Viele Sonnenblumen-Anstecker als Zeichen der Unterstützung für die Ukraine auf einer Demonstration
APA/AFP/Getty Images/Alex Wong
Von Widerstand bis Propaganda

Kampf der Symbole im Ukraine-Krieg

Sowohl auf ukrainischer als auch auf russischer Seite hat der Krieg zahlreiche neue Symbole hervorgebracht, die polarisieren – und deren Bedeutung wie etwa im Fall des russischen „Z“ nach wie vor umstritten ist. Eine gelbe Sonnenblume hat als inoffizielles Staatssymbol der Ukraine besondere Bedeutung erlangt – und ist zum internationalen Ausdruck der Solidarität und des Widerstands avanciert.

„Nehmt Sonnenblumensamen und gebt sie in eure Taschen, damit zumindest Sonnenblumen wachsen, wenn ihr hier alle sterben werdet.“ Mit diesen Worten konfrontierte eine ukrainische Zivilistin russische Soldaten kurz nach Kriegsbeginn in der Stadt Henitschesk in der Nähe von Cherson und erntete damit großen Zuspruch in den sozialen Netzwerken.

Das Video, das das Wortgefecht zwischen der aufgebrachten Ukrainerin und einem um Deeskalation bemühten russischen Soldaten festhielt, wurde innerhalb kürzester Zeit millionenfach angeklickt und lenkte zum ersten Mal internationale Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Sonnenblume für das ukrainische Selbstverständnis.

Demonstrierende auf der ganzen Welt lassen sich seitdem bei Kundgebungen zur Unterstützung der Ukraine mit Sonnenblumenkränzen auf dem Kopf fotografieren, Twitter-User haben ihrem Profil ein Sonnenblumen-Emoji hinzugefügt, und auch Politikerinnen und Politiker zeigen sich bei offiziellen Anlässen mit Sonnenblumendetails auf ihrer Kleidung.

US-First-Lady Jill Biden trägt eine Maske mit aufgestickter Sonnenblume
APA/AFP/Brendan Smialowski
Die First Lady der USA, Jill Biden, solidarisierte sich bei einer Veranstaltung zur Feier des „Black History Month“ mit der Ukraine

Sonnenblumenöl als ukrainischer Wirtschaftsfaktor

Sonjaschnyks, so die ukrainische Bezeichnung der Blumen, sind vor allem wegen ihres Öls von Bedeutung für die ukrainische Wirtschaft. Laut Schätzungen der „Frankfurter Allgemeinen“ ist die Ukraine für rund die Hälfte der internationalen Sonnenblumenexporte verantwortlich, durch die Omnipräsenz der Sonnenblume im ukrainischen Landschaftsbild galt sie schon vor dem Krieg als inoffizielles Symbol der Nation.

Als die Ukraine im Juni 1996 in Folge des Budapester Memorandums ihre nuklearen Waffen aufgab, kam die Sonnenblume zum ersten Mal als Symbol des Friedens zum Einsatz, als US-amerikanische, russische und ukrainische Verteidigungsminister gemeinsam Sonnenblumenkerne auf einem Feld im Süden der Ukraine säten.

Madonna mit Waffe als Widerstandssymbol

Ein weiteres neues Internetsujet des Widerstands, das allerdings gerade in religiösen Kreisen nicht unumstritten ist, ist die „heilige Javelin“. Das Bild der Madonna, die nach einer Panzerabwehrwaffe benannt ist und diese auch in ihren Händen hält, kann mittlerweile sogar in einem von einem kanadischen Journalisten eigens dafür eingerichteten Webshop bestellt werden.

„Ein Freund von mir, der in der ukrainischen Rüstungsindustrie arbeitet, hatte ein paar Aufkleber mit dem Internet-Meme angefertigt und sie Freunden in Europa geschickt. Das Bild ist ein Symbol für die Solidarität mit der Ukraine", so der ehemalige Ukraine-Berichterstatter Christian Borys gegenüber Euronews.

Zunächst habe er den Aufkleber nur auf sein Auto geklebt, dann sei ihm die Idee gekommen, Sticker der „heiligen Javelin“ im Internet zu verkaufen und die Einnahmen an die Ukraine zu spenden. Innerhalb kürzester Zeit habe er bereits einen Scheck über 350.000 Dollar an die Organisation Help us Help ausstellen können, so Borys auf der Social-Media-Plattform Instagram.

