Die Zahl der Neuinfektionen in Österreich liegt seit Tagen um die 50.000 am Tag, die 7-Tage-Inzidenz bei rund 3.500. Die Omikron-Variante hat – bei aller Milde vieler Verläufe – das Land fest im Griff. Dennoch verkündete Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) am Dienstag, dass die Quarantäneregeln gelockert und die Gratistests reduziert werden. Dass diese Schritte gerade jetzt kommen, stößt bei Fachleuten und Teilen der Opposition auf Kritik.
Scharfe Worte fand auch Ludwig, als er am Donnerstag die Maßnahmen für die Bundeshauptstadt verkündete. Hier bleiben die bisherigen Maßnahmen aufrecht, etwa die FFP2-Maskenpflicht im Handel und die 2-G-Regel in der Gastronomie.
Im Gesundheitswesen werde man „auf den dringenden Wunsch“ der Beschäftigten in den Spitälern neue Schritte machen. Pro Patient oder Patientin soll ab nächster Woche nur ein Besucher oder eine Besucherin am Tag erlaubt sein sowie die 2-G-Plus-Regel gelten (geimpft oder genesen plus gültiges negatives PCR-Test-Ergebnis). Für Alters- und Pflegeheime sowie für stationäre Wohneinrichtungen werden zwei Besuche am Tag und 2-G Plus gelten – mehr dazu in wien.ORF.at.
Wien bleibt streng bei CoV-Maßnahmen
Am Donnerstag verkündete Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) nach Beratungen mit Fachleuten, dass die strengeren Maßnahmen in der Hauptstadt aufrecht bleiben und im Gesundheitswesen noch welche dazukommen.
Wiener Empfehlungen
Die Situation in den Spitälern sei ernst, so Ludwig. Zudem werde völlig unterschätzt, wie sich die Omikron-Variante auf Ungeimpfte auswirke. Geringe Verläufe träfen nur auf geimpfte Menschen zu. Zu wenig beleuchtet sah Ludwig auch das Thema „Long Covid“. „Die Bundesregierung wäre gut beraten, wenn sie manche Maßnahmen wieder einführen würde“, etwa die FFP2-Pflicht in Innenräumen.
An der Vorgangsweise des Bundes riss am Donnerstag die Kritik auch von Fachleuten nicht ab. Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres sagte zu Ö1: „Es sieht so aus, dass man die Krankheit durchrauschen lassen möchte, aber man muss auch wissen, welche Konsequenzen das hat.“ Dazu zählte etwa die Verschiebung von Operationen.
Die Spitäler seien bereits jetzt mit rund 3.000 Patientinnen und Patienten mit einer Ansteckung schwer überlastet, hinzu kämen die Krankenstände von infiziertem Personal. „Wir steuern geradewegs auf eine echte Versorgungskrise zu“, so Gerald Gingold, Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellter Ärzte. In dasselbe Horn blies die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD): Die „massive Überlastung der Spitäler und Pflegezentren findet bereits statt“, hieß es in einer Aussendung.
Auch die ursprünglich von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gestartete Bürgerinitiative „Wir Alle“ zeigte sich am Donnerstag „über die jüngsten Entwicklungen der Corona-Pandemie und über die Tatenlosigkeit der Regierung bestürzt“. In einer Aussendung mahnte die Initiative ein energisches Vorgehen gegen die steigenden Infektionszahlen ein.
Rote Ampel, besorgtes Konsortium
Die aktuellen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Laut CoV-Ampel weisen sämtliche Bundesländer über die vergangenen zwei Wochen einen steigenden Trend bei den Infektionszahlen auf, wie aus dem der APA vorliegenden Arbeitsdokument hervorgeht. Alle Bundesländer stehen auf Rot.
Am Mittwoch zeigte schon das CoV-Prognosekonsortium auf, dass sich die derzeitigen Höchststände bei den Neuinfektionen bis mindestens Ende des Monats fortsetzen werden. In rund zwei Wochen müsse mit über 300 CoV-Patientinnen und -Patienten auf den Intensiv- und 4.000 auf den Normalstationen gerechnet werden, so die Prognose.
