Leeres Einkaufszentrum in Moskau
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Boykott und Enteignung

Eskalation an der Wirtschaftsfront

Seit dem Beginn der Invasion in die Ukraine haben Länder auf der ganzen Welt Sanktionen gegen Russland verabschiedet, die dessen wirtschaftliche Position bereits nachhaltig geschädigt haben. Auch die Ukraine kündigte an, künftig russisches Eigentum beschlagnahmen zu wollen. Russland möchte unterdessen mit neuen Maßnahmen auf den Rückzug westlicher Unternehmen reagieren.

Internationale Unternehmen, die wegen des Angriffs auf die Ukraine ihr Geschäft in Russland aussetzen, geraten jetzt ins Visier der russischen Generalstaatsanwaltschaft. Unter anderem solle dabei die Einhaltung der Verpflichtungen gegenüber russischen Arbeitnehmern und deren Rechten geprüft werden, teilte die Behörde am Freitag mit. Jede Einstellung des Betriebes solle zudem auf Anzeichen einer absichtlichen oder Scheininsolvenz geprüft werden.

Wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine stellten zahlreiche internationale Unternehmen, wie zuletzt etwa McDonald’s, Starbucks, Nestle, der Opel-Mutterkonzern Stellantis und die japanische Modekette Uniqlo, ihr Geschäft in Russland bis auf Weiteres ein. Viele von ihnen gaben dabei jedoch explizit an, dass russische Mitarbeiter weiter bezahlt werden sollen.

Russland droht mit Enteignung

Als Reaktion auf den Rückzug der westlichen Firmen droht die russische Regierung nun offen mit deren Enteignung. Die russische Regierung arbeite an Schritten, um eine Insolvenz der Firmen in Russland und dann eine Nationalisierung des Besitzes in die Wege zu leiten, sagte der Vizechef des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, am Donnerstag. Auf „Grundlage des von den Investoren in Panik“ zurückgelassenen Vermögens müsse eine neue Produktion aufgebaut werden.

Präsident Wladimir Putin unterstützte den Vorschlag und rief seine Regierung auf, „entschlossen zu handeln“, um Schaden für russische Geschäftspartner der Unternehmen abzuwenden. Dafür gebe es bereits „genug rechtliche Marktinstrumente“.

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, warnte den Kreml vor einer Enteignung. „Jede widerrechtliche Entscheidung Russlands, den Besitz dieser Unternehmen zu beschlagnahmen, wird Russland noch mehr wirtschaftlichen Schmerz bringen“, schrieb sie auf Twitter. „Eine solche Entscheidung wird der globalen Wirtschaftsgemeinschaft die klare Botschaft vermitteln, dass Russland kein sicherer Ort für Investitionen und Geschäfte ist.“

Exportverbot als Vergeltungsmaßnahme

Neben der drohenden Verstaatlichung verhängte Russland am Donnerstag auch ein Exportverbot für eine Reihe von Gütern. Davon betroffen sind mehr als 200 Produkte und Gerätschaften, die zuvor aus dem Ausland nach Russland importiert worden waren, teilte die Regierung in Moskau am Donnerstag mit.

Das Verbot betrifft den Angaben zufolge Bereiche wie Telekommunikation und Medizin, Fahrzeuge, Landwirtschaftsmaschinen und elektrische Geräte. Auch Lokomotiven, Turbinen oder Bildschirme stehen auf der Verbotsliste. Zudem sei eine Reihe von Hölzern bis Ende 2022 von der Ausfuhr in „unfreundliche“ Staaten ausgenommen. Das Verbot gelte bis Ende des Jahres.

Ukraine will russisches Eigentum beschlagnahmen

Auch die Ukraine holte zuletzt zu einem weiteren wirtschaftlichen Schlag aus, um Russlands Position im Krieg weiter zu schwächen. Am Donnerstag unterzeichnete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski ein Gesetz, das es der Ukraine erlauben soll, Eigentum Russlands und russischer Steuerzahler auf ihrem Staatsgebiet zu beschlagnahmen. Die Rechtsgrundlage sei, dass die „Russische Föderation einen Krieg gegen die Ukraine und deren Einwohner begonnen hat“.

Entscheidungen über Beschlagnahmungen werden demnach durch den Sicherheitsrat der Ukraine getroffen und per Dekret des Präsidenten in Kraft gesetzt. Kompensationen seien nicht vorgesehen. In dem Gesetz werden ausdrücklich auch Steuerresidenten als steuerpflichtige Bewohner erwähnt, deren Eigentum und Vermögen beschlagnahmt werden können. In der Ukraine haben unter anderem russische Banken und Unternehmen Vertretungen und besitzen Anteile an örtlichen Unternehmen.

Verträge mit russischen Airlines aufgelöst

Auch für Flugzeugvermieter dürfte es in nächster Zeit eng werden. Die Sanktionen des Westens gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs zwingen die westlichen Leasingfirmen, bis 28. März die Verträge mit russischen Airlines aufzulösen. Ein am Donnerstag veröffentlichter Gesetzesentwurf Russlands lässt erahnen, dass es zu jahrelangem Rechtsstreit um Jets im Wert von zehn Milliarden US-Dollar (9,1 Mrd. Euro) kommen dürfte.

Doch wie sie an die Mietobjekte kommen, ist unklar. Nach dem Entwurf des russischen Verkehrsministeriums soll im Fall der Vertragskündigung eine spezielle Regierungskommission entscheiden, ob das Flugzeug zurückgegeben werden kann oder in Russland verbleiben muss.

Insgesamt sind fast 780 Flugzeuge von russischen Fluggesellschaften geleast, davon gehören 515 ausländischen Leasinggebern. Bisher gäben die russischen Airlines die Maschinen nicht zurück, erklärte Luftfahrtexperte Bertrand Grabowski. Nur eine Handvoll Flieger, die im Ausland standen, seien gesichert worden.

Sanktionen gegen russische Parlamentarier

Nach der EU verhängt auch Großbritannien Sanktionen gegen mehrere hundert russische Parlamentarier, die für Moskaus Anerkennung der selbst ernannten ukrainischen „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk stimmten.

Wie das Außenministerium in London am Freitag mitteilte, sind von den neuen Sanktionen 386 Mitglieder der Duma betroffen. Etwaige Vermögen in Großbritannien werden eingefroren, zudem gelten ein Einreisebann und das Verbot, in Großbritannien Geschäfte zu tätigen.

Erst am Donnerstag wurde unter anderem der russische Inhaber des FC Chelsea, Roman Abramowitsch, mit Sanktionen belegt. Doch Kritikern geht auch das nicht weit genug. Sie fordern, dass noch viele weitere Oligarchen und auch Angehörige von Putin-Vertrauten ins Visier genommen werden sollen.