Trysub als Verbindungssymbol zur Kiewer Rus

Auch das Sujet des ukrainischen Dreizacks („Trysub“), das ursprünglich den Sturzflug eines Falken auf seine Beute darstellte, wird in sozialen Netzwerken geteilt. Es wurde bereits auf Münzen der Kiewer Rus im Mittelalter abgedruckt, avancierte im 19. Jahrhundert zum Symbol der ukrainischen Unabhängigkeit und galt in der Sowjetunion als verboten.

Laut der Zeitschrift „OST-WEST. Europäische Perspektiven“ stellte der Trysub gerade für den Westen der Ukraine durch seine Verbindung zur Kiewer Rus eine ukrainische Gegengeschichte zu der imperialen russischen und sowjetischen Geschichte dar.

Ukrainische Hilfskräfte vor einem zerstörten Gebäude in Charkiw, vor dessen Eingang eine Fahne mit Dreizack liegt
AP/Pavel Dorogoy
Der ukrainische Trysub geht auf die Kiewer Rus zurück und steht für altehrwürdige Traditionen, Unabhängigkeit und Freiheit

Als in den frühen 90er Jahren diskutiert wurde, ob er Staatssymbol der Ukraine werden sollte, löste das gerade in den südlichen und östlichen Regionen der Ukraine Debatten aus, die von unterschiedlichen regionalen Erinnerungskulturen geprägt waren. Heute ist der Trysub nicht nur auf dem Staatswappen, sondern auch auf offiziellen Briefmarken, Münzen und Geldscheinen abgebildet.

Buchstaben mit umstrittener Bedeutung

Aber auch auf russischer Seite hat der Krieg neue Symbole hervorgebracht. Auf Bildern von russischen Miltärfahrzeugen ist häufig ein Z zu sehen, manchmal auch gemeinsam mit einem V, umschlossen von einem weißen Dreieck, Quadrat oder Kreis oder mit roten und weißen Dreiecken, Kreisen und Schrägstrichen versehen. Auch auf Anzeigetafeln in U-Bahn-Stationen in Moskau und St. Petersburg wird das Z mittlerweile prominent abgebildet.

Dass ausgerechnet lateinische Buchstaben verwendet werden, die im in Russland gebräuchlichen kyrillischen Alphabet nicht existieren, ruft Spekulationen hervor. Es könne sich um eine Verteidigungsstrategie handeln, lautet eine Theorie. Laut Militäranalysten der „Stuttgarter Zeitung“ dienen die Buchstaben zur Unterscheidung zwischen russischen und ukrainischen Militärfahrzeugen – andere wiederum verweisen darauf, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski den Buchstaben in seinem Wahlkampf als Emblem gewählt hatte.

Symbol „Z“ auf russischen Panzern
Reuters/Alexander Ermochenko
Laut Militäranalysten könnte das aufgemalte Z zur Unterscheidung zwischen russischen und ukrainischen Militärfahrzeugen dienen

Eine Woche nach Beginn der Invasion in die Ukraine klärte scheinbar ausgerechnet das russische Militär auf Instagram über seine Symbole auf: So stünden die Buchstaben für die Anfangsbuchstaben russischer Parolen. Z komme von „Za pobyedu“, in deutscher Schreibweise „Sa pobjedu", was „Für den Sieg“ bedeutet. V steht laut dem russischen Verteidigungsministerium für die englische Transkription der Präposition aus der russischen Phrase „Sila v pravdye“ beziehungsweise „Sila w prawdje“: „In der Wahrheit liegt die Kraft“.

Schon früh meinte auch die Ukraine, die Bedeutung entschlüsselt zu haben. Ihrer Erklärung zufolge handelt es sich um einen Hinweis für russische Einheiten, woher die jeweilige Truppe stamme. Ukrainische Streitkräfte nutzen den Buchstaben längst für eigene Zwecke und pinseln auf unschädlich gemachte russische Panzer rund um das Z in derber Sprache: „Putinu pizdez“ – auf Deutsch etwa: „Putin, du bist im Arsch“.

