Die „Sailing Yacht A“ des russischen Oligarchen Andrej Melnitschenko
Reuters/Eric Gaillard
Ukraine-Krieg

Sanktionen erhöhen Druck auf Oligarchen

Der Westen erhöht weiter den Druck auf russische Oligarchen. Am Samstag wurde eine weitere Jacht, die dem russischen Milliardär Andrej Melnitschenko zugerechnet wird, in Italien festgesetzt, und die englische Premier League disqualifizierte den Eigentümer des FC Chelsea, Roman Abramowitsch, als Direktor des englischen Spitzenclubs.

Die geschätzt 530 Millionen Euro teure „Sailing Yacht A“ wurde im Hafen von Triest im Nordosten Italiens festgesetzt, teilte die italienische Finanzpolizei am Samstag mit. Der Milliardär Melnitschenko sei „indirekt“ über ein Unternehmen mit Sitz auf den Bermudas Eigentümer. Der knapp 143 Meter lange Dreimaster gilt als weltweit größter Motorsegler in Privatbesitz. Bereits vergangene Woche hatte die italienische Finanzpolizei andere mutmaßliche russische Oligarchen-Jachten festgesetzt sowie Villen russischer Milliardäre konfisziert.

Der Kohle- und Düngemittelmagnat Melnitschenko steht seit Kurzem auf der Sanktionsliste der EU, zusammen mit 160 anderen russischen Oligarchen und Abgeordneten. Nach der Beschlagnahmung teilte ein Sprecher Melnitschenkos dem „Stern“ mit: „Wir werden diese unbegründeten und ungerechtfertigten Sanktionen anfechten und glauben, dass die Rechtsstaatlichkeit und der gesunde Menschenverstand sich durchsetzen werden.“

Die „Sailing Yacht A“ des russischen Oligarchen Andrej Melnitschenko
AP/David Parody
Die „Sailing Yacht A“ gilt als weltweit größter Motorsegler in Privatbesitz

Weitere Jacht soll Putin gehören

Außerdem prüfen laut „New York Times“ die US-Geheimdienste und die italienischen Behörden derzeit, ob die in Marina di Carrara in der Toskana angedockte Megajacht „Scheherazade“ dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gehöre. Die US-Zeitung berichtete, es gebe Anzeichen dafür. Das Luxusjachtunternehmen The Italian Sea Group, das derzeit in einem Trockendock an dem 140 Meter langen Schiff arbeitet, teilte mit, dass Putin laut Dokumenten nicht der Besitzer sei.

Alleine Italien hat seit Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar Vermögenswerte russischer Staatsbürger und Staatsbürgerinnen im Wert von 700 Millionen Euro konfisziert, teilte der italienische Wirtschaftsminister Daniele Franco laut Medienangaben vom Samstag mit. Er lobte explizit das Vorgehen der ihm unterstellten Finanzpolizei.

Premier League disqualifiziert Abramowitsch

Am Donnerstag wurde auch der russische Inhaber des FC Chelsea, Roman Abramowitsch, mit Sanktionen belegt. Als Reaktion darauf disqualifizierte die englische Premier League am Samstag den Eigentümer des FC Chelsea als Direktor des englischen Spitzenclubs, teilte die Liga mit.

„Die Entscheidung des Vorstands hat keine Auswirkungen auf die Fähigkeit des Vereins, zu trainieren und seine Spiele zu bestreiten, wie es in den Bedingungen einer von der Regierung ausgestellten Lizenz festgelegt ist, die am 31. Mai 2022 ausläuft“, hieß es. Abramowitsch kündigte letzte Woche an, den Londoner Club zu verkaufen, doch dieser Verkauf ist nun auf Eis gelegt, da Chelsea mit einer Sonderlizenz der Regierung arbeitet.

Korruptionsverdacht bei Einbürgerung Abramowitschs

In Portugal geht die Justiz dem Verdacht der Korruption im Zusammenhang unter anderem mit der Einbürgerung Abramowitschs nach. Wie die Staatsanwaltschaft am Freitagabend mitteilte, wurde im Zuge der Ermittlungen der Oberrabbiner von Porto vorübergehend festgenommen. Zudem habe es mehrere Durchsuchungen gegeben. Es gehe um „Einflussnahme, aktive Korruption, Urkundenfälschung, Geldwäsche“ sowie um den Verdacht der Steuerhinterziehung, erklärte die Staatsanwaltschaft.

