Menschen in Einkaufsstraße
Reuters/Lisi Niesner
Überlastung der Spitäler

Kritik an CoV-Öffnungen reißt nicht ab

Die Maßnahmen des neuen Gesundheitsministers Johannes Rauch (Grüne) stoßen weiter auf starken Gegenwind. Die Ärztekammer sieht die heimischen Spitäler schon jetzt überlastet. Wien, das wieder einen strengeren Sonderweg gehen dürfte, will am Donnerstag bekanntgeben, wie es in der Hauptstadt weitergeht.

Die Gratistests werden reduziert, die Regeln für Kontaktpersonen gelockert. Seit Rauch am Dienstag diese Maßnahmen verkündet hat, wird die Kritik zunehmend lauter. Zunächst meldeten sich Fachleute der gesamtstaatlichen Krisenkoordination (GECKO) zu Wort, sie hätten sich nicht für diese Lockerungen ausgesprochen; auch andere Expertinnen und Experten rieten ab. Am Mittwoch zeigte dann das CoV-Prognosekonsortium auf, dass sich die derzeitigen Höchststände bei den Neuinfektionen bis mindestens Ende des Monats fortsetzen werden.

Die aktuellen Zahlen geben dem Konsortium am Donnerstag recht: Das Gesundheits- und das Innenministerium meldeten 52.045 neu registrierte Fälle innerhalb einen Tages. Das werden auch die Spitäler merken: In rund zwei Wochen müsse mit über 300 CoV-Patientinnen und -Patienten auf den Intensiv- und 4.000 auf den Normalstationen gerechnet werden, so die Prognose.

„Das kann alles noch sehr hässlich enden“

Die Ärztekammer sieht Österreichs Spitäler schon jetzt stark überlastet. Gerald Gingold, Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellter Ärzte, warnte am Donnerstag davor, die Situation zu unterschätzen und dem Virus weiterhin „freien Lauf“ zu lassen. „Wir steuern geradewegs auf eine echte Versorgungskrise zu“, warnte der Mediziner. Mehr als 3.000 Infizierte müssten derzeit im Spital behandelt werden.

„Unsere Spitäler sind überfüllt, unser Personal überlastet und großteils selbst infiziert, das kann alles noch sehr hässlich enden“, so Gingold per Aussendung. Bereits jetzt sei Österreich Spitzenreiter in Europa in puncto Spitalszahlen. Wenn die Politik so weitermache, werde „Österreich gesundheitlich massiv Schaden erleiden“. Auf Zeit zu spielen und auf die wärmere Jahreszeit und dadurch niedrigere Zahlen zu hoffen, war für den Mediziner „absolut falsch“.

Er erinnerte daran, dass die Omikron-Variante zu Beginn des südafrikanischen Sommers sequenziert wurde und sich trotz steigender Temperaturen rasch verbreitete. „Noch schlimmer könnte es dann im Herbst 2022 werden“, so Gingold, der notwendige Vorbereitungen seitens der Bundesregierung für den Herbst und die nächste Welle wieder einmal als „nicht existent“ ansieht.

Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) unterstützte am Donnerstag die Argumentation der Ärztekammer. Die „massive Überlastung der Spitäler und Pflegezentren findet bereits statt“, hieß es in einer Aussendung. „Die schwer arbeitenden Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern und Pflegeheimen können einfach nicht mehr! Wir brauchen mehr Rückhalt von den politisch Verantwortlichen“, forderte Reinhard Waldhör, Vorsitzender der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft.

Politik und Wissenschaft

Die Epidemiologin Eva Schernhammer, selbst GECKO-Mitglied, sagte am Mittwoch in der ZIB2, dass Lockerungsschritte erst bei einem deutlichen Abwärtstrend der Infektionen zu gehen seien. Mit den nunmehrigen Maßnahmen sei sie „nicht ganz zufrieden“ und ortete politische Motive hinter der Entscheidung. Schernhahmmer empfahl jedenfalls, an FFP2-Maske, Social Distancing und Homeoffice festzuhalten.

