Vizepräsidentin Verena Madner und VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter
APA/Georg Hochmuth
CoV-Regeln

Wegweisende Verhandlung im VfGH

Das Coronavirus-Krisenmanagement der Bundesregierung betrifft nicht nur die öffentliche Gesundheit, sondern auch die Frage: Sind die Maßnahmen verfassungskonform? Nicht selten verneinte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) diese Frage. Der nächste Fall könnte folgen: Am Dienstag wurde über den im Winter verordneten Lockdown für Ungeimpfte und die 2-G-Regel verhandelt. Die Entscheidung könnte – mit Blick auf den Herbst und neue Varianten – wegweisend für die künftige CoV-Politik sein.

Ein Erkenntnis könnte zwar frühestens nächste Woche feststehen. Doch am Dienstag wurden weitere Vorarbeiten dazu geleistet. Vier Anträge, mit denen der Lockdown für Ungeimpfte und die 2-G-Regel vom VfGH im Nachhinein aufgehoben werden sollen, wurden unter Beteiligung des Gesundheitsressorts öffentlich verhandelt. Diese Beschwerden waren laut Höchstgericht nicht die einzigen eingebrachten Anträge, aber jene, die die grundlegenden Rechtsfragen abdecken würden. Die restlichen Anträge werden auch behandelt, aber eben nicht öffentlich.

Konkret ging es am Dienstag um zwei Coronavirus-Verordnungen, die erhebliche Einschränkungen für Ungeimpfte bedeuteten: Von Mitte November 2021 bis Ende Jänner dieses Jahres durften Personen ohne CoV-Schutzimpfung die eigenen vier Wände nur in bestimmten Fällen verlassen. Mit dem Lockdown für Ungeimpfte wollte die Regierung das Gesundheitssystem vor einem Kollaps bewahren. So lautete damals die Argumentation und so wurde die Maßnahme auch im Höchstgericht begründet.

Waren die CoV-Bestimmungen verhältnismäßig?

In den vergangenen Monaten gab es zig Debatten darüber, ob die CoV-Maßnahmen der Regierung gesetzeskonform, also vom Covid-19-Maßnahmengesetz gedeckt, sind. Dieses sieht nämlich vor, dass CoV-Regeln stets der epidemiologischen Situation angepasst werden müssen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Einschränkungen unverhältnismäßig sind – speziell Ausgangsbeschränkungen. Gemäß Maßnahmengesetz dürften sie nur dann verordnet werden, wenn gelindere Mittel nicht mehr ausreichen, um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung abzuwehren.

Im Eingangsbereich eines Kaufhauses in Wien werden 2G-Kontrollen durchgeführt
APA/Georg Hochmuth
Der Lockdown für Ungeimpfte und die 2-G-Regel beschäftigten am Dienstag den Verfassungsgerichtshof

Die Frage lautet: Sind zwischen November 2021 und Jänner 2022 gelindere Maßnahmen als der Lockdown für Ungeimpfte möglich gewesen? Die Beschwerdeführer, die die Aufhebung der CoV-Bestimmungen beantragten, vertreten die Ansicht, dass der Lockdown unverhältnismäßig gewesen sei. Es sei ein starker Eingriff in die Grundrechte und hätte viel früher aufgehoben werden müssen. Außerdem wären gelindere Mittel, wie eine PCR-Testpflicht, zur Verfügung gestanden. Mit den Ausgangsbeschränkungen wollte die Regierung ohnehin nur einen „Impfdruck“ aufbauen.

Eine Vertreterin des Gesundheitsministeriums verneinte eine solche Frage des Richtergremiums: Die Regeln seien nicht erlassen worden, um einen Impfdruck aufzubauen, „sondern die Maßnahmen waren eine Reaktion auf das epidemiologische Geschehen und dienten dazu, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern“. Dass das Covid-19-Maßnahmengesetz keine Rechtsgrundlage zum Aufbau eines Impfdruckes gewesen sei, komme auch dadurch zum Ausdruck, dass ja das Impfpflichtgesetz erarbeitet wurde.

Langer Lockdown wegen Omikron

Zu in den Anträgen vorgebrachter Kritik daran, dass Personen mit neutralisierenden Antikörpern dennoch von den Restriktionen erfasst waren, sagte eine Ministeriumsvertreterin, man wisse leider nicht, wie lange Personen geschützt sind. Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Abteilung Impfwesen im Gesundheitsministerium, führte aus, es sei laut Nationalem Impfgremium die Impfung empfohlen – unabhängig davon, welcher Titer vorliegt. „Der Spiegel sollte nicht als Entscheidungskriterium dienen“, betonte sie.

Dass der Lockdown für Ungeimpfte bis Ende Jänner dieses Jahres aufrecht blieb, begründete Katharina Reich, Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit, damit, dass die Omikron-Variante auf dem Vormarsch war. Wegen der damals noch unklaren Situation und aufgrund des mangelnden Wissens über die Eigenschaften von Omikron habe man sich entschieden, die Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte aufrecht zu halten. Im Jänner war die Auslastung der Intensivbettenbelegung allerdings schon weiter unter jenen Zahlen von November bzw. Dezember 2021.

Antragsstellerin sieht Gleichheitsgrundsatz verletzt

Neben dem Lockdown für Ungeimpfte wurden mehrere Betretungs- und Einlassbeschränkungen verhandelt. Eine ungeimpfte und nicht infizierte Antragstellerin äußerte verfassungsrechtliche Bedenken, dass die angefochtenen Bestimmungen gegen das Legalitätsprinzip verstoßen. Auch sah sie den Gleichheitsgrundsatz verletzt, und die 2-G-Regel sei zur Eindämmung des Infektionsgeschehens nicht geeignet, so die Antragstellerin. Auch bestehe kein spürbarer Unterschied bei der Weitergabe des Virus zwischen ungetesteten Personen mit und getesteten Personen ohne 2-G-Nachweis.

Seitens des Gesundheitsministeriums wurde entgegnet, dass das Covid-19-Maßnahmengesetz dazu ermächtigt, für geimpfte, getestete und genesene Personen weitergehende Ausnahmen von den verordneten Beschränkungen anzuordnen. Nämlich dann, wenn laut wissenschaftlichem Stand davon auszugehen ist, dass die Wahrscheinlichkeit einer Weiterverbreitung des Virus bei diesen deutlich reduziert ist. Auch die Verletzung des Gleichheitssatzes liegt nach Ansicht des Ministeriums nicht vor.

In Hinblick auf die Achtung des Privat- und Familienlebens räumte das Ministerium zwar einen Eingriff ein. Die angefochtenen Bestimmungen würden aber sehr wohl „sachadäquate Differenzierungen“ vornehmen, etwa für die Kernfamilie oder bei der Kontaktpflege zu wichtigen Bezugspersonen. Die Eingriffe in das Privat- und Familienleben dienen der Gesundheit und dem Schutz der Rechte anderer. Auch seien sowohl die Ausgangsregelungen als auch die Betretungsverbote zur Zielerreichung geeignet. Und die Maßnahmen seien nicht überschießend gewesen, hielt das Ministerium in seiner schriftlich vorgebrachten Stellungnahme fest.