Flamme auf einem Gasherd
ORF.at/Christian Öser
Forderungen und Vorschläge

Teure Energie sorgt für Politstreit

Die hohen Energiepreise sorgen für verstärkte politische Debatten. SPÖ und FPÖ sehen dringenden Handlungsbedarf. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) betonte am Mittwoch, die Regierung beobachte die Situation genau. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ortet indes in den hohen Spritpreisen einen Fall für die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Die BWB „prüft derzeit mehrere Instrumente“, hieß es gegenüber ORF.at.

Die SPÖ nahm am Mittwoch Schramböck in die Pflicht: Energiesprecher Alois Schroll sagte, die Wirtschaftsministerin sei auf Basis des geltendes Preisgesetzes verpflichtet, preissenkend einzugreifen. „Wir sprechen im aktuellen Fall von einer Preisabweichung im Vergleich zum Erdölpreis von mehreren 100 Prozent – und nicht von fünf oder zehn Prozent. Wenn das kein Fall für das Preisgesetz ist, was dann?“, sagte Schroll der APA.

Unterstützung für Schroll kam am Mittwoch aus dem SPÖ-geführten Bundesland Kärnten. Das Land forderte den Bund auf, eine Preisgrenze für Treibstoffe zu prüfen. Am Zug sei das Wirtschaftsministerium, das die Preispolitik der Mineralölkonzerne untersuchen solle, so Konsumentenschutzreferentin Gabriele Schaunig und Energiereferentin Sara Schaar (beide SPÖ) – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Schramböck: SPÖ hat „Gesetz nicht zur Gänze gelesen“

Wirtschaftsministerin Schramböck sagte am Mittwoch: „Wir sehen seit etwa einer Woche, dass der Ölpreis weltweit sinkt. Ich erwarte mir, dass sich das auch für die Verbraucher an der Zapfsäule bemerkbar macht. Die aktuelle Situation darf nicht ausgenutzt werden, um daran zu verdienen. Der sinkende Ölpreis muss sich auch bei den Tankstellen widerspiegeln – und zwar rasch. Die Bundesregierung wird die Lage genau beobachten.“

Teure Spritpreise sorgen für Diskussionen

Die Spritpreise sind seit Tagen hoch. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) möchte daher die Bundeswettbewerbsbehörde einschalten.

Zur Anwendung des Preisgesetzes meinte die Ministerin, dass die SPÖ das Gesetz „offensichtlich nicht zur Gänze gelesen hat“. Das Preisgesetz komme dann zur Anwendung, wenn sich die Preise in Österreich im Vergleich zu anderen vergleichbaren europäischen Ländern auffällig entwickelten. „Die Preisvergleiche, die wir über das Energieministerium jeden Donnerstag bekommen, zeigen allerdings bislang eine Entwicklung im Europagleichklang“, so Schramböck.

FPÖ: Regierung lagert Verantwortung aus

Scharfe Kritik an der Regierung übten am Mittwoch die Freiheitlichen. „Wir haben eine Bevölkerung, die nicht mehr weiß, wie sie sich das leisten soll“, sagte die stellvertretende FPÖ-Klubobfrau Dagmar Belakowitsch. Gleichzeitig würde die Bundesregierung ihre Verantwortung an Fachleute auslagern. Sie forderte unter anderem einen Teuerungsgutschein über 300 Euro für Einkommensschwache und ein sofortiges Aussetzen der mit 1. Juli geplanten CO2-Abgabe, diese sei „völlig asozial“.

Hans Peter Doskozil (SPÖ) über Energiekosten

Im ORF-„Report“ äußerte sich der burgenländische Landeshauptmann und frühere Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) auch zu den hohen Energiepreisen.

„Es ist sehr schön, dass Schramböck beobachtet, die Regierung wird allerdings nicht fürs tatenlose Zuschauen bezahlt, sondern fürs Handeln“, sagte NEOS-Finanzsprecherin Karin Doppelbauer. Die Energiepreise würden schließlich nicht erst seit gestern steigen, und es sei „längst überfällig“, die Menschen und Unternehmen zu unterstützen.

Die Forderung nach einer Verschiebung der CO2-Abgabe erhob am Dienstag auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Die Einführung der Besteuerung solle um ein, zwei Jahre verschoben werden, sagte Doskozil im ORF-„Report“. Kritik kam auch vom Autofahrerclub ARBÖ – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

ÖGB: Frauen besonders betroffen

Der Gewerkschaftsbund (ÖGB) warnte davor, dass Frauen aufgrund des tendenziell niedrigeren Einkommens die Hauptbetroffenen der stark gestiegenen Energiepreise sind. Sie brauchten eine rasche Entlastung, das Geld dafür sei vorhanden. „Frauen verdienen im Durchschnitt noch immer 18,5 Prozent weniger als Männer. Werden Teilzeit- und nicht ganzjährig Beschäftigte inkludiert, liegt der Einkommensunterschied sogar noch höher“, rechnete dazu ÖGB-Frauenvorsitzende Korinna Schumann vor.

Die hohe Teilzeitquote würde die Belastung durch Spritpreise um die zwei Euro je Liter noch steigern. „Die Regierung muss endlich reagieren und gezielte Maßnahmen zur Entlastung der Frauen umsetzen“, forderte Schumann. Konkret nannte sie dazu Direktzuschüsse für einkommensarme Haushalte und eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas und Strom sowie eine Streichung der Mehrwertsteuer auf Benzin und Diesel. Weitere Forderungen sind unter anderem günstigere „Öffi“-Tickets und eine Anhebung des Kilometergeldes.

