Kunde an Tankstelle
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Energiepreise

Regierung stellt neues Entlastungspaket vor

Mit einem rund zwei Milliarden schweren Entlastungspaket will die Regierung die Auswirkungen der steigenden Energiepreise und der hohen Inflation auf private Haushalte und Firmen ausgleichen. Das heimische Energiepaket sieht unter anderem eine 50-prozentige Erhöhung der Pendlerpauschale und eine Vervierfachung des Pendlereuros bis 30. Juni 2023 vor. Auch „Öffis“ sollen billiger werden.

Das „Antiteuerungspaket“, das Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Sonntag vorstellten, wurde zu den bereits bekannten Maßnahmen geschnürt. Damit federe die Regierung mit insgesamt vier Milliarden Euro die steigenden Energiekosten ab und investiere in den Umstieg auf andere Energiequellen, wurde bei der Vorstellung betont.

400 Millionen Euro Entlastung soll die Erhöhung von Pendlerpauschale und Pendlereuro sowie ein einmaliger Betrag von 100 Euro für Negativsteuerbezieherinnen bringen. Für billigere „Öffis“ stellt die Regierung heuer 150 Millionen Euro für Preissenkungen und eine Angebotserweiterung zur Verfügung. Dadurch soll der Anreiz, auf „Öffis“ – wo möglich – umzusteigen, erhöht werden.

Magnus Brunner und Leonore Gewessler
APA/Tobias Steinmaurer
Brunner und Gewessler stellten das Paket Sonntagmittag vor

Der öffentliche Verkehr soll von den steigenden Energiekosten zusätzlich entlastet werden, hieß es unter Verweis auf beispielsweise Schülerfreifahrten. Entlastet werden sollen zudem heimische Klein- und Mittelbetriebe mit hohem Treibstoffaufwand wie Handwerker mit 120 Millionen Euro Treibstoffrückvergütung bis Ende Juni 2023.

900 Mio. Euro für Abgaben auf Energiepreise

Der größte Brocken des Pakets mit 900 Millionen Euro umfasst aber die Senkung der Erdgasabgabe und Elektrizitätsabgabe bis Ende Juni 2023 um rund 90 Prozent. Davon sollen auch private Haushalte direkt profitieren, so Gewessler. An den Kartellanwalt im Justizministerium ergehe zudem eine Weisung zur Kontrolle der Ölindustrie und von Betrieben in der entsprechenden Wertschöpfungskette, so Brunner. Eine Sachverhaltsdarstellung wird auch an die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) übermittelt. Einen Kostenausgleich gibt es auch für Agrardiesel.

Maßnahmen gegen hohe Energiepreise

Die vorgestellten Maßnahmen sollen Entlastungen für die heimischen Autofahrer und die Wirtschaft bringen.

Um die Abhängigkeit von (russischem) Gas zu reduzieren, werden im Rahmen der Investitionsoffensive Energieunabhängigkeit Windkraft und Photovoltaik-Projekte mit insgesamt 250 Millionen Euro gefördert. Der Umstieg auf alternative dekarbonisierte Antriebsformen in Betrieben wird heuer und im kommenden Jahr mit in Summe 120 Millionen Euro unterstützt.

Mit dem Gesamtpaket, inklusive bereits vorgestellter Maßnahmen wie dem 150-Euro-Energie-Bonus, entlaste man Industrie und Bevölkerung in Österreich um den Faktor zehn im Vergleich zu Deutschland, wo ebenfalls ein vier Milliarden Euro schweres Paket präsentiert worden sei, wurde erklärt. Zudem ergreife man im Vergleich zu kurzfristigen Maßnahmen wie etwa temporäre Preisobergrenzen in anderen EU-Staaten „längerfristige Maßnahmen, um auf die prognostizierte Inflation zu reagieren“, hieß es weiter.

Die „importierte Inflation“ treffe ganz Europa und die ganze Welt sehr hart, so Brunner, auf EU-Ebene habe die Europäische Zentralbank (EZB) die Kompetenzen, hier entgegenzuwirken. Gewessler betonte, dass man mit den heimischen Maßnahmen nicht diejenigen belohnen wolle, die „mit dem Zweit-SUV durch die Innenstadt düsen“.

AK und ÖGB verweisen auf eigene Vorschläge

Bereits vor der Vorstellung der Pläne gab es am Wochenende zahlreiche Wortmeldungen zu der Thematik. Die Sozialpartner Arbeiterkammer (AK) und ÖGB monierten zunächst, in die konkreten Gespräche nicht einbezogen worden zu sein – danach gefragt, erklärten Brunner und Gewessler bei der Pressekonferenz, dass man die bereits gemachten Vorschläge mitbedacht habe und am Mittwoch mit den Sozialpartnern reden werde.

