Hofburg mit drastischer Kritik an Tanners Heeresreform

Mitten in die Debatte um die nationale Sicherheitsarchitektur, die der Ukraine-Krieg ausgelöst hatte, tobt ein Streit zwischen der Präsidentschaftskanzlei und dem Verteidigungsministerium. Der frühere Verteidigungsminister Thomas Starlinger und Adjutant von Bundespräsident Alexander Van der Bellen sieht in der geplanten Reorganisation des Bundesheeres eine große Gefahr für „die zukünftige Einsatzführung des österreichischen Bundesheers“, berichtete der „Standard“ gestern.

Die Reform sieht kurz gesagt vor, dass aus fünf Sektionen künftig drei Generaldirektionen werden, von denen zwei zivil geführt sind. Starlinger kritisiert laut dem „Standard“-Bericht in einer E-Mail an das Verteidigungsministerium, dass bei dieser neuen Struktur die strategischen, operativen und taktischen Ebenen verschmolzen werden. Für eine solche militärische Struktur gebe es international keine Vorbilder. Durch die vielen verschiedenen Direktorate, die den drei Generaldirektionen unterstehen, „verkomplizieren“ sich außerdem die Arbeitsbeziehungen, argumentiert Starlinger. Das sei ihm schon von anderen Kommandanten und „einigen Direktoren“ bestätigt worden.

Unterschiedliche Ansichten

Aber auch andere Pläne „gefährden eine praktikable Einsatzführung im höchsten Ausmaß“, schreibt Starlinger: etwa dass die Direktorate auf drei Standorte aufgeteilt werden, nämlich Wien, Graz und Salzburg. Dass das Ministerium offenbar auf Videokonferenzen setzt, „kann aufgrund der massiven Bedrohung von Kommunikationssystemen in einem militärischen Anlassfall als im höchsten Ausmaß ‚unzuverlässig‘ beurteilt werden“, kritisiert Starlinger.

Im Hintergrund heißt es, dass der Konflikt vor allem ein Match zwischen Starlinger und Rudolf Striedinger sei. Letzterer ist Tanners Kabinettschef, zuvor war er im Abwehramt tätig. Beide sollen auf die Position des Generalstabchefs spitzen, die im Juni 2022 frei wird – und stark unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft des Heeres haben. Striedinger, der auch dem CoV-Beratungsstab GECKO vorsteht, erklärte vor zwei Jahren die militärische Landesverteidigung für obsolet und kündigte an, diese auf ein Minimum reduzieren zu wollen. Das Militär solle sich auf Cyberdefence und Katastrophenschutz konzentrieren, meinte Striedinger. Starlinger soll dagegen auf konventionelle Konflikte fokussiert sein.

„Gespräche laufen“

Auf Anfrage betont die Präsidentschaftskanzlei, dass derzeit „konstruktive Gespräche“ mit dem Ministerium liefen. Aus dem Büro Tanner heißt es: „Sowohl das Konzept als auch die Vorgehensweise, insbesondere die begleitende Kontrolle durch die Direktion Kontrolle wurden mit Generalmajor Starlinger abgestimmt. Auch in der Überleitungsphase wurden der Herr Bundespräsident, die Wehrsprecher der Parteien, die Bundesheerkommission und der Bundesrat mehrfach über den Stand informiert.“ Man sei laufend in Abstimmungsgesprächen.

SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer sah sich in seiner Kritik an der Reform bestätigt: „Diese Reform muss gestoppt werden. Der Bundeskanzler kann nicht weiter zusehen, wie seine Verteidigungsministerin die Wehrfähigkeit unseres Bundesheeres für eine Postenschacherreform aufs Spiel setzt. Die Einsatzfähigkeit und Einsatzorientierung des Bundesheeres erfahren keinen Mehrwert durch diese hochbürokratische Reform.“ Laimer warnte in einer Aussendung davor das Bundesheer zu einer Sicherheitsbehörde wie die Polizei zu machen: „Das Bundesheer braucht keine Direktoren, es braucht Kommandanten.“