Rufe nach Gratis-„Öffis“ werden unterdessen auch in Niederösterreich laut – mehr dazu in noe.ORF.at. In der burgenländischen Landeshauptstadt Eisenstadt kann man angesichts der hohen Spritpreise bis Ende April gratis mit dem öffentlichen Stadtbus fahren – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Energiegipfel brachte keine konkreten Maßnahmen

Am Sonntag hatte die Bundesregierung zu einem Energiegipfel geladen, konkrete Maßnahmen wurden danach nicht genannt, allerdings sollen die Sozialpartner mehr in die Gespräche eingebunden werden. Die Forderung der Wirtschaftskammer nach einer Verschiebung der CO2-Bepreisung hatte zuvor bereits für kräftigen Ärger bei den Grünen gesorgt.

Spritpreise: Kogler sieht Fall für Wettbewerbsbehörde

Was die hohen Spritpreise angeht, sieht Vizekanzler Kogler unterdessen einen Fall für die Wettbewerbsbehörde. „Obwohl der Ölpreis den dritten Tag in Folge sinkt, bleiben die Preise an den Tankstellen gleich. Es drängt sich der Verdacht auf, dass sich ein paar Ölkonzerne auf Kosten der Leute eine goldene Nase verdienen. Da geht es nicht um Millionen, sondern um Milliarden“, so Kogler Dienstagabend auf Twitter.

Kogler zufolge könnte die BWB in einem ersten Schritt eine Branchenuntersuchung durchführen. „Wenn es da nicht mit rechten Dingen zugeht und Konzerne mit dem Krieg ein Geschäft machen, dann müssen wir einschreiten“, so der Vizekanzler. Ähnliche Töne schlug Caritas-Präsident Michael Landau an. Die Bevölkerung werde im „Windschatten des Krieges von Großkonzernen abgezockt“, schrieb Landau auf Twitter, es brauche dringend Entlastung für Betroffene.

Auch Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kündigte an, die Wettbewerbsbehörden einschalten zu wollen. „Mein Haus hat das Bundeskartellamt gebeten, die Benzin- und Dieselpreise sehr genau zu beobachten und bei jeglichem Hinweis auf missbräuchliches Verhalten tätig zu werden“, sagte Habeck dem „Spiegel“.

BWB registriert vermehrt Beschwerden

Auf ORF.at-Anfrage hielt die BWB fest, dass die Entwicklungen auf dem Markt sehr genau verfolgt werde. „In den letzten Tagen sind dazu vermehrt Beschwerden bei der BWB eingelangt, auch über das BWB-Whistblowing-System. Die BWB prüft derzeit verschiedene Instrumente, etwa um ein potenzielles marktmissbräuchliches Verhalten oder Absprachen abzustellen bzw. um Untersuchungen im Markt durchzuführen, wenn der Wettbewerb eingeschränkt oder verfälscht ist“, sagte die interimistische BWB-Generaldirektorin Natalie Harsdorf-Borsch.

Die Behörde gehe davon aus, dass alle Marktteilnehmer umfänglich kooperieren werden, eine Kompetenz, unmittelbar in Preise einzugreifen, habe man aber nicht, stellte sie klar.

OMV: „Komplexe“ Preisgestaltung bei Kraftstoffen

Der Fachverband der Mineralölindustrie reagierte am Mittwoch auf Koglers Kritik: „Die gestiegenen Preise für Mineralölprodukte wie Benzin, Diesel und Heizöl sind in erster Linie auf geopolitische Risikoaufschläge in Zusammenhang mit dem Krieg zurückzuführen“, hieß es.

OMV-Chef Alfred Stern wies die Vorwürfe der Preistreiberei ebenfalls zurück. „Die Preisgestaltung von Kraftstoffen ist natürlich etwas komplexer als einfach nur die Ölpreise“, sagte er. Man müsse berücksichtigen, dass für die Raffinerien nicht nur der Ölpreis relevant sei, „sondern dass eine Raffinerie und die Raffinerien in Europa insgesamt heute auch unter dem hohen Strompreis und den hohen Kosten für Gas leiden und damit die Gesamtkosten in die Höhe gegangen sind“.

Raffinerie Schwechat
APA/Roland Schlager
Raffinerie in Schwechat: „Die Preisgestaltung von Kraftstoffen ist natürlich etwas komplexer als einfach nur die Ölpreise“, so OMV-Chef Stern

Außerdem sei durch die reduzierten Importe von Ölprodukten aus Russland nach Europa eine Knappheit auf dem Markt entstanden. „Ich verstehe die Frustration, möchte aber gleichzeitig auch alle Anschuldigungen diesbezüglich zurückweisen“, so der OMV-Chef. Der Wirtschaftswissenschaftler Gottfried Tappeiner vom Institut für Wirtschaftstheorie an der Universität Innsbruck geht davon aus, dass die Energiepreise noch weiter steigen und sich irgendwann auf einem hohen Niveau einpendeln werden – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Regierung ringt um Maßnahmen

Wie die APA am Dienstag berichtete, ringt die Regierung derzeit um Maßnahmen zur Abfederung der Inflation. Da es noch keine Ergebnisse gebe, habe es im Ministerrat am Mittwoch keine medienöffentlichen Auftritte gegeben, was nur sehr selten vorkomme. Die Grünen sind laut APA skeptisch bei Mehrwertsteuersenkungen auf Benzin und Diesel, wie sie Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ins Spiel gebracht hatte.

Davon raten auch Fachleute des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) und des Instituts für Höhere Studien (IHS) ab. Die Preissignale außer Kraft zu setzen würde die Ziele, die Abhängigkeit von Öl und Gas sowie den CO2-Ausstoß zu reduzieren, konterkarieren, hieß es. Wichtiger wären zielgerichtete und dafür großzügige Hilfen für einkommensschwache Haushalte, sagen etwa die IHS-Experten Klaus Weyerstraß und Sebastian Koch.