Gaskraftwerk
APA/Roland Schlager
WKO fordert Verschiebung

Streit über CO2-Bepreisung

Paktiert, beschlossen und budgetiert – und trotzdem soll sie vorerst nicht kommen, wenn es nach dem Willen der Wirtschaftskammer geht: Die CO2-Bepreisung, ab 1. Juli geplant, solle verschoben werden, fordert WKO-Chef Harald Mahrer (ÖVP) und verweist auf den Ukraine-Krieg und die steigenden Gas- und Ölpreise. Vor allem vom grünen Koalitionspartner kommt heftiger Widerstand.

Die Einführung eines Preises für die Produktion von CO2-Abgasen – geplant ist zum Start ein Preis von 30 Euro je Tonne – ist ein zentrales grünes Projekt und ein erster Schritt zum von der Regierung selbst gesteckten Ziel der Klimaneutralität bis 2035. Umwelt-NGOs und Fachleuten zufolge ist der Preis ohnehin zu niedrig. Der Vorstoß der Wirtschaftskammer dürfte in der Koalition jedenfalls noch ein weiteres Feld für Debatten und Spannungen eröffnen.

Generalsekretär Karlheinz Kopf (ÖVP) sprach sich am Montag für eine Verschiebung um mindestens ein Jahr, vielleicht auch zwei Jahre aus. Kopf sagte, es brauche angesichts der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs eine Debatte, ob der geplante Preis von 30 Euro pro Tonne CO2 ausgerechnet am 1. Juli dieses Jahres eingeführt werden solle.

Kopf und Mahrer wehren sich gegen Kritik

Kopf betonte gleichzeitig, das Modell an sich, also die Umweltkosten der Treibhausgasemissionen mit einem Preis zu versehen, nicht infrage zu stellen. Mahrer wiederum argumentierte, dass die Preise nun ohnehin sehr hoch seien und Marktmechanismen greifen.

Klimaschützer werfen der Wirtschaftskammer seit Längerem sozusagen fossilen Lobbyismus vor. Mahrer wehrte sich in der Pressekonferenz dagegen. Dieser Vorwurf sei „extrem polemisch“.

Grüne: „Ehemalige Putin-Anbiederer“

Scharfe Kritik an der Wirtschaftskammer äußerte am Montag die Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth: „Einmal mehr outen sich die ÖVP-Wirtschaftsbundvertreter als Lobbyisten der fossilen Industrie.“ Die „ehemaligen Putin-Anbiederer“ würden sich nun hinstellen, um bereits Beschlossenes wieder aufzumachen, so Jungwirth.

Der Klimasprecher der Grünen, Lukas Hammer, warf der Wirtschaftskammer in einem Statement gegenüber ORF.at vor, eine „Scheindebatte, die komplett am Thema vorbeiführt“, loszutreten. Russland habe im letzten Winter die Gaslieferungen gedrosselt – das und die Invasion in die Ukraine treibe den Öl- und Gaspreis in die Höhe. Mit Klimaschutz habe das „nichts zu tun“. Das zeige im Gegenteil, wie wichtig es sei, sich von Öl und Gas aus autokratischen Ländern unabhängig zu machen.

Hammer verwies zudem darauf, dass mit dem Klimabonus und dem Preisstabilitätsmechanismus genau für derartige Situationen vorgesorgt werde: Alle Einnahmen aus der CO2-Steuer würden rückverteilt. Außerdem reduziere sich der CO2-Preisanstieg automatisch, wenn die Energiepreise zu hoch seien.

WWF: „Fossile Klientelpolitik“

Auch für den WWF hält die Wirtschaftskammer mit ihrer Forderung, die Einführung der CO2-Bepreisung zu verschieben, an ihrer „langjährigen fossilen Klientelpolitik“ fest. „Die Wirtschaftskammer ist mitverantwortlich dafür, dass Österreich heute derart stark von fossilen Energieträgern abhängig ist und damit auch kriegsführende Länder wie Russland finanziert werden“, erklärte WWF-Klimasprecher Karl Schellmann. Auch andere Umweltschutzorganisationen schlossen sich der Kritik an. Global 2000 erinnerte daran, dass der Preis von 30 Euro pro Tonne CO₂ ohnehin viel zu niedrig sei. Greenpeace wiederum forderte eine „Akut-Milliarde für Erneuerbare“.