Interview mit Virologin Schernhammer

Schernhammer sagte in der ZIB2, dass GECKO nicht zu Öffnungsschritten geraten habe. Sie empfahl nun, weitere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.

Auch die ursprünglich von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gestartete Bürgerinitiative „Wir alle“ zeigte sich am Donnerstag „über die jüngsten Entwicklungen der Corona-Pandemie und über die Tatenlosigkeit der Regierung bestürzt“. In einer Aussendung mahnte die Initiative ein energisches Vorgehen gegen die steigenden Infektionszahlen ein.

„Niemand versteht angesichts der drastisch steigenden Infektionszahlen, warum nicht gegengesteuert wird, warum man nicht bewährte Modelle der Infektionsreduktion wie jenes in Wien einfach bundesweit übernimmt“, hieß es. Sie trat auch für eine zeitnahe neue Impfkampagne ein, um „einen neuerlichen heißen Herbst zu verhindern“.

Wien berät

Die Stadt Wien will am Donnerstagnachmittag verkünden, wie sie in der CoV-Politik weiter verfahren will. Bürgermister Michael Ludwig (SPÖ) hatte ebenso scharfe Kritik an den neuen Maßnahmen der Bundesregierung geübt. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sah gar ein „Experiment an über acht Millionen Österreichern“ darin. Wien – das derzeit nach Kärnten die niedrigste 7-Tage-Inzidenz hat – dürfte erneut einen Sonderweg mit strengeren Regeln beschreiten.

Wien ist aber auch vom Bund abhängig, wenn es um die Teststrategie geht. Die Tests werden vom Bund gezahlt und von den Ländern organisiert. Nun will der Bund die Kosten reduzieren. Wie am Dienstag angekündigt, sollen ab Anfang April nur noch je fünf PCR- und fünf Antigen-Tests pro Person und Monat gratis durchgeführt werden können. Für freiwillige Tests, die über das Gratiskontingent hinausgehen, soll es keine Kostenobergrenze geben.

Gesundheitsminister Johannes Rauch
APA/Tobias Steinmaurer
Rauch ist erst kurz im Amt, aber steht schon heftig in der Kritik

Will man also öfter als fünfmal im Monat einen PCR-Test durchführen oder mehr als fünf Antigen-Tests für die Selbstabnahme erwerben, dann wird man laut den Vorstellungen des Bundes künftig selbst bezahlen müssen. Die Preise sind noch unklar und können von der jeweiligen Teststelle festgelegt werden. Nur wer Symptome hat oder sich als registrierte Kontaktperson „freitesten“ lassen will, soll dafür weiterhin Gratistests erhalten.

Schultests könnten zurückgefahren werden

Als Anlaufstelle abwickeln soll das dann die bisher stark kritisierte Hotline 1450. Zahllose Anruferinnen und Anrufer sind schon in den vergangenen zwei Jahren daran gescheitert, valide Informationen und Hilfe bei dieser Hotline zu erhalten. Wie das Personal einen möglichen Ansturm auf Tests meistern soll, ist unklar.

Offiziell offen ist weiterhin auch, wie es mit den Schultests weitergehen soll. Der „Standard“ berichtete am Mittwoch, dass es aber bereits einen Fahrplan gebe. Die Tests in den Schulen sollten schon bald zurückgefahren, aber nicht abgeschafft werden. Nach den Osterferien dürften Schülerinnen und Schüler nur noch zweimal anstatt bisher dreimal die Woche getestet werden, so das Blatt. Mit 25. April solle auf einen PCR-Test pro Woche umgestellt werden. Antigen-Tests sollen in Schulen dann gar nicht mehr zum Einsatz kommen. Im Bildungsministerium habe es geheißen, dass man sich noch „in Abstimmung“ befinde.