Ambros auf seine großen Hits „Schifoan“ und „Hofa“ zu reduzieren, würde ausblenden, wie viel er und seine Musik zum Zeitgeist beigetragen und zugleich den Zeitgeist für viele Fans einprägsam eingefangen haben. Die Drogenkultur der 68er? Ambros thematisierte sie in „Du schwoaza Afghane“. Jugendliche Sinnsuche, Verzweiflung und Aufbegehren? Mit „Gezeichnet fürs Leben“ schrie sich das sein Publikum von der Seele.
Die Abgründigkeit, die Tristesse in den 1970er Jahren, menschliche Schicksale vom Hausmeister, vom Schaffner und im Gemeindebau – Ambros beobachtete vor allem auch das Leben und Leiden in Wien genau. Gerade seine Songs der frühen Jahre waren oft sozialkritische Diagnosen ohne Zeigefinger. Von vielleicht subtiler agierenden Zeitgenossen wie Georg Danzer, Ludwig Hirsch und Reinhard Fendrich unterschied Ambros immer ein Anflug von Zorn, ein Grant, der sich gegen die Zumutungen dieser Welt richtete und ihn gerade deshalb zum Sprachrohr seiner Fans werden ließ.
Lebensbeichte zum runden Geburtstag
In seinem Buch „A Mensch möcht i bleib’n“, das jetzt zum 70. Geburtstag erschienen ist, erzählt Ambros offen über sein Leben, seine Karriere und die nicht wenigen Schicksalsschläge. Eine schwere Krankheit, unerträgliche Rückenschmerzen, eine schlimme Trennung: Es ist eine Art Lebensbeichte, in der Ambros schonungslos auf die letzten Jahre und seine lange Karriere zurückblickt.
Buchhinweis
Wolfgang Ambros: „A Mensch möcht i bleib´n“. Mein Leben zwischen Schuld und Schicksal. edition a, 208 Seiten, 24 Euro.
Ambros’ Musik war (und ist bis heute) ein wesentlicher Teil des Soundtracks der Aufbruchstimmung in Österreich Anfang der 1970er Jahre. „Wir waren die Revolution“, schreibt Ambros in seinem Buch. Er sieht sich selbst als Teil der Woodstock-Generation, die von Freiheit und Veränderung träumte und dazu beitrug, das gesellschaftliche Klima in Österreich zu liberalisieren.
„Da Hofa“ war’s
Der erste Erfolg gelang Ambros mit einem Text von Joesi Prokopetz, einem alten Klassenkameraden. Ende 1971 setzte sich „Da Hofa“ an die Spitze der österreichischen Hitparade. Autor und Komponist waren beide gerade erst 19 Jahre alt, Prokopetz nur eine Woche älter als Ambros. Bald darauf kam die erste Langspielplatte heraus. „Alles andere zählt net mehr …“ erschien vor 50 Jahren im Februar 1972. Es verkaufte sich nicht sonderlich gut, war aber der Beginn einer langjährigen kreativen Partnerschaft zwischen Prokopetz und Ambros.
1972
Erster TV-Auftritt von Wolfgang Ambros und Joesi Prokopetz (ZIB, 13.2.1972)
Als Ambros seinen ersten Hit landete, war die „Dialektwelle“ in Österreich schon am Rollen. Die Worried Men Skiffle Group spielte seit Jahren Folk mit Dialekttexten und hatte 1970 mit „Glaubst i bin bled“ ihren ersten Nummer-eins-Hit. Im selben Jahr entstand „Wia a Glock’n“ von Marianne Mendt, geschrieben von Gerhard Bronner. Udo Jürgens und Peter Alexander dominierten die Schlagerszene.
Davon setzte sich Ambros durch seinen musikalischen Zugang deutlich ab. Britische und amerikanische Rock- und Popmusik prägten seinen Sound, mit deutschem Schlager und Chansons hatte das nichts mehr zu tun. Es war Hippietum auf Österreichisch, gepaart mit lebensüberdrüssiger, mehr resignativer als revolutionärer Widerständigkeit. Prokopetz lieferte viele der pointierten Texte, Ambros gab ihnen, mit seiner melancholischen Art zu singen, eine unverwechselbare Stimme.
Rebellion und Rock ’n’ Roll
Ein Beispiel für das Talent, den Nerv der Zeit zu treffen, ist „Tagwache“ (1973), in dem Ambros seine Erfahrungen beim österreichischen Bundesheer verarbeitete. Die unbekümmerte Kritik an den Zuständen beim Heer und den unfähigen Ausbildnern veranlassten den (im Lied direkt angesprochenen) Verteidigungsminister Karl Lütgendorf, Ambros in einem persönlichen Brief zurechtzuweisen. „Tagwache“ wurde jahrelang nicht im Radio gespielt – was nicht verhinderte, dass der Song zur Hymne österreichischer Grundwehrdiener wurde.