WKO stellt CO2-Bepreisung infrage

Die Wirtschaftskammer (WKO) hat die Einführung des CO2-Preises mit 1. Juli infrage gestellt. Generalsekretär Karlheinz Kopf sprach sich für eine Verschiebung um mindestens ein Jahr, vielleicht auch zwei Jahre aus, wie er am Montag sagte.

Kopf: Markt wirkt stärker als CO2-Steuer

Wirtschaftskammer-Funktionär Kopf argumentierte zuvor, dass die derzeit hohen Energiepreise einen viel größeren Lenkungseffekt hätten als die CO2-Bepreisung. „Die Grundphilosophie, fossile Energie zu verteuern, um den Umstieg zu beschleunigen, die bleibt aufrecht, aber dafür tut im Moment der Markt ein Vielfaches. Ob es da wirklich besonders schlau ist oder umgekehrt gesagt, sogar zynisch wäre, das jetzt noch obendrauf zu setzen, das darf zumindest diskutiert werden“, sagte Kopf.

Der hohe Preis werde mit Sicherheit dazu führen, dass die, die eine Umstiegsmöglichkeit haben, schneller umsteigen. „Aber wir laufen Gefahr, dass wir in einem Monat kein Gas mehr haben, wenn der Gashahn zu ist, so schnell wird der Umstieg nicht gehen“, sieht Kopf die Prioritäten bei der Versorgungssicherheit. „Wenn wir nicht kalte Wohnungen und stehende Betriebe haben wollen, dann müssen blitzartig Alternativen her.“

Mahrer: Gasverbrauch bis 2040 auf aktuellem Niveau

Mahrer und Kopf legten dar, dass sich Gas in vielen Bereichen der Industrie nicht ersetzen lasse und der Gasverbrauch auch 2040 noch ähnlich hoch sein werde wie heute. Kurzfristig brauche man Gas aus Algerien, Libyen, der Golfregion und den USA, dieses solle später durch grünes Gas und grünen Wasserstoff ersetzt werden. Allerdings müssten auch diese erneuerbaren Energieträger importiert werden, weil Österreich zu wenig Erzeugungskapazitäten habe.

Derzeit werden rund 40 Prozent des Erdgases von der Industrie benötigt. In der Produktion etwa von Zement, Papier, Stahl, Glas und auch Kunstdünger sei Gas derzeit noch nicht ersetzbar. Weitere 30 Prozent des Gases würden für Strom und Fernwärme verbrannt und 20 Prozent von den Haushalten. Selbst die grüne Energieministerin (Leonore Gewessler, Anm.) sehe derzeit keine andere Möglichkeit als alternative Erdgasquellen zu erschließen.

Forderungen der Wirtschaft

Österreich, das derzeit 80 Prozent des Gasverbrauchs von 90 Terawattstunden jährlich aus Russland bezieht, werde dennoch noch länger von russischem Gas abhängig bleiben, schätzt Kopf.

Zur schrittweisen Reduktion der Abhängigkeit müssten die Potenziale zur Energiegewinnung in Österreich genützt werden, so Kopf. Es brauche dringend die Verordnungen für Investitionszuschüsse für Biomethan und Wasserstoff sowie einen Rechtsrahmen für grünes Gas und eine höhere Beimischung von Bioethanol zu den Treibstoffen. UVP-Verfahren für den Bau von Wasserkraftwerken und Windrädern müssten beschleunigt werden, auch in Hinblick darauf, dass sich der Strombedarf durch die Elektromobilität verdoppeln werde, so Kopf.