Chodorkowski: Putin kann Krieg nicht lange fortführen

Der nach jahrelanger Inhaftierung im britischen Exil lebende russische Regimekritiker Michail Chodorkowski glaubt nicht, dass Präsident Wladimir Putin den Krieg in der Ukraine lange fortsetzen können wird.

„Ich glaube, Putin wird in ein paar Wochen verstehen, dass seine Armee in einem Gebiet mit feindlicher Bevölkerung nicht versorgt werden kann.“ Putin werde auch nicht gegen ukrainische Städte vorgehen können, sagte Chodorkowski gestern Abend in der ZIB2.

Daher werde der Machthaber mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski Verhandlungen aufnehmen müssen – „aber aus einer schwachen Position heraus. Eine Alternative wäre, taktische Atomwaffen in der Ukraine einzusetzen, aber das wäre Selbstmord.“

Er könne sich ein Kernwaffenszenario daher „nur schwer vorstellen“, so der frühere Chef des Ölkonzerns Yukos. Putin sei „ein besessener Mensch und nicht ganz berechenbar, aber er ist kein Selbstmörder“.

Drei Fehler Putins

Aus Sicht Chodorkowskis hat der Kreml-Chef in seiner Ukraine-Politik drei große Fehler gemacht: Putin habe den sehr ernsten militärischen Widerstand der Ukraine unterschätzt. Er habe die eigene Armee überschätzt.

Zudem werde die Propaganda von Russland als „Befreier vor einer Kiewer Junta“, die sich Putin selbst ausgedacht habe und auch selbst glaube, bei den Russen zerbrechen, wenn Russen und Ukrainer gegeneinander kämpften.

Zugleich seien die russischen Truppen in der Ukraine die gleichen, die in Russland Proteste niederschlagen: Je mehr Truppen Putin in die Ukraine schicke, desto schwieriger werde es, Proteste in Russland zu unterdrücken. Putin habe nicht genügend Soldaten für beides zur Verfügung.

„Und die Proteste (in Russland) werden zunehmen, sobald die Menschen die Sanktionen in der eigenen Geldbörse spüren und sobald Putin den Tod von Soldaten nicht mehr vertuschen kann; und diese Möglichkeit verliert er bereits.“ Chodorkowski bezweifelte zugleich die Loyalität der russischen Streitkräfte gegenüber dem Präsidenten.