Iryna Wereschtschuk, ukrainische Vizepremierministerin
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Ukraine-Krieg

Die Schlüsselrolle von Iryna Wereschtschuk

Ob die Einigung auf Fluchtkorridore, deren Scheitern, anstehende Waffenlieferungen, die Russland vorgeworfene Besetzung eines Spitals und zuletzt eine für die umkämpfte Stadt Mariupol kategorisch abgelehnte Kapitulation: Seit dem russischen Einmarsch informiert die ukrainische Vizepremierministerin Iryna Wereschtschuk über zentrale Entwicklungen im von Moskau vom Zaun gebrochenen Krieg. Die 42-Jährige ist eine der derzeit zentralen Stimmen der Ukraine – und zunehmend prominenter werdendes Gesicht des ukrainischen Widerstands.

So wie Präsident Wolodymyr Selenski machte Wereschtschuk immer wieder deutlich, dass sie nicht daran denke, das Land zu verlassen – sondern tauschte ihre Garderobe ebenfalls mit Kampfmontur und ruft seitdem die Bevölkerung zum Durchhalten auf. Wereschtschuks Wandel erscheint durchaus beachtlich – zumindest mit Blick auf einst noch für Russlands Präsident Wladimir Putin offen geäußerte Bewunderung.

„Wenn wir einen Präsidenten wie Wladimir Putin hätten, würde ich für ihn stimmen. Er ist gut für Russland“, zitieren Medien dazu aus einem 2013 von der russischen Zeitung „Kommersant“ veröffentlichten Interview mit der damaligen Bürgermeisterin der westukrainischen Grenzstadt Rawa-Ruska.

Von den noch vor der Krim-Krise stammenden Äußerungen hat sich Wereschtschuk in der Folge nicht nur distanziert, sondern auch breitenwirksam entschuldigt. Nun legen ihre öffentlichen Auftritte, aber auch ihre Beiträge in sozialen Netzwerken den vollzogenen Wandel Tag für Tag mehr als nahe.

„Tod den Feinden“

„Wenn uns das Schicksal diese Prüfungen geschickt hat, werden wir sie durchmachen“, „Tod den Feinden! Ruhm der Ukraine!“ heißt es etwa in einem Instagram-Posting vom 24. Februar und damit am Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine.

So wie andere ukrainische Regierungsmitglieder nutzt die Vizepremierministerin ihre Kanäle in sozialen Netzwerken, um die Bevölkerung mit Fotos und Videos über die Ereignisse in der Ukraine, die Kriegssituation, die humanitären Korridore, die Zahl der täglich registrierten Opfer und die Bombardierungen in den Städten zu informieren. Dazu kommen Appelle an die internationale Gemeinschaft – beispielsweise für die Umsetzung einer von Präsident Selenski immer wieder eingeforderten Flugverbotszone, aber auch Kritik an der „Haltung des Westens“.

Diese habe Putin zu dem provoziert, was jetzt in der Ukraine geschieht, wie Wereschtschuk im Interview mit einem italienischen TV-Sender sagte. Die „sehr schwachen Sanktionen“ nach der Krim-Annexion etwa hätten Putin verdeutlicht, „dass der Westen ihn nicht aufhält und nicht den Willen hat, ihn aufzuhalten“.

Für „Wiedereingliederung“ der Krim zuständige Ministerin

Ob sie bereits bei ihrer Angelobung im November 2021 mit dem nur drei Monate später erfolgten russischen Angriff auf die gesamte Ukraine gerechnet hat, bleibt dahingestellt – als für die „Wiedereingliederung der vorübergehend besetzten Gebiete“ zuständige Ministerin stand Putins Vorgangsweise in der Ukraine aber von Anfang an im Fokus ihrer Regierungsarbeit.

Bei ihrer Antrittsrede als Ministerin setzte sie ganz dem Aufgabenbereich ihres Ressorts entsprechend die „Wiedereingliederung der Krim“ ins Zentrum ihrer Agenda. Neben der „Finanzierung von Wiedereingliederungsprojekten“ und einer „auf die Bewohner der besetzten Gebiete ausgerichteten Informationspolitik“ stellte sie vor den Abgeordneten auch eine mit Russland verfolgte „legale und aktive diplomatische Tätigkeit“ als Teil ihrer „vorrangigen Aufgaben“ in die Auslage.

Jüngste Bürgermeisterin, Militärausbildung und Juristin

Im Gegensatz zu Quereinsteiger Selenski blickt Wereschtschuk auf eine langjährige politische Karriere. 2007 arbeitete sie zunächst als Juristin für den Gemeinderat ihrer Heimatstadt Rawa-Rusa, 2010 wurde sie in der nahe der polnischen Grenze gelegenen Stadt schließlich zur Bürgermeisterin gewählt und ist damit die jüngste Frau, die in der Ukraine ein solches Amt innehatte.

Im August 2019 folgte, nachdem Selenskis Partei Sluha narodu (Diener des Volkes) sie für die Parlamentswahl als unabhängige Kandidatin auf den 29. Listenplatz setzte, als Parlamentsabgeordnete der nächste Karriereschritt. Vor ihrem Wechsel in die von Premier Denys Schmyhal angeführte Regierung war Wereschtschuk unter anderem im parlamentarischen Verteidigungs- und im Geheimdienstausschuss aktiv. Nach ihrem Abschluss beim Militärinstitut der Nationalen Polytechnischen Universität von Lwiw diente Wereschtschuk zudem fünf Jahre in der ukrainischen Armee. Die im Ukraine-Krieg nun in einer Schlüsselrolle stehende Ministerin verfügt somit auch über militärische Erfahrung.