Wien kontert Moskau nach scharfer Kritik

Mit außergewöhnlich scharfen Aussagen hat das russische Außenministerium gestern Nachmittag Aussagen von Bundeskanzler Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) zum Ukraine-Krieg kritisiert. Österreichische Amtsträger hätten in den vergangenen Tagen „einseitige und empörende Aussagen“ zur Situation in der Ukraine getätigt. Das Außenministerium antwortete prompt.

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Heute wies auch Nehammer die russischen Vorwürfe gegenüber Österreich zurück: „Ich habe als Bundeskanzler der Republik Österreich im Parlament erklärt, dass russische Soldaten Österreich befreit haben und die Nazis besiegt haben.“ Gleichzeitig sei es „aber auch ein Faktum, dass Österreich zehn Jahre danach frei“ wurde, „indem es sich zur immerwährenden Neutralität bekannt hat, und das war eine Bedingung der Sowjets damals“, so der Kanzler.

Debatte über Österreichs Neutralität

Unterdessen nimmt die Debatte über Österreichs Neutralität Fahrt auf. Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol plädierte heute in der „Kleinen Zeitung“ für einen NATO-Betritt bzw. die Mitarbeit an einer europäischen Armee der EU: „Ein neutraler oder bündnisloser Staat bleibt allein, wenn er angegriffen wird“, argumentierte er. Für ÖVP-Wehrsprecher Friedrich Ofenauer muss über die Neutralität und ihre Ausgestaltung „ernsthaft diskutiert werden“.

Für Khol zeigt das Beispiel der Ukraine, dass nur Bündnismitglieder geschützt werden. Gleichzeitig würden drei Viertel der Österreicher noch immer fest hinter der Neutralität stehen, schrieb er in einem Gastkommentar in der „Kleinen Zeitung“. Diese müssten über die Folgen des russischen Angriffs informiert und von „den neuen Notwendigkeiten des Schutzes“ überzeugt werden. Auch der frühere Kommandant der Streitkräfte Günter Höfler will Österreich in der NATO sehen.

SPÖ für Neutralität und Solidarität

Von der SPÖ kam eine Absage. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner machte sich in ihrem Gastkommentar in der „Kleinen Zeitung“ für die Neutralität stark: Diese stärke „als Eckpfeiler der österreichischen Außenpolitik unsere Sicherheit“. Im Sinne einer engagierten Neutralität könne Österreich dabei trotzdem klar Stellung beziehen, wenn Völkerrecht gebrochen werde. Auch die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) pochte in der ORF-Sendung „Hohes Haus“ auf die Beibehaltung einer „aktiven Neutralitätspolitik“, mit Verpflichtung zu Solidarität.

„Österreich ist eine Dialogmacht, deshalb sind wir auch UNO-Standort, deshalb finden bei uns Abrüstungs- und Friedensgespräche statt.“ Das habe mit der Neutralität zu tun, und das solle man aus sicherheitspolitischen Gründen auch nicht aufs Spiel setzen, so Bures. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried forderte per Aussendung von Bundeskanzler Nehammer und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) eine „unmissverständliche Klarstellung der ÖVP-Position zur Neutralität“.

FPÖ gegen NATO-Beitritt

Die FPÖ hält ebenfalls an der Neutralität fest: Nationalratspräsident Norbert Hofer twitterte, Österreich solle die Neutralität im Rahmen der umfassenden Landesverteidigung (militärisch, wirtschaftlich, zivil, geistig) schützen. „Seien wir stolz auf unsere Neutralität, anstatt einem NATO-Beitritt das Wort zu reden.“

Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek, Chef der steirischen FPÖ, sprach sich in der „Kleinen Zeitung“ ebenfalls dagegen aus, mit Blick auf die Ukraine „die ‚immerwährende Neutralität‘ Österreichs kurzerhand über Bord zu werfen“. Nehammer müsse vielmehr die „Neutralität wieder aktiv mit Leben befüllen und die militärische Landesverteidigung in den Fokus rücken“.

Bei NEOS sieht man Handlungsbedarf. Rechtlich habe Österreich seine Neutralität durch die unionsrechtlichen Verpflichtungen im Rahmen der Verträge von Maastricht, Nizza, Amsterdam und Lissabon ohnehin aufgegeben, „auch wenn die Politik wider besseres Wissen Werbung mit ihr macht“, so Gründungsmitglied Veit V. Dengler in einem Kommentar für den „Standard“. Nun sei es Zeit, „die verbliebenen Reste der Neutralität zu beseitigen“. Die EU reiche als Schutzgemeinschaft nicht. Das einzige funktionierende und historisch sehr erfolgreiche Verteidigungsbündnis sei die NATO und Österreichs Beitritt zu dieser sei fällig.