Testkosten noch unklar
Was die Tests betrifft, ist Wien abhängig vom Bund. Die Tests werden vom Bund gezahlt und von den Ländern organisiert. Nun will der Bund die Kosten reduzieren. Wie am Dienstag angekündigt, sollen ab Anfang April nur noch je fünf PCR- und fünf Antigen-Tests pro Person und Monat gratis durchgeführt werden können. Für freiwillige Tests, die über das Gratiskontingent hinausgehen, soll es keine Kostenobergrenze geben.
Will man also öfter als fünfmal im Monat einen PCR-Test durchführen oder mehr als fünf Antigen-Tests für die Selbstabnahme erwerben, dann wird man laut den Vorstellungen des Bundes künftig selbst bezahlen müssen. Die Preise sind noch unklar und können von der jeweiligen Teststelle festgelegt werden. Nur wer Symptome hat oder sich als registrierte Kontaktperson „freitesten“ lassen will, soll dafür weiterhin Gratistests erhalten. Als Anlaufstelle abwickeln soll das dann die bisher stark kritisierte Hotline 1450.
Schultests könnten zurückgefahren werden
Offen ist noch, wie es mit den Schultests weitergehen soll. Der „Standard“ berichtete am Mittwoch, dass es aber bereits einen Fahrplan gebe. Die Tests in den Schulen sollten schon bald zurückgefahren, aber nicht abgeschafft werden. Nach den Osterferien dürften Schülerinnen und Schüler nur noch zweimal anstatt bisher dreimal die Woche getestet werden, so das Blatt. Mit 25. April solle auf einen PCR-Test pro Woche umgestellt werden. Antigen-Tests sollen in Schulen dann gar nicht mehr zum Einsatz kommen. Im Bildungsministerium habe es geheißen, dass man sich noch „in Abstimmung“ befinde und es keine finale Entscheidung gebe.
Er forderte den Bund auch auf, das Testsystem vorerst so zu belassen, wie es ist. Dieses helfe, die Menschen vor schwerer Erkrankung zu bewahren. Wie es nun weitergehe, sei großteils unklar. „Da gibt es so viele offene Fragen, die mir bis jetzt noch niemand beantworten konnte.“ Ihn beschleiche der Verdacht: „Es geht vor allem darum, ein gut funktionierendes System in Wien abzuändern.“ Die Auswirkungen der Testreduktion würden teurer kommen als das Testformat, so Ludwig – noch dazu, wo die PCR-Tests im Rahmen der Aktion „Alles gurgelt!“ vergleichsweise günstig seien.
Ludwig sagte am Donnerstag, er werde kein Geld aus dem Wiener Budget für die Aufrechterhaltung des dichten Wiener Testnetzes zur Verfügung stellen. Das sei Sache des Bundes, der dafür auch Steuern einnehme. Solche Aufgaben dürften nicht abgewälzt werden. „Wenn der Bund das besser kann, soll es mir recht sein. Die bisherige Performance gibt nicht viel Anlass für Optimismus“, so Ludwig.
Zustimmung zu Testplänen aus Salzburg und Graz
Andere Bundesländer äußerten hingegen teils Zustimmung zu den Testplänen. Aus dem Büro der steirischen Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) hieß es, dass man auf die neue Teststrategie schon gewartet habe, sich aber wesentliche Fragen, etwa die Finanzierung, noch nicht geklärt haben. Sie selbst unterstütze die Reduzierung der Gratistests.
Aus dem Land Salzburg kam ebenfalls Zustimmung. Es sei wichtig, dass weiterhin ein gewisses Kontingent an Tests kostenlos zur Verfügung stehe, sagte ein Sprecher von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP). Die Möglichkeit, zu Hause durchgeführte Schnelltests in die Plattform des Landes einzumelden, werde es weiterhin geben.
In Kärnten blieb man zurückhaltend: Man warte noch „schriftliche Details des Bundes“ ab, insbesondere in Bezug auf die Kostenübernahme, hieß es gegenüber der APA. Bereits am Mittwoch hatten sich weitere andere Ländervertreter zu Wort gemeldet. In Niederösterreich und Vorarlberg verwies man ebenfalls auf noch ausstehende Details, wobei man in Vorarlberg grundsätzlich Zustimmung signalisierte. In Tirol hieß es, es werde an der Umsetzung gearbeitet. Im Burgenland gab man zu verstehen, man könne mit der Kontingentierung der Tests leben. In Oberösterreich wurde erklärt, es werde das Testen wie vom Bund vorgegeben umgesetzt werden.