Mann hält Gurgeltest-Röhrchen in der Hand
APA/Herbert Neubauer
Pandemie nicht vorbei

Zeit für neue Teststrategie wird knapp

Bis zum 31. März bleiben CoV-Tests für große Teile der Bevölkerung gratis. Wie es danach weitergeht, steht zweieinhalb Wochen davor in den Sternen. Fragen gäbe es genug, etwa ob das Screening in den Schulen fortgesetzt wird oder wie künftig der Besuch in Spitälern oder Pflegeeinrichtungen organisiert werden soll. Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom vom Institut für Höhere Studien (IHS), ruft zu einer Revidierung der Teststrategie auf – er sieht ein „Präventionsparadoxon“.

Durch eine im Februar im Nationalrat beschlossene Änderung des Epidemiegesetzes kann der Gesundheitsminister per Verordnung die Teststrategie ändern. Nötig ist allerdings eine Abstimmung mit dem Finanzminister – dass diese einfach zu erreichen sein wird, ist nach Wortmeldungen am Wochenende offen.

Geht es nach Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sollen die Gratistests „nicht mehr für alle zu jeder Zeit“ verfügbar sein. Schließlich seien die Kosten der Tests „gewaltig“, auch im Verhältnis zur Beschaffung der Impfstoffe. Für besonders vulnerable Gruppen oder den Pflegebereich könne es sie aber weitergeben, sagte Brunner am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“.

Finanzminister Brunner (ÖVP) in der „Pressestunde“

Kosten für CoV-Tests

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) dagegen hatte tags zuvor im Interview mit Ö1 betont, an den Gratistests festhalten zu wollen, „in einem gewissen Ausmaß“. Ein Komplettende mit Ende März sei „ganz schwierig“, er wolle „sehr darum kämpfen“, dass es weiter Gratistests gebe – „für alle, die es brauchen“. Wie viele das sein können und sollen, das wollte Rauch nicht beantworten. Eine Aufteilung in unterschiedliche Gruppen wie etwa für das Gesundheitspersonal hält er für „nicht sinnvoll“.

„Präventionsparadoxon“ als Problem

Als nicht sinnvoll betrachtet allerdings Gesundheitsökonom Czypionka im Gespräch mit ORF.at das bisherige Testregime. Die massenhaften Tests hätten Lockdowns nicht verhindern können, genauso wenig sei ein „Raustesten“ aus der Pandemie möglich gewesen. Es herrsche ein „Präventionsparadoxon“ in Österreich: Manche würden sich – ohne offensichtlichen Grund – jeden Tag testen, andere, die es weitaus notwendiger hätten, praktisch nie. Die Verteilung würde schlichtweg nicht stimmen.

Thomas Czypionka
APA/Zukunft Gesundheit

„Kardinalfehler“ aber sei gewesen, dass verabsäumt wurde, die Millionen von Tests begleitend zu evaluieren. Aus Datenschutzgründen müssten alle erhobenen Parameter etwa von dem Großlabor Lifebrain nach zwei Wochen gelöscht werden. Eine langfristige Bestandsaufnahme ohne vorkehrende Aufzeichnungen sei so nicht möglich. Zudem hätte es zu viele Maßnahmen auf einmal gegeben.

Laut Czypionka wäre es sinnvoll gewesen, die Tests mit Mitte/Ende vergangenen Jahres kostenpflichtig zu machen. Spätestens seit der, im Moment wieder auf Eis gelegten, Einführung der Impfpflicht sei das Gratistesten kaum mehr verständlich.

Kostendeckelung oder Limitierung?

Bei „Risikosituationen“, etwa dem Besuch der Nachtgastronomie, ist für ihn ein „kostengedeckeltes“ Angebot denkbar. Czypionka: „Wer sich z. B. 30 Euro für Getränke im Club leisten kann, der kann auch fünf Euro für einen Test zahlen.“ Auch eine gewisse Anzahl von Gratistests pro Monat und pro Person – diese Variante stand zuletzt im Raum – hält Czypionka für machbar.

Czypionka plädiert für „fokussiertere“ Tests, die Abschaffung der Maskenpflicht in weiten Teilen Österreichs hält er für falsch. Besonders bei der Omikron-Variante, die primär obere Atemwege angreife, seien Masken in Innenräumen ein wichtiges Mittel der Prävention.

Expertinnen und Experten sind sich bei einem Strategiewechsel bei den Testungen allerdings uneinig. Die Virologin Dorothee von Laer von der Med-Uni Innsbruck kritisierte zuletzt im „Standard“ das mögliche Ende der Gratistests: „PCR-Tests sind wichtig, um eine Ansteckung frühzeitig zu erkennen und so Infektionsketten zu unterbrechen.“

In Schulen und Krankenhäusern müsse deshalb unbedingt weitergetestet werden – vor allem, solange die Zahlen so hoch sind, was „wohl noch etwas länger“ so sein werde. Mit einem Wechsel hin zu kostenpflichtigen Tests würden außerdem gesellschaftliche Ungleichheiten spürbarer.

Frage des Geldes

Die Kosten der Tests werden eine entscheidende Rolle bei der künftigen Strategie spielen, das steht außer Frage. In den vergangenen beiden Pandemiejahren wurden knapp 300 Millionen Tests durchgeführt, die Zahlen umfassen die behördlichen Testungen aus den täglichen Bundesländermeldungen ebenso wie die Tests in Apotheken, Schulen und Betrieben sowie jene im Tourismus. Die Kosten für alle Tests bezifferte das Finanzministerium zuletzt mit 2,6 Milliarden Euro.

Wien, das österreichweit die meisten Tests macht, will sein Alles-gurgelt-Programm unbedingt halten. Der Ärger darüber, dass man noch immer nicht weiß, wie es weitergehen soll, ist hier entsprechend groß – ein neuerlicher Alleingang der Stadt scheint denkbar. „Wir hatten bis dato kein (!) Gespräch und kein (!) Schriftstück, wie es weitergehen soll", twitterte am Montag der Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ).

Wien verweist auf Sonderweg

Wiederholt hatte Wien Argumente vorgebracht, die nach Ansicht der Stadt für das Programm sprechen würden. So könnten nicht nur asymptomatisch infizierte Betroffene entdeckt und aus der Infektionskette geholt werden, auch für die rasche Entdeckung bzw. das Monitoring neuer Varianten seien die Tests wichtig. Zudem wurde auf die nach Ansicht der Stadt günstige Kostenstruktur verwiesen. Ein Gurgeltest schlägt demnach nur mit sechs Euro zu Buche. Für eine Einzeltestung etwa im Burgenland würden 50 Euro verrechnet, für Tests in Apotheken refundiere der Bund 25 Euro.

In der Bundesregierung hofft man, dass in den kommenden Tagen eine Einigung erzielt werde – eine diesbezügliche Anfrage von ORF.at ließ das Sozialministerium am Montag unbeantwortet. Unklar ist auch, wie es mit den Bestimmungen nach einem positiven Test weitergeht.

Auch Quarantäneregeln offen

Bisher gelten zehn Tage, nach fünf Tagen kann man sich freitesten, so der Ct-Wert über 30 liegt. Angesichts eines Rekordstands bei Neuinfektionen und kaum mehr beizukommenden Personalausfällen in Schulen, Kindergärten und Spitälern (mehr dazu in wien.ORF.at) harrt auch diese Frage einer schnellen Lösung. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) etwa erwägt eine Abschaffung der Quarantäneregeln: Dass man symptomlose Infizierte „fünf bis zehn Tage wegsperrt, ist nicht nachvollziehbar“, so Stelzer – mehr dazu in ooe.ORF.at.