Z als politische Positionierung

Fest steht, dass das Z-Symbol mittlerweile auch gezielt von der russischen Regierung eingesetzt wird, um für sich zu werben und die russische Bevölkerung zu mobilisieren. In einem Kinderhospiz im Stadtzentrum von Kasan wurden die Patienten laut „Washington Post“ am Samstag nach draußen getrieben, um den Buchstaben für ein Fotoshooting zu formen. Bei dem Turnweltcup am Samstag in Doha erregte der russische Turner Ivan Kuliak Aufsehen, da er mit einem Z über dem Logo des russischen Turnverbands auftrat.

Er nutzte offenbar die letzte Möglichkeit, um einer breiten Öffentlichkeit seine Unterstützung für den russischen Militäreinsatz in der Ukraine mitzuteilen – denn am Montag traten die Sanktionen des Internationalen Turnverbands (FIG) in Kraft. „Russische Athleten auszuschließen wird sie auch schützen“, schrieb der Generaldirektor der Athletenvereinigung Global Athlete, Rob Koehler, über die Sanktionen auf Twitter. „Putin verwendet Athleten für Propaganda.“

Ein Mann geht an einer Busstation mit dem Symbol „Z“ in Sankt Petersburg vorbei
Reuters
Der Buchstabe Z gilt als Symbol der Unterstützung des russischen Einmarschs in die Ukraine

Obwohl die Bedeutung des Buchstaben selbst in Russland nicht allen klar zu sein scheint, taucht das Z in immer mehr regierungsfreundlichen Videos oder in den Profilen von Politikerinnen und Politikern in den sozialen Netzwerken auf. Der russische Staatssender Russia Today begann bereits kurz nach Beginn des Krieges mit dem Verkauf von Z-Merchandising. Der russisch-amerikanische Medienanalyst Vasily Gatov schloss gegenüber der „New York Times“ nicht aus, dass russische Propagandisten dafür bezahlt werden würden, Z-Bilder in den sozialen Netzwerken zu verbreiten.

Zeichen der Unterstützung und Einschüchterung

„Ich weiß nicht, woher dieses Symbol stammt“, sagte der nationalistische russische Aktivist Anton Demidow, nachdem das Symbol in einem seiner Videos verwendet wurde. „Das Symbol ist nicht wichtig. Wichtig ist die Position, die es vertritt, und das ist, dass wir verstehen, dass wir unseren Präsidenten und unsere Armee bei ihrer schwierigen Aufgabe unterstützen müssen.“

Das Zeichen soll offenbar auch zur Einschüchterung der eigenen Bevölkerung dienen: Am 5. März kursierten in den sozialen Netzwerken Bilder der Moskauer Wohnung von Rita Flores, Mitglied der in Russland umstrittenen Band Pussy Riot, auf deren Tür ein Z und der Satz „We will end this war“ gesprüht worden war. Auch der russische Filmkritiker Anton Dolin erklärte am 6. März auf Twitter, dass ein Z auf seine Tür gesprüht worden war. Inzwischen sei er mit seiner Familie nach Lettland geflohen.

Kritik an nationalsozialistischen Verbindungen

Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksii Resnikow verglich das Symbol am Montag mit der Ikonografie Nazi-Deutschlands und postete ein Bild eines hakenkreuzähnlichen Logos, das aus zwei ineinander verwobenen Zs besteht. „1943 gab es in der Nähe des Konzentrationslagers Sachsenhausen einen Bahnhof Z, an dem Massenmorde begangen wurden“, schrieb Resnikow in einem Tweet.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte seine Invasion in die Ukraine unter anderem damit gerechtfertigt, dass er das Land von Neonazis befreien wolle. Gemeint sind rechtsradikale Gruppierungen rund um das Asow-Regiment, die sich ebenfalls runischer Symbole bedienen, die an jene der Nazis erinnern.

Bei den letzten demokratischen Wahlen wurde das jedoch nicht abgebildet: 2014 scheiterte die rechtsradikale Partei Swoboda deutlich an der Fünfprozenthürde, 2019 erreichte sie bei der Parlamentswahl trotz einer Wahlallianz nur mehr 2,15 Prozent.