Brennendes Auto vor bombardiertem Krankenhaus, Mariupol
Reuters/National Police Of Ukraine
Vor hochrangigen Gesprächen

Russland intensiviert Angriff auf Zivilgebiete

Der Krieg in der Ukraine geht in die dritte Woche, auch der Mittwoch war von heftigen Gefechten geprägt. Neue Satellitenbilder von Mariupol zeigten zerstörte Wohnhäuser, für Entsetzen sorgten Vorwürfe, denen zufolge Russland eine Geburtenklinik in der Stadt beschossen hat. Am Donnerstag soll es zum Treffen des ukrainischen und des russischen Außenministers kommen, doch die Erwartungen sind gedämpft.

Die strategisch wichtige Hafenstadt wird seit Tagen von russischen Truppen belagert. Mehrere vereinbarte Versuche, Menschen über Fluchtkorridore in Sicherheit zu bringen, scheiterten. Die beiden Seiten gaben sich gegenseitig dafür die Schuld. Nach Angaben des Chefs der Militärverwaltung des Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, wurden in Mariupol seit Beginn der Kämpfe 1.207 Zivilistinnen und Zivilisten getötet. Diese Zahl lässt sich nicht unabhängig überprüfen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski veröffentlichte zuvor auf Twitter ein Video, das völlig verwüstete Räume der Geburtenklinik zeigen soll. Demzufolge müssen eines oder mehrere Geschoße oder Bomben im Hof des Klinikkomplexes eingeschlagen sein. Bei dem Angriff seien 17 Schwangere und Mitarbeiter verletzt worden, so Kyrylenko. Von russischer Seite gab es bisher keine Stellungnahme dazu. Moskau betont stets, keine zivilen Ziele zu attackieren.

Satellitenbilder zeigen Ausmaß der Zerstörung

Neue Satellitenbilder aus Mariupol von Mittwochvormittag gaben unterdessen einen Eindruck vom Ausmaß der Zerstörung in der Hafenstadt. Zu sehen sind darauf unter anderem zerstörte Wohnhäuser und Geschäfte.

Satellitenbild zeigt Wohngegend in Mariupol im Februar 2022
Satellitenbild zeigt Wohngegend in Mariupol am 9. März 2022
AP/2022 Maxar Technologies AP/2022 Maxar Technologies

Rettung geht nur langsam voran

Die Rettung von Zivilistinnen und Zivilisten kommt weiter nur langsam voran, vielerorts wurde am Mittwoch von neuen Zwischenfällen berichtet. Allein in Mariupol sitzen Hunderttausende unter katastrophalen Bedingungen fest. Russland macht die Ukraine für die Probleme bei der Evakuierung verantwortlich, die Ukraine beschuldigt Russland, die Fluchtkorridore zu beschießen.

Putin-Biografin zur Lage in der Ukraine

Eine friedliche Lösung des Ukraine-Kriegs ist weiterhin nicht in Sicht, sagt die Putin-Biografin Katja Gogler im ZIB2-Schaltgespräch.

Dennoch gibt es offenbar leichte Fortschritte. „Innerhalb von 24 Stunden gelang es, 40.000 Frauen und Kinder aus allen Ecken der Ukraine herauszubringen“, sagte David Arachamija von Selenskis Präsidentenpartei Sluha Narodu (Diener des Volkes). „Wir haben versucht, 100.000 zu schaffen, doch gelang es nicht.“ Es werde weiter versucht, Menschen zu retten, „am problematischsten sind die Abschnitte Mariupol, Charkiw und das Gebiet Kiew“.

Hoffnung auf hochrangiges Treffen am Donnerstag

Unterdessen gibt es zumindest etwas Hoffnung auf eine Annäherung. Am Donnerstag wollen der russische Außenminister Sergej Lawrow und sein ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba im türkischen Antalya zusammenkommen – es wäre das ranghöchste Gespräch seit Kriegsbeginn. Beide trafen am Mittwochabend in der türkischen Stadt ein. Angekündigt sind Verhandlungen gemeinsam mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu.

Bildmontage zeigt den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und den russischen Außenminister Sergei Lavrov
APA/AFP/Olivier Douliery, Sergei Ilnitsky (Montage)
In Antalya treffen die beiden Außenminister Kuleba (l.) und Lawrow (r.) zusammen

Selenski betonte vor dem Treffen seine Kompromissbereitschaft. „In jeder Verhandlung ist mein Ziel, den Krieg mit Russland zu beenden. Und ich bin auch bereit zu bestimmten Schritten“, sagte er der „Bild“. Selenski und seine Berater deuten inzwischen an, dass die Ukraine nicht mehr auf einer sofortigen NATO-Mitgliedschaft beharrt. Man schließe nicht aus, über eine Neutralität des Landes zu sprechen, sagte Selenskis außenpolitischer Berater Ihor Showkwa etwa am Dienstagabend in der ARD. Das würde russischen Forderungen entgegenkommen.

Was konkret von dem Außenministertreffen zu erwarten ist, blieb aber unklar. Kuleba selbst betonte, dass seine Erwartungen gering seien. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, das Treffen sei „sehr wichtig“, er sagte aber auch: „Lassen Sie uns nicht vorgreifen. Lassen Sie uns das Treffen selbst abwarten.“ Auch Gespräche zur Sicherheit der ukrainischen Atomanlagen sollen geführt werden. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, kündigte an, dass er in die türkische Stadt reisen werde.

Auch EU will über weitere Schritte beraten

Die 27 EU-Staats- und -Regierungschefs werden unterdessen auf einem informellen Gipfel über den Krieg und die Konsequenzen beraten. Auf dem Treffen in Versailles wird es nach Angaben von EU-Diplomaten etwa um die Frage weiterer EU-Sanktionen, aber auch den ukrainischen Wunsch nach einem EU-Beitritt gehen. Während ein baldiger Beitritt als unmöglich gelte, werde eher über eine „Assoziierung plus plus“ nachgedacht, sagte ein EU-Diplomat mit Hinweis auf eine engere Anbindung der Ukraine an den EU-Binnenmarkt.

USA gegen Polens Vorschlag zu Kampfjets

Die USA haben am Mittwoch dem polnischen Vorschlag für eine Lieferung von MIG-29-Kampfjets über den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein an die Ukraine eine endgültige Absage erteilt. Die Übergabe der Kampfflugzeuge an die Ukraine könnte von Russland als Eskalation wahrgenommen werden und hätte deswegen ein zu „hohes Risiko“, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, in Washington.

„Wir unterstützen derzeit nicht den Transfer zusätzlicher Kampfflugzeuge an die ukrainische Luftwaffe und haben deswegen auch nicht den Wunsch, sie in unserer Obhut zu sehen“, sagte Kirby. Der beste Weg, die Ukraine mit militärischer Ausrüstung zu unterstützen, sei die Lieferung von Panzer- und Flugabwehrraketen, sagte der Pentagon-Sprecher. Der Nutzen einer Lieferung der polnischen Jets wäre dagegen nur „gering“. US-Vizepräsidentin Kamala Harris wird wohl auch dazu in Polens Hauptstadt Warschau Gespräche mit Staatschef Andrzej Duda und Premier Mateusz Morawiecki führen.