Stamford Bridge, das Stadion des FC Chelsea in London
Reuters/Toby Melville
Der Verkauf von Chelsea ist vorerst auf Eis gelegt

Bereits 2021 leitete die portugiesische Justiz eine Untersuchung zum Einbürgerungsverfahren von Abramowitsch ein. Grundlage für den Erhalt der portugiesischen Staatsbürgerschaft im April 2021 ist ein Wiedergutmachungsgesetz, das den Nachkommen von im 15. und 16. Jahrhundert aus Portugal vertriebenen sephardischen Juden das Recht auf Einbürgerung garantiert. Die Israelitische Kultusgemeinde Porto wies in einer Stellungnahme die Vorwürfe zurück, man habe Beschwerde eingereicht. Der Oberrabbiner wurde auf freien Fuß gesetzt und darf das Land bis auf Weiteres nicht verlassen.

Personalturbulenzen bei Aeroflot

Mit Sanktionen belegt wurde auch der Aeroflot-Vorstandschef Michail Polubojarinow – der Vizechef der Aeroflot, Andrej Panow, gab am Samstag seinen Ausstieg bekannt und deutete einen Zusammenhang zum Ukraine-Krieg an. „Wir sind aus Russland ausgereist. Ich habe Aeroflot verlassen. Das alte Leben ist beendet“, schrieb Panow bei Facebook. Er war seit 2018 als stellvertretender Generaldirektor für Strategie, Service und Marketing des Staatsunternehmens zuständig.

Nachfolger wird der bisherige Chef der Aeroflot-Tochter Rossija, Sergej Alexandrowski, wie die Agentur Interfax meldete. Zuvor war bereits Andrej Kalmykow zurückgetreten, der Chef der Billigfluglinie Pobeda, die ebenfalls zum Aeroflot-Konzern gehört. Laut Wirtschaftszeitung „RBK“ ist auch der Aeroflot-Chef Polubojarinow zurückgetreten. Er könnte Vizechef der russischen Post werden.

Ein Flugzeug der Fluglinie Aeroflot
Reuters/Maxim Shemetov
Die russische Fluglinie Aeroflot wurde ebenfalls mit Sanktionen belegt

Die Sanktionen der EU sehen vor, dass Russland keine Passagiermaschinen und Ersatzteile erhalten darf, die Maschinen dürfen zudem nicht mehr gewartet und versichert werden. Leasingverträge mit russischen Airlines müssen bis Ende März aufgekündigt werden. Das dürfte Aeroflot und Pobeda, die fast ausschließlich auf Flugzeuge von Airbus und Boeing setzen, hart treffen.

Rätsel um Sanktionen gegen Deripaska

Unterdessen sorgten am Freitag Recherchen von ARD und „Die Zeit“ für Aufregung, wonach der Oligarch Oleg Deripaska von ersten Entwürfen für EU-Sanktionslisten gestrichen worden sein soll. Deripaska kontrolliert den Fahrzeughersteller GAZ, der auch Panzer für die russische Armee herstellt. Der als Intimus von Kreml-Chef Putin geltende Deripaska hält eine Sperrminorität beim heimischen Baukonzern STRABAG von Hans Peter Haselsteiner und ist Geldgeber des Automanagers Siegfried Wolf.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wies die Berichte am Freitag vehement zurück. Die EU-Kommission lege die Sanktionsliste fest, „und dann soll es eine österreichische Intervention für einen Oligarchen auf dieser Liste gegeben haben? … Das wäre ja total absurd“, so Nehammer am Rande eines EU-Sondergipfels in Versailles. Österreich stehe auf Seite derer, die sagen, man müsse durch Sanktionen Frieden in der Ukraine erreichen. Ob Deripaska auf der Liste Österreichs gestanden sei, könne er nicht sagen.

Die deutsche Regierung richtet unterdessen eine Taskforce ein, um die Umsetzung von Sanktionen gegen russische Firmen und Oligarchen besser zu koordinieren. Die EU habe in den vergangenen Tagen in Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine ein beispielloses Sanktionspaket gegen Russland und Belarus beschlossen, bestätigte eine Sprecherin einen „Spiegel“-Bericht. „Dieses muss nun lückenlos umgesetzt werden.“