„This is the End, my Friend“ – so nennt Kurt Palm sein Abschiedsgeschenk an den jahrzehntelangen Chef des Linzer Phoenix-Theaters. Und wer gedacht hätte, dass es hinter „Bad Fucking“ keine Abgründe mehr gibt, der wurde am Donnerstagabend in Linz eines Besseren belehrt. Es geht immer nur weiter runter, im wilden „Kurtpalmistan“.
In einem unwirklichen Raum, ähnlich einem Sanatorium, treffen bei Palm, der natürlich selbst Regie führte, neun Menschen aufeinander. Ein Entkommen ist nicht möglich. So bleibt den Personen nur übrig, sich mit der eigenen Vergangenheit und Gefühlswelt zu beschäftigen. Worauf die Darstellerinnen und Darsteller warten – „hoffentlich nicht auf Godot“, wie Sven Sorring im Stück einwirft –, wird dem Zuschauer nur in manchen lichten Momenten klar.
Zwischen Stillstand und Nacktmull
Die „dystopische Horrorklamotte“, wie das Stück auch betitelt ist, wird bestimmt vom durchaus beängstigenden Thema des Endes und des Stillstandes. Die Klamotte, im Sinne eines derben Schwanks, bricht diese Thematik allerdings in irrwitzige und absurde Episoden auf.
Dabei kommen gescheiterte Liebesbeziehungen, Diskussionen über Nacktmulle und Lebensendegeschichten zum Vorschein. Nicht nur ein gebrechlicher Glitzerkönig, gespielt von Gastschauspieler Karl Ferdinand Kratzl, möchte gerne nochmal „ein Schweindi sein“. Auch ein Kingkong mit Gorillamaske kämpft mit goldenen Boxhandschuhen gegen einen Godzilla im Dinosaurierkostüm.
Die Bühne als Ereignisraum
„This is the End, my Friend“ folgt keinem roten Faden, sondern gleicht einer losen Aneinanderreihung von kurzen Sequenzen, die von der Groteske bis zur Ernsthaftigkeit reichen. Dabei lässt Palm keinen Versuch aus, in die große Inszenierungstrickkiste zu greifen und bedient sich etwa an Kunstblut, herabrieselndem Schnee, Videoeinspielungen und der direkten Ansprache des Publikums. Insgesamt wird die Bühne zum Ereignisraum, in dem alles gleichzeitig passiert und einem auch einmal die eine oder andere Veränderung fast entgeht.
Klassische Bezüge etwa durch Zitate von Friedrich Nietzsche und Goethes „Zauberlehrling“ mischen sich mit popkulturellen Klängen von The Doors und Mackelmore, die Armin Lehner live auf der Bühne hinter einem gelben Vorhang darbietet. Ausstatterin Michaela Mandel unterstützt mit Unmengen an absurden Kostümen und verschiedenen Tierkadavern auf der Bühne zusätzlich das surrealistische Setting. Ein besonderes Publikumshighlight sind vor allem die Tanzeinlagen der „drei alten Männer, die über die Bühne humpeln“, wie Palm es nennt.
Femizide, Klimawandel und Thujenhecken
Trotz der vielen aberwitzigen Sequenzen greift das Stück auch eine Vielzahl an ernsten Themen auf. Von den hohen Femizidzahlen in Österreich, über die Bedrohung des Klimawandels bis hin zum Nachbarschaftsmord wegen einer umgeschnittenen Thujenhecke wird immer wieder Gesellschaftskritik angestimmt.

Palm hält sich dabei auch mit Kritik an Frauenministerin Susanne Raab und Ex-Kanzler Sebastian Kurz nicht zurück. Kurz bevor jedoch eine echte Ernsthaftigkeit das Stück übernimmt, wird die Stimmung durch slapstickartige Episoden hart gebrochen.
Anspielung auf Ukraine-Krieg bleibt
Bereits im Vorfeld hatte Palm jedoch betont, mit dem Stück keinen Bezug zum Krieg in der Ukraine herstellen zu wollen. Eine oberflächliche Thematisierung, um „seine Schuldigkeit getan zu haben“, empfände Palm als „Heuchelei und Doppelmoral“. Doch ganz ohne Kriegsszenarien miteinzubeziehen, schafft er es dann doch nicht.
Hinweis:
„This is the End, my Friend“ ist im Linzer Phönix-Theater noch in der gesamten Spielzeit zu sehen.
Das Publikum bleibt in einer digitalen Atombombe zurück. Schließlich führte eine „Arschloch-Mikrobe“ dazu, das Universum entstehen zu lassen. Ein Universum, das in „17 hoch 10 Billionen“ Jahren nicht mehr existiert. Abseits des Stückes übt Palm umso mehr scharfe Kritik an der Flüchtlingspolitik der EU, die in „gute Flüchtlinge auf der einen Seite und schlechte Flüchtlinge auf der anderen“ einteile. Dieser Alltagsrassismus zeige sich auch im „korrupten Operettenstaat“ Österreich.
Kurt Palm: „Sämtliche Rollen gelernt“
Fast ironisch scheint es, dass gerade die Pandemie beinahe auch ein Ende für das Stück bedeutet hat. Sieben der neun Schauspielerinnen und Schauspieler infizierten sich noch während der Probenzeit fast gleichzeitig mit dem Coronavirus. Nach einer zehntägigen Pause konnten schließlich die Proben fortgesetzt werden.
Auch für etwaige Ausfälle rund um die Premiere hatte Kurt Palm bereits vorgesorgt, wie er den „Oberösterreichischen Nachrichten“ verriet: „Ich hab außerdem sämtliche Rollen gelernt, um bereit zu sein, für diese oder jene Figur einzuspringen. Das wär super peinlich geworden, hoffentlich bleibt’s mir jetzt erspart.“