Bauarbeiter in Wien
Reuters/Leonhard Foeger
Materialmangel, Inflation

Baubranche in der Sackgasse

Es gibt kaum eine Branche mehr, die nicht direkt oder indirekt vom Krieg in der Ukraine und den anhaltenden Unwägbarkeiten der CoV-Pandemie betroffen wäre. Alarmrufe kommen auch aus der Bauindustrie: Lieferengpässe und Preissprünge würden Kalkulationen zunehmend verunmöglichen, mit Bauverzögerungen oder -stopps sei zu rechnen. An bisher bei Projekten üblichen Festpreisen sei schwerlich festzuhalten.

Ende vergangener Woche warnte die Bauindustrie in Deutschland eindrücklich: „Wir können heute nicht sicher sagen, ob genügend Material für alle Baustellen vorhanden sein wird.“ Lieferungen für wichtige Produkte wie Schrauben und Nägel kämen aufgrund von Sanktionen nicht mehr an, hieß es aus dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB). Mit den Vorständen großer Auftraggeber wie der Deutschen Bahn und der Autobahn GmbH stünde man wegen drohender Baustopps bereits in Kontakt.

In Österreich sieht es ähnlich aus, auch wenn in der Branche noch nicht offiziell von Baustopps die Rede ist. Doch die ohnedies schon länger angespannte Situation auf den Rohstoffmärkten habe sich durch den Krieg in der Ukraine nochmals zugespitzt. Es mangle nicht nur an Baustoffen wie Beton, Stahl und Holz, mittlerweile würden etwa auch Dämmstoffe, Leimbinder oder Kunststofferzeugnisse fehlen.

Bauarbeiter nimmt Stahlröhre
Reuters/Valentyn Ogirenko
Im Bau mangelt es an Material ebenso wie an Arbeitskräften

Märkte nicht mehr berechenbar

Die Verknappung auf den Rohstoffmärkten erzeugt nicht nur Planungsunsicherheiten, sondern treibt auch die Preise etwa für Stahl, Aluminium oder Bitumen, das für die Asphaltproduktion benötigt wird, in immer lichtere Höhen. Die Materiallieferanten würden infolgedessen keine verbindlichen Angebote mehr stellen, hieß es aus dem HDB. „Teilweise werden Preise nur im Stundenrhythmus garantiert. Angebote wie bisher seriös zu kalkulieren und abzugeben, ist damit unmöglich.“

Darauf weist auch der Österreichische Baumeisterverband (ÖBV) hin: Die Märkte seien schlicht nicht mehr berechenbar. Derzeit sei es üblich, insbesondere bei Projekten mit kürzeren Fertigstellungsfristen, Kunden fixe Preise anzubieten und diese auf Baudauer zu garantieren. Bei laufenden Verträgen könnten Preissteigerungen so nicht weitergereicht werden, die Bauunternehmen blieben auf den Mehrkosten sitzen.

Fixpreise als „Auslaufmodell“

Angesichts der derzeitigen Lage müssten die Fixpreise zu einem Auslaufmodell werden, hieß es gegenüber ORF.at. Für Leistungen, deren Kosten vom Weltmarkt abhängig und entsprechend volatil seien, führe kein Weg an „indexbasierten Vergütungsmodellen“ – also flexiblen Verträgen – vorbei. Das kann laut ÖBV auch für Auftraggeber vorteilhaft sein: Es müssten keine Risikozuschläge mehr eingepreist werden, die Angebote würden so günstiger, transparenter und vergleichbarer.

Baustelle in Aspern
ORF.at/Christian Öser
Extrem volatile Preise würden Kalkulationen unmöglich machen, heißt es aus der Branche

Fehlende Arbeitskräfte

Problemfelder gibt es aber auch anderswo in der Branche: zum einen die explodierenden Preise für Kraftstoffe, vor allem Diesel. Zum anderen macht der sich zuspitzende Arbeitskräftemangel zu schaffen: Fehlte es bis vor Kurzem vor allem an Fachpersonal, gebe es mittlerweile auch zu wenige Hilfskräfte. CoV-bedingte Ausfälle würden die Lage noch verschärfen.

Aus Deutschland wurde vergangene Woche eine Studie publik, derzufolge im Zuge der CoV-Pandemie Zehntausende Beschäftigte aufgrund von Materialmangel ihren Job verloren haben. Laut der Publikation summierten sich diese in der Industrie und im Baugewerbe von April 2021 bis Jänner 2022 auf 76.000. Die Anzeigen auf Kurzarbeit erhöhten sich um 446.000. In Österreich, hieß es gegenüber ORF.at, sei die Baubranche vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen, Kurzarbeit relativ selten genützt worden.

Hoffen auf Aufschub bei CO2-Bepreisung

Doch die Luft wird zusehends dünner, umso mehr noch als „mit der für 1. Juli 2022 geplanten Einführung einer CO2-Bepreisung bereits der nächste Kostenschub ins Haus steht“, wie es in einer Aussendung des ÖBV hieß. „Die Bauwirtschaft appelliert an die politischen Entscheidungsträger, den Zeitplan der CO2-Bepreisung nochmals zu überdenken und dessen Einführung zumindest so lange auszusetzen, bis sich die Entwicklung auf den Rohstoffmärkten wieder einigermaßen stabilisiert hat.“