Aktivisten auf dem Balkon einer Immobilie in London, die mutmaßlich einem russischen Oligarchen gehört
AP/Alberto Pezzali
Verbindung zu Deripaska?

Luxuswohnhaus in London besetzt

Proukrainische Aktivistinnen und Aktivisten haben in London ein Luxuswohnhaus besetzt, das Angehörigen der Familie des russischen Oligarchen Oleg Deripaska gehört. Die Immobilie gehöre nun ukrainischen Flüchtlingen, erklärten die Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer. Londons Bürgermeister Sadiq Khan ließ am Montag mit einem ähnlichen Vorschlag aufhorchen.

Khan sprach sich dafür aus, ukrainische Flüchtlinge in Immobilien der russischen Oligarchie in der britischen Hauptstadt unterzubringen. Ein Großteil der Wohnungen in London stehe ohnehin leer, sagte der Stadtchef. Der Labour-Politiker geht davon aus, dass viele Immobilien russischer Superreicher eher zur Geldwäsche gekauft wurden, als um darin zu wohnen.

Es handle sich nicht um Wohnungen, sondern um „goldene Ziegelsteine“, so Khan weiter. „Ich finde, die Regierung sollte sie beschlagnahmen, und bevor sie verkauft werden, sollten sie dazu verwendet werden, Ukrainer unterzubringen“, sagte er. Das sei eine Art der „poetischen Gerechtigkeit“.

Ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson bestätigte am Montag, dass die Regierung entsprechende Pläne prüft. Zuvor hatte bereits Kabinettsmitglied Michael Gove die Option ins Spiel gebracht, jedoch von einer „hohen gesetzliche Hürde“ gesprochen.

Deripaska-Sprecherin empört

Die Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer erklärten der Nachrichtenagentur PA zufolge, die Immobilie gehöre nun ukrainischen Flüchtlingen. Auf Fotos waren mehrere Personen auf einem Balkon mit Bannern zu sehen, auf denen unter anderem zu lesen war: „Diese Immobilie wurde befreit.“

Deripaska ist in den britischen Grundbucheinträgen nicht als Eigentümer des Anwesens im vornehmen Stadtteil Belgravia in der Nähe des Hyde Parks aufgeführt. Als Eigentümer wird stattdessen ein Unternehmen mit Sitz auf den britischen Jungferninseln genannt.

Das Haus gehöre Deripaska „nicht persönlich“, sondern Familienmitgliedern, teilte später eine Sprecherin des Oligarchen mit. Die Deripaska-Sprecherin bezeichnete es Reuters-Angaben zufolge als „eine Schande“, dass eine Hausbesetzung in einem Land möglich sei, „das privates Eigentum schützen sollte“. Deripaska gilt als Vertrauter von Russlands Staatschef Wladimir Putin. Der Multimilliardär steht inzwischen auf der britischen Sanktionsliste.

Bericht: Deripaska von EU-Sanktionsliste gestrichen

Von ersten Entwürfen für EU-Sanktionslisten war Deripaska einem Bericht von ARD und „Zeit“ zufolge dagegen gestrichen worden. Deripaska kontrolliert den Fahrzeughersteller GAZ, der auch Panzer für die russische Armee herstellt. Der russische Industrielle hält eine Sperrminorität beim heimischen Baukonzern STRABAG von Hans Peter Haselsteiner und ist Geldgeber des Automanagers Siegfried Wolf. Für Aufregung sorgt die Causa auch in Vorarlberg. Im Skiort Lech hat Deripaska das Hotel Aurelio gebaut, das mittlerweile einem Cousin von ihm gehört – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Die EU-Kommission gab keine Stellungnahme zu den Berichten ab. Die Verhandlungen seien vertraulich, hieß es. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bestritt Ende vergangener Woche eine Involvierung Österreichs. Die EU-Kommission lege die Sanktionsliste fest, „und dann soll es eine österreichische Intervention für einen Oligarchen auf dieser Liste gegeben haben? Das wäre ja total absurd“, so Nehammer. Österreich stehe auf Seite derer, die sagen, man müsse durch Sanktionen Frieden in der Ukraine erreichen.

Britische Regierung verschärfte Vorgehen

Die britische Regierung hat ihren lange Zeit als lasch kritisierten Umgang mit russischen Oligarchen in den vergangenen Wochen verschärft. Noch in dieser Woche soll ein neues Gesetz in Kraft treten, das es unter dubiosen oder unklaren Umständen zu ihrem Vermögen gekommenen Superreichen aus dem Ausland erschwert, sich beim Kauf von Immobilien und anderen Investitionen in Großbritannien hinter Briefkastenfirmen und Strohmännern zu verstecken.

Auch das Verhängen von Sanktionen gegen einzelne Personen soll erleichtert werden. Für großes Aufsehen hatte in der vergangenen Woche geführt, dass London den russischen Milliardär und Inhaber des englischen Fußballerstligisten FC Chelsea, Roman Abramowitsch, auf die Sanktionsliste setzte. Bereits vergangene Woche kündigte die Regierung einen Importstopp für russisches Öl bis Ende des Jahres an.

Firmen sollen Russland verlassen

Zudem drängt die Regierung britische Firmen zum Rückzug aus Russland. Finanzminister Rishi Sunak rief die britischen Firmen am Montag auf, über Investitionen in Russland „aufmerksam nachzudenken“, mit denen sie das „barbarische Regime“ von Putin unterstützen könnten. Nötig seien vielmehr weitere Maßnahmen, „um gemeinsam den größtmöglichen wirtschaftlichen Schaden“ für Russland anzurichten.

Zahlreiche britische Unternehmen haben bereits ihren Rückzug aus Russland angekündigt, darunter die Ölkonzerne BP und Shell, der Konsumgüterhersteller Unilever, der Versicherungskonzern Aviva und der Energiekonzern Centrica. Die britische Presse berichtete, die Regierung habe den verstaatlichten Stahlkonzern Sheffield Forgemasters angewiesen, einen Liefervertrag mit dem russischen Gazkonzern Gasprom zu beenden.

Frankreich: Aktivisten in Villa von Putins Ex-Schwiegersohn

Eine versuchte Hausbesetzung gab es unterdessen auch in Frankreich: Aus Protest gegen Russlands Einmarsch in die Ukraine sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft drei Männer in die Villa eines Ex-Schwiegersohns von Kreml-Chef Putin an der französischen Atlantikküste eingedrungen.

Der Vorfall in der Villa Alta Mira in Biarritz ereignete sich bereits am Wochenende . Die Villa, in die die drei Aktivisten eingedrungen sind, soll Kirill Chamalov gehören. Auf einem Video der Protestaktion in den sozialen Netzwerken waren die Räumlichkeiten zu sehen sowie einer der Männer, der auf dem Balkon der Villa die ukrainische Flagge schwenkt.

Die Männer sollten am Montag aus dem Polizeigewahrsam entlassen werden, teilte die Anklagebehörde in Bayonne mit. Sie sollten mündlich verwarnt werden, eine in Frankreich mögliche Maßnahme bei minderschweren Vorfällen.