Einen schnellen Dancepop-Song hat Österreich quasi seit Menschengedenken nicht mehr zum Song Contest geschickt. Dafür geht es in „Halo“ aber wirklich flott zur Sache, blickt man auf das restliche Teilnehmerfeld, ist das jedenfalls tendenziell ein Alleinstellungsmerkmal.
Mit Autotune-Stimme, geschickten Tempowechseln und einem eingängigen zweiteiligen Refrain sollte der Song jedenfalls ins Ohr gehen – um dort bestenfalls auch zu bleiben. Auch das im Kunsthistorischen Museum gedrehte Video verrät, wo die Reise hingehen sollen: zu einer opulenten Dance-Party.
LUM!X feat. Pia Maria – „Halo“
Österreichs Betrag zum Song Contest 2022: LUM!X feat. Pia Maria – „Halo“
Soundtrack für die Rückkehr zum normalen Leben
LUM!X alias Luca Michlmayr hat trotz seines jungen Alters bereits eine große internationale Fangemeinde in der einschlägig interessierten Musikszene. Ein Remix seines Songs „Monster“ wurde 2019 zum internationalen Hit – in Kollaboration mit dem Italiener Gabry Ponte. Mit „Thunder“ im Vorjahr und „The Passenger (LaLaLa)“ 2020 feierte er ebenfalls Erfolge. Nun gilt es, das auf der großen Bühne des Song Contests gemeinsam mit Sängerin Pia Maria ein bisschen radiotauglicher und mit mehr Text als bisher auf die nächste Stufe zu heben.
„Halo“ richtet sich jedenfalls an das junge Song-Contest-Publikum, musikalisch wie textlich. LUM!X sieht seinen Song als Soundtrack für die Rückkehr zum normalen Leben nach der Pandemie: „Ein Comeback vom Zu-Hause-Sitzen einer ganzen Generation. Jetzt können wir endlich wieder feiern gehen, Clubs besuchen und Spaß haben.“ Und für Pia Maria ist es „einer dieser Songs, die dir das Gefühl geben, alles schaffen zu können“.
Startplatz im ersten Semifinale
Die beiden, das steht bereits fest, werden am 10. Mai im ersten Semifinale versuchen, sich für das Finale am 14. Mai zu qualifizieren. Nach dem sensationellen dritten Platz von Cesar Sampson 2018 lief es für Österreich zuletzt weniger gut: Paenda verpasste 2019 ebenso den Finaleinzug wie Vincent Bueno im Vorjahr. 2020 fiel der Song Contest wegen der Coronavirus-Pandemie aus. Auch für Österreich kann es also fast nur bergauf gehen.

Von Krieg in der Ukraine überschattet
Ursprünglich hatte man gezittert, dass die Coronavirus-Pandemie die Veranstaltung gefährden könnte, doch wird der Bewerb von einer ganz anderen Thematik überschattet: dem Krieg in der Ukraine nach der Invasion Russlands. Der Veranstalter European Broadcasting Union (EBU) schloss nach dem Angriff – nach kurzem Zögern – Russland für den heurigen Bewerb aus. Finnland und andere Länder hatten dafür Druck gemacht: Der russische Angriff auf die Ukraine verstoße gegen alle Werte, für die man selbst ebenso stehe wie alle anderen europäischen Rundfunksender, erklärte der finnische Sender Yle. Die EBU begründete dann ihre Entscheidung damit, dass eine russische Teilnahme den Wettbewerb „in Misskredit bringen könnte“.
Als Reaktion auf den Ausschluss verließen mehrere russische Sender die EBU. Der Erste Kanal, die staatliche Medienholding WGTRK und das Radiozentrum Ostankino protestierten damit gegen den Schritt. Es handle sich um ein unangemessenes politisches Opfer, hieß es – und die russische Seite wetterte dann auch gleich gegen den ukrainischen Siegertitel „1944“ beim Event 2016 und den Ausschluss von Belarus im Vorjahr. Das Land hatte mit einem Propagandasong für das Regime antreten wollen.
Ukraine tauschte Teilnehmer aus
Auch in der Ukraine hatte es zuvor Turbulenzen gegeben: Vorausscheidungssiegerin Alina Pash geriet in die Kritik, weil sie 2015 via Moskau auf die von Russland annektierte Krim geflogen war. Pash wurde disqualifiziert, stattdessen soll die in der Vorentscheidung zweitplatzierte Band Kalush Orchestra in Turin antreten. Ob das in den Kriegswirren gelingt, steht noch nicht fest, falls ja, hat der Song „Stefania“, eine gelungene Mischung aus Folklore, Dub und Rap, aber das Potenzial, sehr viele Sympathiestimmen einzusammeln. Dass die Ukraine mit innovativen Songs punkten kann, hatte schon im Vorjahr Go_A mit „Shum“ bewiesen.
Briten wieder mit mehr Ambitionen
Ansonsten füllt sich das Feld der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zunehmend, traditionell gehören die Schweden mit ihrem Melodifestivalen zu den letzten Nationen, die Künstler und Song auswählen. Am Freitag entschied sich Deutschland, Malik Harris, Sohn des Moderators Rick Harris, mit der Nummer „Rockstars“ nach Italien zu schicken.
Am Donnerstag wurde der Kandidat des Vereinigten Königreichs präsentiert – und nach langer Durststrecke könnten die Briten wieder mal ganz vorne mitmischen. Sie schicken Jesus-Lookalike Sam Ryder, der sich für „Space Man“ ein paar Harmonien von Queen ausgeborgt hat. Jesus und Queen in Kombination ist zumindest ein Zeichen, dass die Briten den Song Contest wieder einmal ein bisschen ernster nahmen.
Prominente Finnen, doppelte Italiener
Die prominentesten Teilnehmer sind wohl die Finnen The Rasmus, die Anfang der 2000er unter anderem mit „In The Shadows“ ein paar wirkliche internationale Hits hatten. Nun treten sie mit der Nummer „Jezebel“ an.
Gastgeberland Italien tritt heuer quasi zweifach an: Das Sanremo-Festival entschied das Duo Mahmood & Blanco mit der Nummer „Brividi“ für sich. Mahmood wurde bereits 2019 beim Song Contest in Israel mit „Soldi“ Zweiter. Die Ballade mit Duettsänger Bianco liegt bei den Buchmachern gut im Rennen. Interne Konkurrenz bekommt er aber von „Enfant terrible“ Acchille Lauro, der in der italienischen Vorentscheidung unterlag, aber nun die von San Marino für sich entschied. Und der Song hält ziemlich alles, was der Titel „Stripper“ verspricht.
Norweger tanzen den Wolf
Spaßiger geht es Norwegen an. Die Band Subwoolfer bringt den Song „Give That Wolf A Banana“. Das Duo tritt inkognito auf, wer dahintersteckt, ist nicht bekannt – es gibt aber zu Recht einen heißen Verdacht: Das Comedy-Duo Ylvis hatte 2013 mit „The Fox“ einen gigantischen Hit. Beide Nummern vereint die gelungene musikalische und optische Gratwanderung zwischen Pop-Perfektionismus und Satire. Auch im Tanzstil sind deutliche Parallelen zu erkennen. Und vom Fuchs zum Wolf ist es ebenfalls nicht sehr weit.
Die Zutaten für eine gelungene Song-Contest-Woche im Mai wären also gegeben – und der Bedarf an ein paar Stunden eskapistischer Unterhaltung nach zwei Jahren Pandemie und einem Krieg in Europa auch.