AK-Präsidentin Renate Anderl forderte in ihrer Aussendung eine schnelle Entlastung und den Umbau des „absurd ungerechten Pendlerpauschales“ zu einem Pendlerabsetzbetrag, um Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zu entlasten. Zudem will die AK eine deutliche Erhöhung des Heizkostenzuschusses der Bundesländer sowie einen Energie- und Klimahilfsfonds gegen Energiearmut.

Mehr Tempo forderte auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, dem die Maßnahmen der Regierung zu zaghaft sind. Der ÖGB habe bereits im November einen „umfassenden Vorschlag“ zur Stützung einkommensschwacher Haushalte vorgelegt, der bis jetzt teilweise mehr gebracht hätte als die nun vorgelegten Schritte. Der ÖGB fordere, dass die Regierung die Mehreinnahmen aus der hohen Inflation an die Haushalte zurückgibt, etwa durch eine Senkung der Preise für Energie und Treibstoffe und eine Erhöhung des Kilometergelds.

Kritik von Bauern

Unzufrieden zeigte sich auch der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ), Josef Moosbrugger, in einer Aussendung der Bauernvertretung. Die Entlastungen für den Bereich seien „völlig im Ungewissen“, das Paket sorge nicht für Klarheit. Wenn man die Bauern und Bäuerinnen nicht ausreichend unterstütze, sei zu befürchten, dass weitere Betriebe ihre Produktion einstellen und damit die Abhängigkeit aus dem Ausland steige. Viele Betriebe seien aktuell nicht imstande, die Kosten für Saatgut, Energie, Düngemittel, Pflanzenschutz, Tierarzt, Futtermittel und Investitionen in Maschinen und Geräte zu stemmen.

Statement von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP)

Ein „Tropfen auf dem heißen Stein“ ist das Paket für die Industriellenvereinigung (IV), es gehe an der „tatsächlichen Realität der Unternehmen vorbei“, hieß es in der Aussendung der IV. Die Senkung der Energieabgaben auf Gas und Strom stelle zwar kurzzeitig die Liquidität im Unternehmen sicher, es müssten aber weitere Entlastungen folgen. Auch die Wirtschaftskammer sieht „bestenfalls“ einen ersten Schritt und kritisiert die fehlende Einbindung der Sozialpartner, weitere Erleichterungen seien „unabdingbar“.

Für WIFO-Chef Gabriel Felbermayr ist das Energiepaket „in Summe ein vernünftiger Kompromiss“. Besonders positiv seien Maßnahmen, die nicht kamen: Der Verzicht auf eine Mehrwertsteuersenkung und auf behördliche Preisfestsetzungen. Der Handelsverband begrüßte die angekündigten Maßnahmen, bemängelte in einer Aussendung aber, dass die Regierung die Energiekosten der Branche weniger stark wahrnehme, etwa im Bereich Kühlung.

Opposition vermisst großen Wurf

Weniger enthusiastisch zeigte sich die Opposition. „Kosmetik“, aber keine nachhaltige Entlastung sieht NEOS in dem Paket, da viele Maßnahme mit Ende Juni 2023 begrenzt seien. Der beste Inflationsschutz sei die Abschaffung der kalten Progression, erinnerte NEOS an ein Wahlversprechen. Als „Mogelpaket“ bezeichnete FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl die präsentierten Maßnahmen: Bei den Menschen komme zu wenig Entlastung an.

Statement von Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne)

In keinem anderen EU-Land sei der Preis für Benzin so stark gestiegen wie in Österreich, hieß es von der SPÖ, die Mineralölkonzerne würden „das Geschäft ihres Lebens“ machen. Nach dem Preisgesetz sieht sie die Regierung verpflichtet, Höchstpreise festzulegen, die Senkung der Energieabgaben sei zu gering und nicht treffsicher – größte Einzelprofiteure seien etwa Thermenhotels.

ÖAAB zufrieden, WWF und ÖAMTC nur bedingt

Zustimmung zum „Antiteuerungspaket“ kam vom ÖAAB. Die Regierung unterstütze gezielt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die auf das Auto angewiesen sind, aber auch all jene, die auf öffentlichen Verkehr umsteigen, so ÖAAB-Bundesobmann August Wöginger in einer Aussendung. ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner verwies auf die Erhöhung der Pauschale, die Vervierfachung des Pendlereuros und die Senkung der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe als „Herzstück“ des Pakets.

Die Umweltschutzorganisation WWF Österreich vermisst Energiesparmaßnahmen im Paket der Regierung. Es dürften nicht nur „Symptome der fossilen Teuerung“ bekämpft werden, sondern müssten auch die Verschwendung von Energie wirksam gestoppt und der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beschleunigt werden. Der ÖAMTC begrüßte die Entlastung der Pendler und Pendlerinnen, sieht aber zu wenig Berücksichtigung von Menschen, die im Alltag auch auf das Auto angewiesen sind, etwa auf dem Land.