemacht. Weshalb dieser Haftgrund wegfiel, wollte die WKStA nicht begründen. Karmasins Anwalt Norbert Wess wollte sich bisher nicht öffentlich äußern.

Beinschab belastete frühere Mentorin

Karmasin soll bei Beinschab über Scheinrechnungen Umfragen bestellt haben, die in den Druckwerken der Mediengruppe „Österreich“ landeten. Diese sollten Sebastian Kurz, der 2016 Außenminister war, „pushen“. Erst vor wenigen Tagen wurde das Geständnisprotokoll von Karmasins Ex-Assistentin Beinschab der Öffentlichkeit bekannt.

Die Meinungsforscherin Sabine Beinschab
ORF
Beinschab war früher Karmasins Assistentin

Sie belastete Karmasin bei ihren Einvernahmen im vergangenen Oktober schwer. Ihren Angaben zufolge hätte Karmasin, 2013 in die Regierung geholt, eine zentrale Rolle in der Affäre gespielt. Sie soll den Kontakt zum Finanzministerium und „Österreich“ hergestellt haben und an den Studien, über deren Inhalt Karmasin laut Beinschab Bescheid wusste, mit 20 Prozent des Umsatzes „mitgeschnitten“ haben.

Neu hervorgekommene Absprachen

„Falter“-Chefredakteur Florian Klenk hatte Donnerstagnachmittag die Festnahmeanordnung der WKStA auf Twitter veröffentlicht. Daraus ergab sich – über die ÖVP-Affäre hinaus – eine neue Verdachtslage gegen die Ex-Politikerin. In der Festnahmeanordnung wird Karmasin unter Verweis auf „bisherige Beweisergebnisse“ als „Urheberin und maßgebliche Ideengeberin sowohl hinsichtlich der ‚Entwicklung‘ des ‚Beinschab-Österreich-Tools‘“, das in der ÖVP-Affäre eine wesentliche Rolle spielt, wie auch zu „neu hervorgekommenen Preisabsprachen“ bezeichnet.

Ex-Ministerin Karmasin in U-Haft genommen

Das Wiener Landesgericht für Strafsachen ist dem Antrag der WKStA, über die Meinungsforscherin und frühere ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin die U-Haft zu verhängen, gefolgt. Sie war von ihrer früheren Assistentin Sabine Beinschab zuvor schwer belastet worden.

Karmasins strafbare Handlungen hätten sich demzufolge „nach der dringenden Verdachtslage über mehr als fünf Jahre“ erstreckt, sie sei „federführend“ daran beteiligt gewesen und habe „mit unterschiedlichen kreativen Umgehungsvereinbarungen und Verschleierungsgeschäften zum eigenen Vorteil und zum Nachteil vor allem der Republik Österreich Straftaten mit einem demokratiepolitisch immensen und auch vermögensrechtlich erheblichen Unrechtswert“ begangen.

Verdacht: Absprachen noch bis Mitte 2021

Für die WKStA war die Festnahme der Ex-Ministerin unter anderem deshalb erforderlich, weil die Behörde befürchtet, Karmasin könnte ansonsten „versuchen, Mitbeschuldigte und Zeugen zu beeinflussen, die Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren“, heißt es in der Festnahmeanordnung. Denn Karmasin – und das war bisher nicht bekannt – soll noch bis Mitte 2021 wettbewerbsbeschränkende und damit rechtswidrige Absprachen in mehreren Vergabeverfahren inszeniert haben.

Damit wollte sie der Verdachtslage zufolge für ihr Institut den Zuschlag für drei vom Sportministerium ausgeschriebene Studien zu den Themen „Motivanalyse Bewegung und Sport“, „Frauen im Vereinssport“ und „Kinder und Jugendliche im Vereinssport“ bzw. „Rück- und Neugewinnung von Vereinsmitgliedern für Sportvereine“ bekommen. Zwischen Mai 2019 und Mitte 2021 soll sie sich dabei vor allem wieder Beinschabs bedient haben, indem sie sie aufforderte, von ihr inhaltlich vorgegebene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass sie selbst die Aufträge bekommen würde, heißt es in der Festnahmeanordnung.

Aus dem Sportministerium hieß es, dass Karmasins Institut mit zwei Studien tatsächlich beauftragt wurde. Die Studien wurden auch veröffentlicht und abgegolten. Bei einer dritten, Mitte 2021 initiierten Studie gab es seitens des Ministeriums aus Compliance-Gründen Bedenken, sodass Karmasin ihr Anbot zurückgezogen habe, sagte ein Sprecher.

Auch Geldwäscheverdacht

Außerdem steht gegen Karmasin noch der Verdacht der Geldwäscherei im Raum. Karmasin soll ihre Einkünfte aus ihren strafbaren Handlungen teilweise verschleiert haben, indem sie rund 52.000 Euro auf Basis von Scheinrechnungen für angebliche Leistungen in ihrer Buchhaltung aufnahm, die die Beratungsfirma eines Angehörigen gelegt hatte. Außerdem sagte Beinschab aus, Karmasin habe schon mit der SPÖ und der Tageszeitung „Heute“ Umfragemanipulation durchgeführt, was andere Beteiligte jedoch bestreiten.

Karmasins Anwalt bestätigte nach Bekanntwerden der Beinschab-Protokolle vor wenigen Tagen auf ORF-Anfrage die Provision, sie sei ordentlich versteuert worden und „nicht strafbar“. Er bestritt aber den zentralen Vorwurf der Untreue durch Verwendung von Steuergeld für die ÖVP. Karmasin habe nicht gewusst, dass dem Finanzministerium ressortfremde Leistungen in Rechnung gestellt wurden.

ÖVP und Fellner sehen Vorwürfe „in Luft aufgelöst“

Die ÖVP forderte am Freitag Aufklärung für die „Umfragen-Manipulationsvorwürfe“. Die ÖVP sieht in der Inseratenaffäre sowohl die Bundes-SPÖ als auch die burgenländische Landespartei durch Beinschabs Aussagen belastet.Die Volkspartei habe sich „zu jeder Zeit einhundertprozentig an der Aufklärung aller Vorwürfe“ beteiligt, so ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner. Sie sah diese – wie auch der hauptbetroffene ehemalige Bundeskanzler Kurz und „Österreich“-Medienmanager Wolfgang Fellner – durch die Aussagen Beinschabs „endlich in Luft aufgelöst“. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sprach hingegen von einem reinen Ablenkungsmanöver.

Karmasin war im Dezember 2013 auf einem ÖVP-Ticket in die rot-schwarze Regierung unter Kanzler Werner Faymann (SPÖ) gekommen. Nach den Nationalratswahlen 2017 schied sie aus der Politik aus und gründete ein neues Unternehmen.

Für Karmasin gilt wie für alle anderen Beschuldigten in der ÖVP-Inseratenaffäre die Unschuldsvermutung. Die Ermittlungen der WKStA richten sich neben Karmasin vor allem gegen Kurz, den ehemaligen Kabinettschef und Generalsekretär des Finanzministeriums und späteren ÖBAG-Chef Thomas Schmid, mehrere enge Kurz-Vertraute sowie die Medienmacher Wolfgang und Helmuth Fellner.