Zu Ambros’ Erfolg trug bei, dass er seine Songs in massentaugliche Rockmusik packen konnte, die einer rebellischen Grundhaltung, die Ambros auch auf der Bühne präsentierte, entgegenkam. Seine Band, die Nr. 1 vom Wienerwald, mit Günter Dzikowski (Keyboards), Peter Koller (Gitarre), Helmut Pichler (Bass) und Helmut Nowak (Schlagzeug) war imstande, die Konzertsäle zum Kochen zu bringen. Legendär wurden die Stadthallen-Konzerte 1984. Keinem österreichischen Künstler vorher war es gelungen, die Stadthalle dreimal hintereinander ausverkauft zu bespielen – mehr dazu in noe.ORF.at.
Daneben gab es immer auch die andere Seite von Ambros, die tieftraurigen, morbiden Balladen, oft natürlich über gescheiterte Beziehungen. Selbst Tabuthemen wie Depressionen, psychischen Problemen und Selbstmordabsichten wich er nicht aus. Er sprach aus, was ihn und viele andere beschäftigte. Den Weltschmerz in Songs wie „Wie wird des weitergeh’n“ oder „Heite drah’ i mi ham“ öffentlich zu machen, war ein emotionales Ventil – auch für sein Publikum.
Auf und Ab einer langen Karriere
Der große Durchbruch kam für Ambros erst 1975 mit dem dritten Album „Es lebe der Zentralfriedhof“ mit Klassikern wie „Zwickt’s mi“, „De Kinettn, wo i schlof“ und dem Titelsong. Von 1980 bis 1986 gelangten alle fünf in dieser Zeit entstandenen Ambros-LPs an die Spitze der heimischen Charts. Danach war die kreative Energie erschöpft. Die Zusammenarbeit mit Prokopetz endete, die Musikszene entwickelte sich in eine andere Richtung, der Zeitgeist erklärte Ambros für pensionsreif.
„Austria 3“, ein gemeinsames Projekt mit Danzer und Fendrich, führte ab 1997 zu einer Renaissance des „Austropop“. Was als Benefizkonzert geplant war, entwickelte sich bis zum frühen Tod Danzers 2007 zu einem äußerst erfolgreichen Konzertreigen. „Austropop“ ist allerdings ein Begriff, mit dem Ambros nicht viel anfangen kann. Angesichts der unterschiedlichsten Bands und Musiker, die mit diesem Label versehen werden, von STS und Opus bis Fendrich und Falco, ist das verständlich.
Persönlich blieb Ambros trotz aller Erfolge ein Zweifler. „Selbstbewusstsein“, geschrieben 1981 am Höhepunkt seiner Karriere, deutete an, dass sich der Star, der von der Bühne aus Tausende in seinen Bann zog, seines Wirkens und Wollens nie ganz sicher zu sein schien. Und gerade weil er sich nie hinter der Fassade eines erfolgreichen, glamourösen Stars verbarg, nahm und nimmt man ihm ab, dass seine Lieder authentisch und ehrlich sind – auch wenn man nicht alles für gelungen halten muss.
TV-Hinweis
Der ORF widmet Ambros einen Programmschwerpunkt zum Geburtstag, so gratuliert ORF III gratuliert bis Sonntag mit einem dreitägigen TV-Schwerpunkt – mehr dazu in tv.orf.at.
Ambros pur
Eine wirkliche Pause legte Ambros nie ein. Er veröffentlichte auch nach „Austria 3“ weiter Alben mit eigenen Liedern und Coverversionen, etwa von Tom Waits und Hans Moser. An die großen Erfolge von früher schließt das nicht an, aber das ist vielleicht egal. Der „Wolferl“, wie ihn seine Fans gerne nennen, spielt weiterhin Konzerte, soweit es Gesundheit und Pandemie erlauben. Im Mai startet die Tournee zum 50-jährigen Bühnenjubiläum.
Sein Werkkatalog, auf den er zurückgreifen kann, ist jedenfalls umfangreich und beeindruckend. Beweisen, so Ambros, muss er nichts mehr. Er kann und will in aller Ruhe das tun, was ihm nach wie vor das Wichtigste ist: Musik machen und seine Freude daran mit seinen Fans teilen.